Die Ukraine darf sich nun auch mit westlichen Waffen mit Angriffen aus russischem Gebiet verteidigen. In Woltschansk wird derweil eine neue Intensität der Frontkämpfe deutlich.
Kiew/Moskau – Vor Kurzem sprach sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dafür aus, dass die Ukraine westliche Waffen zur Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg künftig auch bei Einsätzen gegen Ziele in Russland nutzen darf. Damit folgt Deutschland nach langem Zögern den USA und weiteren Nato-Verbündeten. Scholz’ Kurswechsel dürfte dabei auch als Reaktion auf die Angriffe Russlands auf die ostukrainische Großstadt Charkiw zu werten sein, die aus dem unmittelbar angrenzenden russischen Grenzgebiet heraus vorbereitet und ausgeführt wurden.
Ukrainische Großoffensive auf Woltschansk – Großteil der Stadt scheinbar unter ukrainischer Kontrolle
Welche Auswirkungen der Einsatz westlicher Waffen auf den Kriegsverlauf im Ukraine-Krieg haben könnte, lässt sich bislang noch nicht final beurteilen. Jedoch lassen aktuelle Verläufe an der Kriegsfront erste Vermutungen zu. Offenbar haben ukrainische Armee-Einheiten im Nordosten des Landes Gegenangriffe gestartet, um russische Streitkräfte aus den seit Mitte Mai besetzten Gebieten nördlich der zweitgrößten ukrainischen Stadt Charkiw zurückzudrängen.
Die ukrainische Nachrichtenseite Ukrainska Prawda berichtete am Samstag von einer Offensive des ukrainischen Militärs auf die Stadt Woltschansk, in der sie auch die Tatsache nannte, die Ukraine kontrolliere mittlerweile 70 Prozent der etwa 70 Kilometer nordöstlich von Charkiw gelegenen Stadt. Dabei beruft sich Prawda auf die Aussagen von Oberstleutnant Nasar Woloschyn, Sprecher der operativ-strategischen Truppe „Chortyzja“.
Ukrainisches Militär hält russische „Eindringlinge unter Feuerschutz“
Dem Sprecher der Truppe zufolge gibt es harte Kämpfe mit den Besetzern der Stadt sowie im Umland Woltschansks, weil die Russen dort nicht aufhören, mit kleinen Angriffsgruppen weiter in die Kleinstadt vorzudringen. „Aber die Verteidigungskräfte tun alles, um den Feind daran zu hindern, Fuß zu fassen, und halten die Eindringlinge unter Kontrolle“, betonte Woloschyn. Er fügte hinzu, dass die Verteidigungskräfte den Fluss Woltschja unter Beschuss halten und „alles tun werden, um den Feind daran zu hindern, auf die andere Seite des Flusses zu gelangen.“
Gleichzeitig berichtete das ukrainische Analyseprojekt Deep State auf Telegram, dass der nördliche Teil von Woltschansk während der dreiwöchigen russischen Offensive durch feindliche Artillerie praktisch ausgelöscht worden ist. „Satellitenbilder zeigen erhebliche Schäden an der Bausubstanz der Stadt. Ungefähr 50 bis 80 Prozent sind zerstört und können nicht wieder aufgebaut werden. Im südlichen Teil der Stadt stehen noch ganze Häuser, aber auch sie werden bei dieser Intensität nicht mehr lange stehen bleiben“, stellte Deep State fest.
Westliche Waffen laut ISW-Einschätzung von „entscheidender Bedeutung“ für Ukraine
Dem voraus ging am Donnerstag (30. Mai) die Feststellung des Oberbefehlshabers des ukrainischen Militärs, Generaloberst Oleksandr Syrskyj, Russland habe seine Truppengruppierung in Richtung des Hauptangriffs in der Gegend von Woltschansk weiter ausgebaut, indem es zusätzliche Brigaden aus anderen Front- und Schussbereichen dorthin verlagert hätte. Nach Ansicht des Oberbefehlshabers dürften diese Bemühungen von Wladimir Putin jedoch nicht mehr für eine Großoffensive und einen Durchbruch der ukrainischen Verteidigung im Raum Charkiw ausreichen.
Die Bereitstellung westlicher Luftabwehrsysteme und die Aufhebung westlicher Beschränkungen für die Ukraine, militärische Ziele auf russischem Gebiet mit vom Westen bereitgestellten Waffen anzugreifen, sind für die Ukraine nach wie vor von „entscheidender Bedeutung“, um russische Gleitbomben- und Raketenangriffe auf die Stadt Charkiw abzuwehren. Das stellte auch das unabhängige Institute for the Study of War (ISW) in einem Update zum Kriegsverlauf vom Sonntag fest.
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Videos zeigen die massive Zerstörung in Woltschansk – Kämpfe von „neuer Intensität“
Im Internet kursieren vermehrt Videos, die die panischen Reaktionen russischer Streitkräfte auf die aktuelle ukrainische Offensive zeigen sollen. Doch auch die durch die russische Armee angerichtete Zerstörung ist zu sehen. Die Joint Assault Brigade der Nationalen Polizei Lyut veröffentlichte ein Video aus Woltschansk auf Facebook, das „Bilder der von den Russen zerstörten Stadt“ zeigt, wie es im Untertitel des Videos benannt ist.
Mittels Drohnenaufnahmen tritt dort die massive Zerstörung zutage, der die Stadt Woltschansk in den vergangenen Wochen ausgesetzt war und deutet auf die immer noch anhaltenden Kämpfe zwischen ukrainischen und russischen Streitkräften hin. Die Intensität der Kämpfe an der Front in Woltschansk wird auch von einem russischen Militärblogger auf dem Telegram-Kanal „Alex Parker Returns“ betont.
„Eine solche Intensität der Kämpfe gab es nicht in Mariupol, nicht in Bachmut, sehen Sie sich nur an, was mit den AFU-Kämpfern geschieht, der Anblick ist nichts für schwache Nerven, überall liegen zerfetzte Körper und Gliedmaßen“, betonte der russische Kriegsblogger, der Medien vom Kriegsgeschehen unter dem Kürzel, „AP Wagner“ publiziert. (fh)