Des Kanzlers letzter Kampf: Mit dem Taurus gegen Pistorius

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Immer größere Teile der SPD revoltieren gegen Olaf Scholz. Es geht um die Ukraine, den Friedenskurs – und um viele Abgeordneten-Existenzen. Ein Kommentar von Georg Anastasiadis.

München – Seiner Zähigkeit und Nervenstärke verdankt der Kanzler sein Überleben in vielen Schlachten. Er hat Angela Merkel ausgesessen, den Warburg-Skandal weggedrückt und den rebellierenden FDP-Chef Christian Lindner filmreif niedergerungen. Doch die Attacke aus NRW ist von anderem Kaliber: Wer als Genosse das Vertrauen des roten Herzlandes verliert, ist nach allen bisher gültigen politischen Maßstäben verloren. Das sofort anberaumte Krisentreffen der SPD-Spitze zeigt, wie sehr bei den Genossen die Hütte brennt.

Olaf Scholz bleibt trotz Ampel-Bruch dabei: Er will wieder SPD-Kanzler werden

Olaf Scholz wäre nicht Olaf Scholz, wenn er sich nicht trotz des epischen Versagens seiner Ampelkoalition immer noch für den Besten hielte. Zuletzt blieben ihm noch zwei mächtige Waffen: erstens die (eigennützige) Unterstützung des Partei-Establishments, vor allem von Parteichef Lars Klingbeil, der nach der absehbaren Scholz-Wahlniederlage selbst gern Vize-Kanzler anstelle von Boris Pistorius in einer Großen Koalition unter Friedrich Merz würde.

Und zweitens der Taurus. Sein kategorisches Nein zur Lieferung der Raketen an die Ukraine soll Deutschland aus dem Krieg heraushalten, behauptet Scholz. In Wahrheit will der Appeasement-Kanzler damit aber den deutschen Pazifismus bedienen und verhindern, dass ihn die SPD gegen den populäreren Verteidigungsminister und Reserve-Kanzlerkandidaten Boris Pistorius austauscht.

Olaf Scholz verliert in der SPD immer mehr an Rückhalt. © Kay Nietfeld/dpa (Montage)

Pazifismus oder Kriegstüchtigkeit: SPD muss sich zwischen Scholz und Pistorius entscheiden

Die SPD um die Russland-Romantiker Mützenich und Miersch, die trotz der vielbeschworenen „Zeitenwende“ emotional und intellektuell nie in der Gegenwart angekommen ist (und in Brandenburg mit dem BSW zurück in die Vergangenheit marschiert), stürzt das in ein Dilemma. Mit Scholz verliert sie die Wahl und die Hälfte ihrer Bundestagsmandate. Mit dem Realisten Pistorius, der Russland abschrecken und Deutschland „kriegstüchtig“ machen will, aber muss die „Friedenspartei“ ihre pazifistischen Überzeugungen begraben.

Die beruhten leider auf Illusionen und haben nur Putin genutzt. Rote Linien hat der Kanzler nie dem Aggressor im Kreml gezogen, sondern nur der sich mit dem Mut der Verzweiflung verteidigenden Ukraine. Die Schwäche, die Olaf Scholz mit seiner Zögerlichkeit ausstrahlte, hat das nach Hegemonie über Europa strebende Russland ermutigt, den Krieg hemmungslos immer weiter zu eskalieren – zur Freude von Sahra Wagenknecht und der AfD, die als Putins Propagandisten eifrig die „German Angst“ bewirtschaften.

Nimmt Olaf Scholz die Verantwortung, von der er immer spricht, ernst, meint er es gut mit dem Land und seiner Partei, dann muss er es wie Joe Biden machen und zur Seite treten. Das gäbe, auch wenn der Kampf um die Verteidigung des Kanzleramts verloren scheint, der SPD zumindest die Chance, mit Pistorius wieder zu der patriotischen Volkspartei zu werden, die sie früher mal war. Putins schmutziges Geschäft darf sie gern den Möchtegern-Patrioten von AfD und BSW überlassen.

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