„Als ob ich fünf Mass Bier intus habe“: Herzpatient verklagt wegen Schwindel-Anfällen seine Ärzte

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Vor Gericht musste der Mann einsehen, dass sein Anliegen keine Chance hatte © David-Wolfgang Ebener / dpa (Symbolbild)

Wegen chronischer Benommenheit nach massiver Antibiotika-Gabe zieht ein Patient aus dem Kreis Ebersberg vor Gericht. Er will Wiedergutmachung.

Landkreis – Auf den Ruhestand des Mannes hatte sich ein Ehepaar aus dem südlichen Landkreis Ebersberg so richtig gefreut. Strand und Meer in Italien sollte es werden. Doch dann kam alles anders.

Der heute 68-Jährige erlitt eine lebensgefährliche infektiöse Herzklappen-Entzündung. Er bekam ein Antibiotikum, musste dennoch operiert werden. Weil das Risiko nach dem Herzklappen-Wechsel noch größer war, musste er weiter das Antibiotikum nehmen. Nach zwei Wochen haute ihn der Schwindel fast um.

Schwindelanfälle und Benommenheit

Er sollte ihn nie mehr verlassen. Der Patient zog vor Gericht. Nach fünf Jahren wurde der Fall jetzt endlich vor dem Landgericht München I verhandelt. Seiner Meinung nach kamen der anhaltende Schwindel und die ständige Benommenheit durch die viel zu lange Gabe des Antibiotikums. „Ich mache im Fitnessstudio regelmäßig meine Übungen“, sagte der Kläger. Nur deshalb könne er jetzt wieder einigermaßen ordentlich gehen.

Er leide allerdings unter einer intensiven Benommenheit, „als ob ich fünf Mass Bier intus habe“, zog er für das Gericht einen plastischen Vergleich. Schwindel und Benommenheit schränken noch immer seinen Lebensalltag erheblich ein. Der 68-Jährige kann nur im geschützten Raum – also ohne Autoverkehr – Radl fahren. In der Dunkelheit und bei Dämmerung muss er immer in Begleitung gehen.

Seiner Meinung nach und der seines Neurologen zufolge hatte die intensive Verabreichung des Antibiotikums zu den Folgeschäden geführt. Von den behandelnden Kliniken verlangte der Ebersberger eine finanzielle Entschädigung im fünfstelligen Bereich. Über den genauen Betrag wurde nicht gesprochen. Der Streitwert der Klage lag allerdings bei 41 000 Euro.

Abwägungssache Antibiotika-Gabe

Die behandelnden Ärzte in der Klinik der Operation wie in der Rehaklinik konnten sich kaum oder gar nicht an den Fall erinnern. Ein Herzchirurg aus der OP-Klinik vertrat die Meinung, dass es sicher besser gewesen wäre, die Ursache des Schwindels abzuklären. Generell hätte er aber schon unter Abwägung der tödlichen Gefahr mit möglichen Folgeproblemen geraten, das Medikament weiterzugeben.

Ein Gutachter bestätigte diese Abwägung und verglich die Weitergabe des Medikaments mit einer Krebsbehandlung, auf die wegen drohenden Haarausfalls auch nicht verzichtet werde. Das Problem bei einer Herzklappen-Entzündung sei der Keim, den man nicht so leicht identifizieren oder lokalisieren könne.

Gutachter zweifelt

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Deshalb werde das bekannt wirksame Antibiotikum gegeben. Und: „Schwindel kann hundert Ursachen haben.“ Er könne beispielsweise auch aufgrund der Herz-Problematik auftreten.

Der Experte hielt es deshalb für vertretbar, dass das Antibiotikum weiter gegeben wurde – auch wenn bereits Fälle von Taubheit bekannt sind. Bei den ärztlichen Kollegen konnte er keinen Fehler erkennen. „Ich kann Ihnen mit der Klage wenig Hoffnung machen“, wandte sich der Richter an den 68-Jährigen. Der nahm nach Rücksprache mit seiner Anwältin die Klage zurück. „Schrecklich“, entfuhr es seiner Frau im Zuschauerbereich. „Ich könnte stundenlang weiterfluchen.“

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