Versagen von Israels Luftabwehr: Tödlicher Fehler offenbart Schwachstellen

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Trotz Warnungen wurde ein Drohnenangriff auf einer Armeebasis in Israel nicht abgewehrt. Die Folge: vier tote Soldaten und viele Verletzte. Wie kam es dazu?

Die israelischen Streitkräfte (IDF) sehen sich täglich mit zahlreichen Raketen- und Drohnenangriffen konfrontiert, insbesondere von der Hisbollah-Miliz und der Hamas. Neben dem berüchtigten Iron Dome setzen sie dabei auf diverse Alarmsysteme. Doch bei einem tödlichen Überfall auf einen Militärstützpunkt im Norden des Landes scheinen diese Systeme versagt zu haben. Wie konnte das passieren?

Hisbollah-Drohnenschlag im Norden von Israel: Polizei soll Luftwaffe gewarnt haben

Laut Polizeiangaben wurde die israelische Luftwaffe über „Berichte über ein verdächtiges Flugzeug informiert“, wie die New York Times berichtet. Die Warnung wurde jedoch ignoriert, da man davon ausging, dass es sich um ein israelisches Flugzeug handele, so der Bericht. Diese Fehleinschätzung erwies sich als fatal.

Das israelische Luftabwehrsystem Iron Dome feuert, um Raketen abzufangen, die aus dem Libanon abgefeuert wurden.
Das israelische Luftabwehrsystem Iron Dome feuert, um Raketen abzufangen, die aus dem Libanon abgefeuert wurden. © Baz Ratner/dpa/AP

Kurz darauf führte ein Drohnenangriff, den die Hisbollah für sich beanspruchte, zum Tod von vier israelischen Soldaten und verletzte viele weitere. Dieser Angriff unterstreicht erneut die Schwachstellen der israelischen Luftabwehr. Erst in der vergangenen Woche hatte die Hisbollah ein Pflegeheim nördlich von Tel-Aviv bombardiert; obwohl es erhebliche Schäden gab, wurde niemand verletzt. In jüngster Zeit gelangen der jemenitischen Huthi-Miliz mehrere Angriffe auf israelischem Boden – stets mithilfe von Angriffsdrohnen.

„Wir müssen für eine bessere Verteidigung sorgen“, erklärte IDF-Sprecher Daniel Hagari. Es sei unklar, „wie eine Drohne ohne Warnung eindringt und hier auf dem Stützpunkt einschlägt“ - die mutmaßliche Warnung durch die Polizei ließ er unerwähnt. Die Luftwaffe hatte die Drohne zunächst verfolgt, sie verschwand jedoch vom Radar, da sie Berichten zufolge so tief flog, dass sie als abgestürzt oder abgefangen eingestuft wurde. Die Drohne wurde daher nicht bemerkt und explodierte auf dem Militärstützpunkt.

Abwehrsysteme Israels vor allem auf Raketen ausgelegt – aber nicht auf langsame Drohnen

Ein Hauptproblem Israels besteht darin, dass die Abwehrsysteme hauptsächlich auf die Erkennung und Abwehr von Raketen ausgerichtet sind, die sich mit mehr als 1600 km/h bewegen. Drohnen, die teilweise langsamer als 160 km/h fliegen, werden von den israelischen Radarsystemen daher nicht immer ausreichend erkannt, so der Bericht der New York Times.

Die berüchtigten Raketenabwehrsysteme Iron Dome und Arrow-3 sind daher eher in der Lage, massives Sperrfeuer ballistischer Raketen abzufangen als kleine, gezielte Angriffe durch Drohnenschwärme. Experten sind der Ansicht, dass die Drohnenabwehr Israels dringend angepasst werden muss.

Wie Israel sich gegen Angriffe verteidigt

Die „Eiserne Kuppel“ ist Teil eines mehrstufigen israelischen Luftabwehrsystems. Die Iron-Dome-Abwehreinheiten haben darin die Aufgabe, Raketen und Mörsergranaten mit einer Reichweite von bis zu 70 Kilometern abzufangen. Jede Iron-Dome-Einheit hat drei Hauptbestandteile: ein Radarsystem, einen Computer, der die Flugbahn der eintreffenden Rakete berechnet, und eine Abschussvorrichtung, die eine Abfangrakete abfeuert, wenn eine zuvor erkannte Rakete auf bebautes oder strategisches Gebiet treffen könnte.

Neben dem Iron Dome gehören zur israelischen Raketen- und Marschflugkörper-Abwehr weitere Systeme: das System Arro, das auf die Abwehr ballistischer Raketen ausgerichtet ist – und das System David’s Sling, mit dem Mittelstreckenraketen und Mittelstrecken-Lenkflugkörper abgefangen werden sollen.

Seit dem Einsatz des Iron Dome im Jahr 2011 wurden damit bereits tausende Raketen abgefangen, die von der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas im Gazastreifen oder von der pro-iranischen Hisbollah im Libanon abgefeuert wurden. Das System kam auch bei dem ersten direkten Angriff des Iran mit Drohnen und Raketen auf Israel im April zum Einsatz – trotz hunderter abgefeuerter Geschosse konnten dabei dank des Iron Dome nach israelischen Angaben „99 Prozent“ abgefangen werden.

Keine „magische Lösung für Israel“: IDF ändert Warnsystem nach Hisbollah-Schlag

„Es gibt keine magische Lösung, die, wenn sie umgesetzt wird, alle Probleme lösen würde“, sagte Onn Fenig, dessen Unternehmen auf Militärtechnik spezialisiert ist, im Gespräch mit der New York Times. Fenig warnte weiter: „All diese Systeme haben Vorteile und blinde Flecken“. Israel müsse daher die positiven Aspekte „kombinieren, um ein robusteres Drohnenerkennungssystem zu entwickeln“. Innerhalb der IDF scheint bereits ein Umdenken stattzufinden.

Israelische Medien berichteten unter Berufung auf die Luftwaffe, dass die Warnbereiche bei Raketenalarm erweitert werden. Das bedeutet, dass an mehr Orten Sirenen ertönen und es dadurch auch mehr Fehlalarme geben wird. Als Reaktion auf den Angriff auf den Militärstützpunkt in Binjamina will die Luftwaffe nun erst Entwarnung geben, wenn Beweise für einen tatsächlichen Absturz eines Geschosses gefunden werden. Andernfalls gelten Drohnen noch als in der Luft und fliegend. Diese Änderung des Vorgehens bei Raketenalarm erfolgt vorsorglich, um eine Wiederholung solcher Vorfälle zu verhindern. (nak)

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