Silvester, AKW-Aus, Haushalt: Diese Tage veränderten Deutschland im Jahr 2023
Auch 2023 war politisch gesehen viel los in Deutschland. Wir blicken auf elf Tage, die das Land in diesem Jahr beschäftigten.
1. Januar: Silvesterkrawalle lösen Integrationsdebatte aus
In der Silvesternacht kommt es zu Ausschreitungen in mehreren deutschen Städten. Vor allem in Berlin eskaliert es, Polizisten und andere Einsatzkräfte werden attackiert. Die ersten Tage und Wochen des neuen Jahres sind von einer Integrationsdebatte geprägt. Die Berliner CDU fragt nach den Vornamen der Täter, Parteichef Friedrich Merz spricht im ZDF von „kleinen Paschas“. Auch für Silvester 2023 werden Ausschreitungen befürchtet.
12. Februar: CDU siegt über SPD in Berliner Wiederholungswahl
Die Berliner Senats-Wahl 2021 ist von enormem Chaos geprägt. Wahlzettel werden vertauscht, Wahllokale bleiben weit über 18 Uhr hinaus geöffnet. Die Wahl muss deshalb wiederholt werden. Beim erneuten Urnengang setzt sich die CDU durch. Statt Franziska Giffey (SPD) ist seitdem Kai Wegner Regierender Bürgermeister. Giffey bleibt das Amt der Wirtschaftssenatorin, denn Wegner setzt auf eine Große Koalition mit der SPD. Rot-Rot-Grün ist damit in der Hauptstadt abgelöst.
12. März: Zwei Mädchen töten zwölfjährige Luise
In Freudenberg im nordrhein-westfälischen Siegerland stirbt die zwölfjährige Luise. Zwei Mädchen im Alter von zwölf und 13 Jahren hatten sie erstochen. In Deutschland entsteht daraufhin eine Debatte über das Strafrecht, da Kinder unter 14 Jahren laut aktuellem Recht nicht bestraft werden. Ein halbes Jahr nach der Tat werden die Ermittlungen wegen Strafunmündigkeit der Mädchen eingestellt.

26. März: Volksentscheid „Berlin 2030 klimaneutral“ scheitert
In Berlin dürfen rund 2,4 Millionen Menschen abstimmen, ob die Hauptstadt bis 2030 klimaneutral werden soll. Zwar gibt es mehr Ja- als Nein-Stimmen, insgesamt scheitert der Vorschlag aber an der nötigen Zustimmung von 25 Prozent aller Wahlberechtigen. So stimmen rund 442.000 Menschen für Klimaneutralität (423.000 dagegen). Für eine Annahme des Volksentscheids hätte es 608.000 Jastimmen gebraucht.
Meine news
15. April: Letzte drei Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet
2011 beschließt Deutschland unter Kanzlerin Angela Merkel den stufenweisen Ausstieg aus der Atomkraft. Die Entscheidung erfolgt im Lichte der Nuklearkatastrophe von Fukushima. Am 31. Dezember 2022 sollen die drei letzten Meiler abgeschaltet werden. Der Bundestag verschiebt das Abschaltdatum schließlich auf 15. April 2023, um die Energieversorgung auch während des Ukraine-Kriegs zu sichern. Die Union und Teile der FDP fordern den Betrieb über dieses Datum hinaus, doch letztlich setzt sich Kanzler Olaf Scholz mit Gebrauch der Richtlinienkompetenz durch und besiegelt das AKW-Aus. Mitte April gehen die drei letzten Atomkraftwerke Deutschlands – Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland – vom Netz.
1. Mai: Deutschlandticket startet
Der Nachfolger des Neun-Euro-Tickets steht. Seit 1. Mai kann man für 49 Euro im Monat den öffentlichen Nahverkehr in Deutschland nutzen. Mit dabei sind (fast) alle Busse, Trams, S- und U-Bahnen sowie die Züge im Regionalverkehr. Das unter dem Namen „Deutschlandticket“ eingeführte ÖPNV-Abo soll es auch im Jahr 2024 geben. Langfristig könnte es allerdings teurer werden.
17. Mai: Habeck-Sekretär Graichen muss gehen
Im Frühjahr sorgt das Gebäudeenergiegesetz von Wirtschaftsminister Robert Habeck für große Schlagzeilen. CDU und selbst Habecks Koalitionspartner aus der FDP wettern gegen den „Heizhammer“. Architekt des Gesetzes ist Habecks Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen. Er gerät in die Kritik wegen seiner Beteiligung an der Auswahl seines Trauzeugen für den Chefposten der bundeseigenen Deutschen Energie-Agentur (Dena) und muss nach Vetternwirtschaftsvorwürfen seinen Posten räumen. Das Heizgesetz schafft es in abgespeckter Form in den Bundestag und tritt ab Januar in Kraft.
25. Juni: Erster AfD-Politiker zum Landrat in einem deutschen Landkreis gewählt
Im thüringischen Sonneberg gewinnt erstmals ein AfD-Politiker eine Landratswahl in Deutschland. Robert Sesselmann setzt sich gegen einen CDU-Gegenkandidaten durch, den auch SPD, Grüne, FDP und Linke unterstützen. Der Verfassungsschutz stuft die AfD in Thüringen um ihren Landesvorstand Björn Höcke als „gesichert rechtsextremistisch“ ein. Die Partei ist in dem Bundesland laut Umfragen klar stärkste Kraft. 2024 wird in Thüringen ein neuer Landtag gewählt.
26. August: Flugblatt-Affäre um Hubert Aiwanger
Wenige Wochen vor der Landtagswahl in Bayern veröffentlicht die Süddeutsche Zeitung ein antisemitisches Flugblatt aus den 1970er Jahren. Es soll zu Schulzeiten in der Schultasche von Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger gefunden worden sein. Der bestreitet die Vorwürfe erst und erklärt dann, sein Bruder habe die Hetzschrift verfasst. Am 31. August entschuldigt er sich und wittert eine politische Kampagne. Der Endspurt des Bayern-Wahlkampfs ist von der „Flugblatt-Affäre“ gezeichnet, die Opposition fordert Aiwangers Entlassung, Ministerpräsident Markus Söder spricht sich dagegen aus. Aiwangers Popularität schadet die Affäre nicht. Bei der Bayern-Wahl am 8. Oktober werden die Freien Wähler mit 15,8 Prozent zweitstärkste Kraft, Aiwanger gewinnt seinen niederbayerischen Wahlkreis mit 37,2 Prozent und bleibt Wirtschaftsminister sowie stellvertretender Ministerpräsident.

23. Oktober: Sahra Wagenknecht gründet eigene Partei und besiegelt Fraktionsaus der Linken
Die Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht beginnt mit der Gründung ihrer eigenen Partei und ruft den Verein „Bündnis Sahra Wagenknecht – Für Vernunft und Gerechtigkeit“ (BSW) ins Leben. Die ehemalige Fraktionschefin der Linken spaltet sich von ihrer früheren Partei ab und nimmt neun weitere Genossinnen und Genossen mit. Die Linke verliert dadurch den Fraktionsstatus im Bundestag. Schon 2024 will Wagenknecht mit dem BSW bei Wahlen antreten, in Umfragen liegt sie klar vor der Linken.
15. November: Bundesverfassungsgericht erklärt Haushaltstricks der Ampel für verfassungswidrig
Das höchste deutsche Gericht kippt den Haushaltstrick der Bundesregierung. Damit fehlen der Bundesregierung mehrere Milliarden Euro in ihrem Budgetplan. In der Folge tobt ein wochenlanger Koalitionsstreit um die Finanzierung des Bundeshaushalts sowie die Grundsatzfrage nach der Einhaltung der Schuldenbremse. Mitte Dezember einigen sich die Ampel-Spitzen schließlich auf den Haushalt 2024.