Fendt-Chef im Interview: Ist der Aufschwung in Sichtweite?
Die Rekordjahre, in denen Fendt 20.000 Traktoren plus x verkaufte, scheinen vorerst vorbei. 2024 waren es 19.290 Einheiten, die vom Band liefen, wie Fendt-Chef Christoph Gröblinghoff im Gespräch mit unserer Zeitung sagt. Doch am Horizont mache sich der Aufschwung bereit.
Marktoberdorf – Auch für 2025 rechnet der Vice President und Vorsitzende der AGCO/Fendt Geschäftsführung nicht mit einer Absatzsteigerung. Welche Gründe der 58-Jährige dafür sieht, und was das für die Firma Fendt und ihren Standort in Deutschland und Marktoberdorf bedeutet, ist Thema des Gesprächs, das Ende Februar zwischen Wahlsonntag und Weiberfasching stattfand.
Im Fendt-Hauptquartier spricht Gröblinghoff Klartext
Den Kaffee mag er stark, und Zuckerguss ist nicht die Sprache des Christoph Gröblinghoff. Das Plaudern übers Wetter schon gar nicht. Auch wer im Interview die Fragen stellt, muss erst geklärt werden. Was dann aber folgt, ist eine knallharte Analyse, die die Leidenschaft des Fendt-Chefs für sein Unternehmen, für den Wirtschaftsstandort und die Landwirtschaft erkennen lässt. „Wir sind beseelt davon, Fendt voranzubringen.“
Dieses Jahrzehnt, so Gröblinghoff, sei im Vergleich zum vorigen äußerst volatil, geprägt von großen Amplituden bei der Nachfrage. Schaue man sich den Traktorenmarkt in Europa der letzten 15 Jahre an, wurden durchschnittlich jeweils rund 170.000 Zugmaschinen pro Jahr verkauft. „Wir haben in den Jahren 2021 und 2022 eine riesengroße Nachfrage erlebt und die ist 2024 und 25 in ein regelrechtes Tal marschiert.“ 153.000 Traktoreneinheiten wurden 2024 noch europaweit verkauft. „Und auch 2025 werden wir vom Durchschnitt noch weit entfernt sein“, prognostiziert Gröblinghoff. Erst 2026 sieht er eine erste Erholung der Märkte. Aber, und das sei entscheidend, „wenn wir am Ende des Jahrzehnts zurückschauen, und neu berechnen, werden wir merken, ach, der Schnitt war ja gar nicht so schlecht.“
Erholung der Märkte erst 2026
Es gebe gute Gründe für Landwirte, aktuell mit einer sehr hohen Kaufzurückhaltung zu reagieren. Denn nicht Fendt habe ein strukturelles Problem, betont Gröblinghoff und spielt damit auf die Herausforderungen der Automobilindustrie an. „Unser Problem ist allein der Nachfragerückgang bei unseren Kunden, den Landwirten.“
Warum das so ist? Gröblinghoff nimmt kein Blatt vor den Mund: „Landwirte vermissen Planungssicherheit für Investitionen. Gerade in Deutschland, Dänemark oder Frankreich haben sich politische Rahmenbedingungen so verschlechtert, dass dem einen oder anderen Landwirt gerade im Generationenwechsel schlichtweg die Freude genommen wurde, den Hof weiterzuführen.“ Der Firmenchef, der einen landwirtschaftlichen Betrieb im Sauerland führt, wird drastisch: „Übertrieben gesagt, haben viele Landwirte keine Lust mehr, sich von irgendwelchen Leuten drangsalieren zu lassen, die nicht wissen, wo beim Schwein vorne und hinten ist.“ Das führe dazu, dass „Bauern keinen Bock mehr darauf haben, für Mindestlohn zu arbeiten und gesellschaftlich am Pranger zu stehen.“ Und für die Gesellschaft gefährde politische Unsicherheit und Unwissenheit am Ende die Versorgung durch deutsche Lebensmittel.
Fendt hat seinen Marktanteil in Europa ausgebaut
Nichtsdestotrotz – der Fendt-Chef blickt wieder auf den Traktorenmarkt – habe Fendt seinen Marktanteil global weiter ausbauen können. Tatsächlich konnte Fendt seine Marktanteile in Europa 2024 um 1,8 Prozent auf 11,9 Prozent steigern. In Deutschland sei Fendt ohnehin Marktführer und konnte im letzten Jahr diese Position sogar noch ausbauen. Jeder vierte neue Schlepper ab 0 PS kam 2024 aus Marktoberdorf und ab 51 PS war sogar jeder dritte Traktor ein Fendt Vario.
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Gröblinghoff lehnt sich zurück. Das, was er jetzt sagt, kommt im Brustton der Überzeugung. „Fendt ist nicht umsonst Technologieführer und Landwirte wissen um die wirtschaftlichen Vorteile unserer Maschinen, auch wenn sie einen höheren Anschaffungspreis bezahlen.“
Wie aggressiv soll an der Kostenschraube gedreht werden?
A propos Preise: AGCO-Chef Eric Hansiota hat jüngst erneut „aggressive Maßnahmen zur Kostenkontrolle“ für den gesamten amerikanischen Konzern (dessen Tochterunternehmen Fendt seit 1997 ist) angekündigt. Darauf angesprochen ist es mit der Gemütlichkeit im Besprechungsraum bei Fendt auch schon wieder vorbei.
„Wenn plötzlich Märkte wegbrechen, muss ich meine Kosten geringeren Erträgen anpassen, richtig?“ Gröblinghoff fragt rhetorisch. Der Traktorenabsatz der AGCO-Marken ging beispielsweise in Nordamerika im vergangenen Jahr um satte 13 Prozent zurück, in Westeuropa um sechs Prozent. Also richtig, wo weniger reinkommt, kann weniger ausgegeben werden.
Investitionen in Millionenhöhe am Standort Marktoberdorf
Mutterkonzern AGCO will also Kosten reduzieren und gibt das an seine Tochter in Marktoberdorf weiter. Von Druck aus Amerika will Gröblinghoff jedoch nichts hören, man sei in steter Abstimmung. Zum einen soll die „Kostenkontrolle“ nun durch Automatisierung, die Nutzung von KI und die Optimierung von Prozessabläufen gelingen. Ein weiterer Sparfaktor sei das Outsourcing. „Wir überprüfen gerade Möglichkeiten, welche Dienstleistung externe Partner schneller und effizienter machen können.“
Als Drittes nennt der Geschäftsführer Verlagerungen von Leistungen, die in Ländern wie Indien kostengünstiger erledigt werden könnten. Noch sei hier nichts spruchreif. Und, um keine Gerüchte aufkommen zu lassen, betont er: „Es geht nicht um die Verlagerung von Teilen der Produktion.“ Im Gegenteil. Fendt investiere aktuell in den Standort Marktoberdorf mehr als 113 Millionen Euro, darunter fallen auch zwei Projekte in der Produktion: den Bau eines automatischen Hochregallagers für das Getriebewerk und eine Komponentenlackieranlage im Traktorenwerk.
Es gab keine Kündigungen, betont Fendt-Chef Gröblinghoff
Kosten werden gemeinhin auch am Personal eingespart. Waren und sind dabei Stellen bei Fendt in Marktoberdorf gefährdet? Die Frage findet Gröblinghoff nun mehr als „despektierlich“ und stellt klar: „Wir haben ein sogenanntes Freiwilligenprogramm auf den Weg gebracht und das mit der Arbeitnehmervertretung und der IG Metall abgestimmt.“ Dieses noch Ende des vergangenen Jahres gestartete Programm ermöglichte es Mitarbeitern auf freiwilliger Basis, das Unternehmen frühzeitig zu verlassen. Beschäftigte über 60 Jahre konnten dadurch früher in Rente gehen. Jüngere Mitarbeiter konnten sich für einen finanziell reizvollen Aufhebungsvertrag entscheiden.
Das Programm sei gelungen, ohne Kündigungen und ohne Sozialplan. In einem freiwilligen Miteinander, so Gröblinghoff, sei Fendt ein bisschen schlanker und effizienter geworden. Eine Zahl, wie viele Mitarbeiter das Unternehmen im Rahmen des Freiwilligenprogramms verlassen haben, nennt Gröblinghoff bewusst nicht.
Ausbau des Portfolios und ein neues Hochregallager
Worüber er aber gerne spricht, sind die Entwicklungen fürs laufende Jahr. Der Ausbau des Portfolios gehört dazu, also die Entwicklung neuer Produkte und Anwendungen, die in naher Zukunft auch das teilautonome Fahren in der Landwirtschaft ermöglichen sollen. Gleichzeitig will Fendt weiterhin in den Standort investieren, in moderne Arbeitsplätze, und seine Produkte beispielsweise in Hinblick auf Kraftstoffersparnis weiter optimieren. Auch stehe die Erweiterung des Produktionsstandorts Marktoberdorf in Richtung Süden an und Gröblinghoff denkt laut über ein Logistik-Hub, also einen zentralen Parkplatz außerhalb des Standorts nach, wo LKWs be- und entladen werden. Die Stadt sei da sehr kooperativ, sagt er.
Gerade erst fertiggestellt ist das rund 22 Meter hohe Hochregallager mit 1.600 Lagerplätzen, das – wenn es nach dem Fendt-Chef gehen soll – das neue „Allgäu-Wahrzeichen“ wird. „Wir müssen noch etwas Reklame dranpappen“, gibt Gröblinghoff die Richtung vor. Auf Spur ist bereits der erste vollelektrische Traktor in Serienproduktion, für den extra eine Halle gebaut wurde. „Dieser Schlepper ist der erste CO2-neutrale Standardtraktor – vorausgesetzt sein Strom wird auch CO2-neutral erzeugt“, sagt Gröblinghoff mit einem Schmunzeln.
Zum Schluss wird der Fendt-Chef denn auch kurz euphorisch. „Was mich begeistert, sind unsere Ingenieure, die immer wieder mit guten Lösungen um die Ecke kommen, die dann wiederum auch von den Landwirten – und das ist ja entscheidend – als echten Mehrwert honoriert werden.“
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