Reichsbürger voll schuldfähig - Immer mehr Ordnungsgeld wegen Schimpftiraden

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Wegen seiner Tiraden muss der Angeklagte Ordnungsgeld bezahlen. © Monika Skolimowska

Seit vergangener Woche muss sich ein Olchinger, der die Bundesrepublik nicht als Staat anerkennt, vor dem Münchner Landgericht verantworten.

Olching - Am dritten Verhandlungstag hat er seine Schimpftiraden gegen staatliche Akteure fortgesetzt und dabei die Richter nicht ausgenommen. Verrückt ist der 59-Jährige, der auf der Anklagebank Jesusbilder küsst, indes nicht - jedenfalls nicht im medizinischen Sinne.

Die Kanäle

Laut Anklage hat der Ingenieur zwischen Mitte August und Ende Oktober 2021 zwei Telegram-Kanäle betrieben. Nachdem der erste mit 52000 Followern gesperrt worden war, hat er einen Folgekanal eröffnet, auf dem ihm innerhalb kurzer Zeit 32 000 Nutzer gefolgt sind. Hatte er von staatlichen Zwangsmaßnahmen im Zusammenhang mit Kindern erfahren, hat er bei der zuständigen Stelle angerufen und den Mitarbeitern Amtsanmaßung vorgeworfen.

Drohungen

Vor allem aber hat er die Mitarbeiter wüst beschimpft und seine Follower auf Telegram aufgefordert, dasselbe zu tun. So wie in einem Fall aus Königstein im Taunus: Nach einem Verfahren am Amtsgericht hatte das Jugendamt ein dreijähriges Kind in Obhut genommen. Wenn der Junge nicht wieder an seine Mutter zurückgegeben werde, würden die Verantwortlichen “gerichtet” und “standesrechtlich erschossen”, hätten der Olchinger und Anrufer aus dem gesamten Bundesgebiet gedroht, berichtete eine hessische Kriminalbeamtin am Freitag.

Der Angeklagte hat die Aktion vor Gericht verteidigt: Aus einem “Kindesraub” eine “Inobhutnahme” zu machen, sei eine “teuflische Verdrehung”, schimpfte er. Gleich zu Beginn der Verhandlung hat er den Vorsitzenden Richter als “Kind Satans” bezeichnet und ihm gedroht: “ Sie werden in Kürze Ihr Leben beenden!”

Die Strafkammer hat darauf mit einem Ordnungsgeld reagiert. Dieses hat den 59-Jährigen, der nach eigenen Angaben früher ein eigenes Unternehmen im Automobilbereich geführt hat, ebenso wenig beeindruckt wie der Hinweis des Vorsitzenden, dass sich die bisher verhängten Ordnungsgelder auf 30000 Euro summieren.

Fans geben Sicherheit

Angeklagt ist der Olchinger wegen vielfacher Beleidigung, Bedrohung und Volksverhetzung, vor allem aber wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. An jedem der bisherigen Verhandlungstage waren etwa ein Dutzend Sympathisanten im Gerichtssaal.

Wenn die Zuhörer seine Reichsbürger-Thesen bestätigen, gibt ihm das offensichtlich Sicherheit: Seine Hände zittern deutlich weniger als noch zu Wochenbeginn. Offenbar sind der Angeklagte und die Zuhörer aber auch religiös miteinander verbunden: Am Dienstag etwa hat er ein Vaterunser mit ihnen gebetet. Den Richtern wirft er vor, sich “gegen Gott gewandt” zu haben, und den Zeugen, “die Chance umzukehren”, nicht wahrgenommen zu haben.

Schuldfähig?

Die Generalstaatsanwaltschaft ist zunächst von verminderter Schuldfähigkeit des Olchingers ausgegangen und hat beantragt, ihn dauerhaft in der Psychiatrie unterzubringen. Ein neues Gutachten bescheinigt dem 59-Jährigen jedoch volle Schuldfähigkeit.

Schaden dürfte ihm dies nicht: Zwar muss er bei einer Verurteilung mit einer höheren Strafe rechnen. Eine unbefristete Einweisung in die Psychiatrie bleibt ihm jedoch erspart. Das Urteil in dem Prozess ist für Mitte Juli geplant.

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