„Bares Geld“ für Arztpraxen: Patientenbeauftragter warnt vor „etlichen gefährlichen IGeL-Leistungen“

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IGeL-Leistungen bezahlen die Krankenkasse nicht. Sie sind aber nicht nur teuer – sondern oft auch unnötig oder sogar gefährlich.

Mit den sogenannten IGeL-Leistungen wird deutlich mehr Geld verdient als gedacht. Laut dem Medizinischen Dienst des Bundes setzen Arztpraxen in Deutschland mindestens 2,4 Milliarden Euro pro Jahr mit individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) um. Die Zahl basiert auf einer repräsentativen Befragung unter gesetzlichen Versicherten. Bisher war man von einem Umsatz von einer bis eineinhalb Milliarden Euro ausgegangen. „Damit wird bares Geld verdient“, sagt der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Stefan Schwartze. Der SPD-Politiker sieht einige IGeL-Leistungen kritisch, wie er im Interview mit unserer Redaktion erklärt.

Was sind IGeL-Leistungen?

IGeL-Leistungen sind „individuelle Gesundheitsleistungen“, die nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehören und daher von Patienten selbst bezahlt werden müssen. Sie umfassen Untersuchungen und Behandlungen, die über das medizinisch notwendige Maß hinausgehen, wie etwa bestimmte Vorsorgeuntersuchungen oder kosmetische Eingriffe (Schönheits-OPs, Tattooentfernung, etc.)

IGeL-Leistungen beim Arzt: „Etliche sind nicht nur nicht sinnvoll, sondern gefährlich“

Schwartze, seit 2022 im Amt, will dieses Jahr das Patientenrechtegesetz anpassen. „Änderungsbedarf sehe ich bei den IGeL-Leistungen, von denen ein Großteil nicht sinnvoll ist“, erklärte der SPD-Politiker. Mehr noch: „Etliche sind nicht nur nicht sinnvoll, sondern gefährlich.“

Ein Beispiel sei eine bestimmte Vorsorgeuntersuchung beim Gynäkologen. „Ultraschalluntersuchungen können zu Eierstockkrebs führen. Statistisch ist es gefährlicher, sich untersuchen zu lassen, als dies nicht vorzunehmen“, so Schwartze. „Keine Fachgesellschaft empfiehlt deshalb die Ultraschalluntersuchungen zur Früherkennung von Eierstockkrebs.“

Tatsächlich heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme des Berufsverbands der Frauenärzte e.V. sowie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V, dass IGeL-Leistungen „häufig falsch positive Befunde liefern und dadurch unnötige weitere Untersuchungen und Eingriffe nach sich ziehen“. Das gelte „zum Beispiel für die Ultraschalluntersuchung zur Krebsfrüherkennung der Eierstöcke und der Gebärmutter – eine der am meisten verkauften Leistungen“. Die Ultraschalluntersuchung ist de facto sogar die am häufigsten verkaufte IGeL-Leistung (siehe Tabelle).

IGeL-Vorsorge: „Hier werden junge Frauen ohne Not in Angst und Schrecken versetzt“

Dabei sei die Untersuchung medizinisch nicht sinnvoll: „Hier werden junge Frauen ohne Not in Angst und Schrecken versetzt. Diese Untersuchung wird deshalb auch von den gynäkologischen Fachgesellschaften abgelehnt.“ Laut dem Patientenbeauftragten Schwartze braucht es daher Einschränkungen. „Es kann nicht sein, dass man bei manchen Arztpraxen eine solche IGeL-Dienstleistung bei der Terminvergabe direkt dazubuchen muss, weil man sonst gar keinen Termin bekommt.“

Der Medizinische Dienst Bund spricht insgesamt von mehreren teils „fragwürdigen Leistungen“ und erklärt in einer Stellungnahme: „Versicherte geben aus Unwissenheit viel Geld für Leistungen aus, die wenig nützen und teilweise auch schaden können.“ Im sogenannten IGeL-Monitor schnitten zuletzt 30 von 56 individuellen Gesundheitsleistungen mit „negativ“ oder „tendenziell negativ“ ab. Bei 23 weiteren Leistungen sei das Ergebnis unklar.

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