Im pfälzischen Deidesheim, auch als „Toskana Deutschlands“ bezeichnet, sollen künftig mehrere Windkraftanlagen entstehen. Laut der Bürgerenergiegenossenschaft bINe betreffen die geplanten Anlagen auch weitere Regionen entlang der Deutschen Weinstraße:
- Verbandsgemeinde Deidesheim, Meckenheim und Ruppertsberg: ca. 13 projektierte Windenergieanlagen
- Süd-Osten von Meckenheim: max. 4 Windkraftanlagen
- Haßloch (Nord-Westen, Haßloch III): 5 Windkraftanlagen
- Haßloch (Nord-Osten): 2 bestehende Windkraftanlagen
Die Windkraftanlagen sollen laut bINe nicht nur den CO2-Ausstoß senken, sondern könnten den Bürgern der Umgebung auch finanzielle Vorteile bieten. So könne man sich ab 100 Euro an lokalen Projekten beteiligen und von staatlichen Zuschüssen zu profitieren. Auch finanzielle Einnahmen für Gemeinden seien geplant.
Windräder in Deidesheim stoßen auf Widerstand
Anwohner äußern im Interview mit FOCUS online Earth massive Bedenken: „Das wars dann mit der einmaligen Kulturlandschaft der Weinstraße. Den Gemeinden wird ihre Identität genommen.“ Sie befürchten, dass die bis zu 240 Meter hohen Türme, das „Lebensgefühl und die Lebensqualität“ beeinträchtigen. Die Anlagen seien teils im Minimalabstand zu den Gemeinden geplant. „Den Schallwellen werden wir nicht entfliehen“, so ein empörter Bürger.
Zudem fürchten die Anwohner sinkende Grundstückswerte und Einbußen im Tourismus sowie in der Gastronomie. Laut „n-tv.de“ befinden sich in Deidesheim neben Restaurants und Hotels „auf höchstem Niveau“ Weingüter, die jedes Jahr mehr als 100.000 Besucher anlocken.
„Unterschreiten der Mindest-Windgeschwindigkeit“
Zusätzliche Skepsis bei den Anwohnern erzeugen fragliche Windgutachten. Bestehende Anlagen der Region wurden wegen zu schwachem Wind in den Plänen ignoriert – doch nun soll in unmittelbarer Nähe ein ganzer Windpark entstehen.
Fakt ist: Im Teilregionalplan „Windenergie“ der Rhein-Neckar Region, konnten insgesamt 35 Windenergie-Bestandsanlagen „nicht in die Vorranggebiete für die regionalbedeutsame Windenergienutzung integriert werden“. Der Grund: Unterschreiten der Mindest-Windgeschwindigkeit. Darunter auch zwei Windenergieanlagen südlich von Dannstadt-Schauernheim – eine Verbandsgemeinde, die nur rund 3 Kilometer Luftlinie entfernt von Meckenheim liegt.
Experten gehen davon aus, dass ab ca. 5,5 bis 5,75 m/s durchschnittlicher Windgeschwindigkeit ein rentabler Betrieb von Windkraftanlagen möglich ist. Tatsächlich gilt die Region um Deidesheim als Schwachwindstandort. Generell kommen in Rheinland-Pfalz vorwiegend Mittel- und Schwachwindanlagen zum Einsatz – abgesehen von einzelnen Ausnahmen in der Eifel-Region.
Betroffene haben ihre Sorgen in mehreren Briefen an Politiker und Behörden kommuniziert, bisher ohne Erfolg – jedoch zeige man sich „freundlich abwartend“. Die Anwohner der Region wünschen sich jedoch mehr Unterstützung und dass ihre Belange Berücksichtigung finden.
Windenergie ist die stärkste erneuerbare Energiequelle des Landes. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz fordert, bis 2030 an Land 115 Gigawatt Windkraftleistung zu installieren. Wirtschaftlich schafft die Branche Tausende Arbeitsplätze, und eine Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft zeigt, dass Windstrom die Börsenpreise um bis zu 50 Prozent senken kann. Doch Windkraftanlagen stoßen in Deutschland auf wachsenden Widerstand, da sie Umwelt und Wirtschaft nicht nur zum Positiven beeinflussen.
Die Schattenseite der Windkraft: Warum Bürger protestieren
- Anwohner klagen über Umweltbelastungen, hohe Türme verändern Landschaften, bedrohen Vögel und Fledermäuse – und verursachen häufig Lärm oder Schattenwurf.
- Eine Studie des Leibniz Institus für Wirtschaftsforschung zeigte im Jahr 2018, dass Immobilienwerte in der Nähe von Windrädern um bis zu 23 Prozent sinken können – besonders bei alten Häusern in ländlichen Gebieten. Dazu fürchten idyllische Regionen Einbußen im Tourismus.
- Die Wirtschaftlichkeit in schwachwindigen Gebieten muss infrage gestellt werden.
- Planungsprozesse gelten oft als intransparent, und Gutachten werden häufig als zu optimistisch oder gar „gefällig“ wahrgenommen.
Bundesweit gibt es laut einer Karte der Informationsplattform „Windwahn“ rund 1.100 Bürgerinitiativen. Eine Studie der „Europäischen Energiewende Community“ aus dem Jahr 2020/2021 analysierte die Daten und kam zu dem Ergebnis, dass davon nur etwa 290 wirklich aktiv sind. Doch die Intensität der Proteste ist hoch: Masseneinsprüche und Demonstrationen verzögern oder stoppen Projekte. In Bönningstedt in der Nähe von Hamburg stoppten kürzlich 180 Bürger einen Mega-Windpark.
Transparente Planung, Biodiversität berücksichtigen
Um den Konflikt zwischen Klimazielen und Lebensqualität zu entschärfen, gibt es mehrere Ansätze. „Glaubwürdigkeit sowie eine frühzeitige und umfassende Informationsbereitstellung sind unerlässlich, um Vertrauen aufzubauen“, schreibt etwa die „Fachagentur Wind und Solar“. Es gehe nicht um reine Information, sondern um Kooperation und die Einbeziehung der Bürger.
Der Landesbund für Vogel- und Naturschutz hält es für entscheidend, auch die Biodiversität im Auge zu behalten. Der Ausbau der erneuerbaren Energien dürfe den dramatischen Schwund, vor allem in der offenen Kulturlandschaft, nicht verstärken.