Haltungsschäden riskieren - So beeinflusst eine Beinlängendifferenz Ihre Gesundheit
Was ist eine Beinlängendifferenz?
Eine Beinlängendifferenz bezeichnet einen Längenunterschied zwischen den beiden Beinen einer Person. Diese Differenz kann entweder anatomisch, das heißt durch unterschiedliche Längen der Knochen, oder funktionell sein, was durch Muskel- und Gelenkprobleme verursacht wird.
Ein häufiger Begleiter der Beinlängendifferenz ist der Beckenschiefstand. Fast zwei Drittel aller Erwachsenen haben einen leichten oder schwereren Beckenschiefstand. Hierbei steht ein Hüftknochen höher als der andere, was zu einer asymmetrischen Belastung des Körpers führt. Allerdings sind nur Differenzen von mehr als zwei Zentimetern häufig symptomatisch und behandlungsbedürftig, da sie Schmerzen und Beschwerden verursachen kann.
Ursachen einer Beinlängendifferenz
Angeborene Beinlängendifferenzen entstehen in der Regel durch Entwicklungsanomalien während der Schwangerschaft. Dazu gehören:
- Hypoplasien und Dysplasien: Fehlentwicklungen der Knochenstrukturen, wie z.B. Hüftdysplasie.
- Fehlstellungen: wie Coxa vara (Hüftfehlstellung) oder Klumpfuß.
- Riesenwuchs: wie beim Klippel-Trénaunay-Weber-Syndrom, bei dem es zu ungleichmäßigem Wachstum der Gliedmaßen kommen kann.
Erworbene Beinlängendifferenzen können durch verschiedene Faktoren im Laufe des Lebens entstehen, wie z.B.:
- Traumata: Frakturen oder Verletzungen der Wachstumsfugen.
- Infektionen: Osteomyelitis oder septische Koxitis.
- Neurologische Erkrankungen: wie Poliomyelitis oder infantile Zerebralparese.
- Tumoren: wie faserige Dysplasie oder Hämangiome.
Symptome einer Beinlängendifferenz
Selten bleibt eine Beinlängendifferenz symptomlos, vor allem wenn der Längenunterschied größer ist. Häufige Symptome sind:
- Rückenschmerzen: Besonders im unteren Rückenbereich, da der Körper versucht, das Ungleichgewicht auszugleichen.
- Hüft- und Knieschmerzen: Durch ungleichmäßige Belastung.
- Haltungsprobleme: wie Beckenschiefstand, der zu weiteren Problemen wie Skoliose (seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule) führen kann.
- Gangveränderungen: wie Hinken oder eine bevorzugte Zehenspitzengangart beim kürzeren Bein.
Diagnose einer Beinlängendifferenz
Die Diagnose einer Beinlängendifferenz beginnt oft mit einer ausführlichen Anamnese und einer körperlichen Untersuchung. Der Arzt wird die Beinlänge messen und nach sichtbaren Ungleichgewichten im Becken und Rücken suchen. Weitere diagnostische Methoden sind:
- Röntgenaufnahmen: zur genauen Bestimmung der Beinlänge und zur Identifikation der betroffenen Knochenbereiche.
- Ganganalyse: um den Einfluss auf den Gang und die Körperhaltung zu beurteilen.
- 3D-Wirbelsäulenmessung: zur detaillierten Untersuchung der Wirbelsäule und ihrer Ausrichtung.
Beinlängenmessung
Zur Beinlängenmessung kann der Arzt verschiedene Techniken anwenden. Üblich ist die direkte Messung von der Spina iliaca anterior superior (vorderer oberer Darmbeinstachel) bis zum Innenknöchel (malleolus medialis) oder Außenknöchel (malleolus lateralis). Alternativ kann eine Ganzbeinaufnahme mit Röntgen oder CT durchgeführt werden.
Therapie der Beinlängendifferenz
Die Behandlung hängt von der Schwere der Differenz und den auftretenden Symptomen ab. Hauptsächlich unterscheidet man zwischen konservativen und operativen Therapiemethoden.
- Schuherhöhungen und Einlagen: Diese sind oft die erste Wahl und können bereits kleine Differenzen ausgleichen und Beschwerden lindern.
- Krankengymnastik: Übungen zur Kräftigung und Dehnung der Muskulatur können helfen, muskuläre Dysbalancen auszugleichen und die Körperhaltung zu verbessern.
- Medikamentöse Therapie: Zur Schmerzbehandlung und Entzündungshemmung.
Bei größeren Differenzen oder wenn konservative Methoden nicht ausreichen, kann eine Operation notwendig sein. Mögliche Verfahren sind:
- Epiphysiodese: Wachstumshemmung des längeren Beines bei Kindern durch Anbringung von Platten an der Wachstumsfuge.
- Knochenspanner (externer Fixateur): Für längere Strecken wird der Knochen von außen mittels Schrauben und Bohrdrähten gedehnt.
- Marknagel: Ein teleskopartiger Nagel wird ins Knochenmark eingesetzt und ermöglicht eine schrittweise Verlängerung des Knochens.
Übungen zur Vorbeugung und Behandlung
Gezielte Übungen können helfen, muskulären Ungleichgewichten vorzubeugen und bestehende Beschwerden zu lindern. Hier einige Beispiele:
- Dehnübungen: für die Waden- und Oberschenkelmuskulatur.
- Kräftigungsübungen: für die Rumpfmuskulatur und den Hüftbeuger.
- Gleichgewichtsübungen: zur Verbesserung der Körperstabilität.
Verlauf und Nachsorge
Der Verlauf einer Beinlängendifferenz hängt stark von der Ursache und der Schwere ab. Bei frühzeitiger Diagnose und angemessener Behandlung einer größeren Beinlängendifferenz stehen die Chancen gut, die Beschwerden zu lindern und Folgeprobleme zu vermeiden. Die Nachsorge umfasst regelmäßige Kontrollen zur Überwachung des Behandlungserfolges. Es ist wichtig, dass Patienten ihre orthopädischen Hilfsmittel konsequent nutzen und an den empfohlenen physiotherapeutischen Maßnahmen teilnehmen.
Fazit
Durch eine frühzeitige Diagnose und gezielte Behandlung lassen sich die meisten Beschwerden einer Beinlängendifferenz effektiv lindern und Komplikationen vermeiden. Physiotherapie und regelmäßige Nachsorge spielen eine entscheidende Rolle, um die Mobilität und Lebensqualität der Betroffenen zu erhalten und zu verbessern.
Über Volker Sutor
Volker Sutor ist seit über 25 Jahren als Physio- und Sporttherapeut (Msc.) tätig. Er ist Inhaber einer Gruppe von Therapiezentren im süddeutschen Raum (Gesundheitsrondell GmbH) und Mitbegründer des Fortbildungsunternehmens Digotor für orthopädische Medizin. Als Fachbuchautor hat er in verschiedenen Verlagen Bücher für Fach- und Laienpublikum veröffentlicht. Im Sport engagiert er sich im Profi-, Leistungs- und Freizeitbereich und ist als leitender Physiotherapeut für den Deutschen Schwimmverband tätig.
Wichtiger Hinweis: Die hier bereitgestellten Informationen dienen nur zu allgemeinen Informationszwecken und ersetzen nicht die professionelle Beratung und Behandlung durch einen Arzt. Bei Verdacht auf ernsthafte gesundheitliche Probleme oder bei anhaltenden Beschwerden sollten Sie immer einen Arzt aufsuchen.