Politischer Ringkampf vor über 500 Zuschauern: Hallbergmooser Bürgermeister-Kandidaten stehen Rede und Antwort
Wer zieht am 20. Oktober ins Hallbergmooser Rathaus ein: Benjamin Henn (37, Freie Wähler), Tanja Knieler (44, CSU) oder Stefan Kronner (52, unabhängig)? In der Hallberghalle, wo sonst die Siegfried-Ringer ihre Kämpfe austragen, traf sich das Trio zur Podiumsdiskussion.
Hallbergmoos – Neben Landrat Helmut Petz saß auch der Mann in der ersten Reihe, der nach den Worten von FT-Redaktionsleiter und Moderator Manuel Eser „uns den heutigen Abend überhaupt beschert hat“: Bürgermeister Josef Niedermair (66). Er räumt aus gesundheitlichen Gründen zum Jahresende seinen Stuhl. „Eine mutige und respektable Leistung“, sagte Eser. Niedermairs potenziellen Nachfolger schlugen sich vor mehr als 500 Zuschauern in der Hallberghalle wacker und hatten Antworten zu allen Fragen.
Unterschiedliche Haltungen wurden gleich bei der ersten Frage nach dem Badeweiher deutlich, die sich schon seit Jahrzehnten stellt: „Ein Schlag ins Wasser – oder ziehen sie ihn ins Trockene?“ wandte sich Eser an die Kandidaten. Ohne Wenn und Aber sagte Kronner „Ja“ zu „Badehose, Badeanzug und Bikini“. Das Projekt, das schon vor Jahrzehnten von ihm mitangestoßen worden sei, will er unbedingt bis 2026 im Sportpark realisieren. „Sollte es da nicht zügig weitergehen, wäre ich sogar bereit, ein Bürgerbegehren zu initiieren.“ Henn, selbst Rettungsschwimmer, ist ganz auf Kronners Linie: „Wir müssen da eigentlich nicht diskutieren. Es gibt Beschlüsse, es wird angepackt und soll nächstes Jahr losgehen.“ Das „große Aber“ sieht Knieler allerdings in den vielen und kostspieligen Pflichtaufgaben der Kommune. Der Blick müsse sich immer auch auf die finanzielle Leistungsfähigkeit richten. „Wir müssen da genau überlegen, können wir das Projekt realisieren oder müssen wir anders agieren. Stichwort: Privat Public Partnership. Also gemeinsam mit einem Investor.“
Im April 2026 bekommt die Feuerwehr Goldach eine neue Wache. Was soll mit der alten passieren? Alle Kandidaten wollen das Gebäude dann örtlichen Vereinen zur Verfügung stellen. Knieler sieht im Haus der Gemeinschaft einen mutigen und gangbaren Weg. Ein Verkauf des „Tafelsilbers, ohne dass es der Gemeinde wirklich schlecht geht“, steht für Henn nicht zur Debatte. Kronner sieht die Vereinsnutzung nur als „Zwischenlösung“, langfristig plädiert er für ein Bürgerhaus am Rathausplatz.
Gegen einen Neubau sprach sich indes Henn mit Blick auf die Finanzlage aus: Schon jetzt gebe die Kommune zehn Millionen Euro für den Unterhalt von Gebäuden aus. Er sieht die Zukunft der Vereine, von Musikschule oder Vhs in den „alten“ Feuerwehrhäusern. Auch in Hallbergmoos soll bekanntlich eine neue Wache gebaut werden.

Ein leidiges Thema ist der barrierefreie Ausbau des Bahnhofs, den die Kommune aktuell mit einer Planungsvereinbarung mit der Deutschen Bahn und einem sechsstelligen Betrag forcieren will. Ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts ist das große Hemmnis: Es erachtete den Umweg für Menschen mit Handicaps über eine 630 Meter lange Rampe als zumutbar. Henn brachte hier einen neuen Ansatz ins Gespräch – Ruftaxis beispielsweise: „Für fünf bis zehn Millionen Euro Ausbaukosten können wir viele Fahrdienste einrichten.“
Bis die DB, so Kronner, über die drei vorgelegten Varianten entscheidet, werden noch einmal drei Monate vergehen. „Falls bis 2025 nichts passiert, müssen wir eine Interessengemeinschaft initiieren.“ Knieler setzt ihre Erwartungen in Gespräche mit dem Bauministerium, Staatsminister Florian Hermann und eine Busverbindung zum Airport.
Auch in Hallbergmoos, bislang der Krösus im Landkreis, sprudeln die Gewerbesteuereinnahmen nicht mehr so üppig – allerdings stehen Millionenprojekte wie der Grundschulbau auf dem Plan. Kämmerer Thomas Grüning erwartet statt 21 nur noch 16,2 Millionen Euro. Wie kann man die Trendwende schaffen, wo den Rotstift ansetzen? Der Munich Airport Business Park und aktive Akquise durch die Wirtschaftsförderung ist aus Sicht aller Kandidaten der Schlüssel.
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Henn setzt auf den Ausbau des Biotech-Clusters, Kronner sieht Licht am Ende des Tunnels durch das Wiedererstarken von Airport und Lufthansa. mit der „Welle“ als Leuchtturmprojekt, das die Attraktivität des Standorts steigere. Statt Rotstift setzt er lieber aufs Priorisieren, auch mal auf „Bronzelösungen statt Goldstandards“, auf „Geldsparen, ohne dass es Wehtut“. Eine Idee von ihm: Fünf kommunale Mitarbeiter in Gemeinderatssitzungen – das brauchte es nicht, es würden auch mal drei reichen.
Die schwäbische Hausfrau? Ein gutes Stichwort für Henn: Er will sparen, indem Bestandsgebäude genutzt werden statt Neubauten zu errichten. „Hallbergmoos ist immer besser durch die Talsohle gegangen als andere Kommunen“, meinte Knieler. „Geht es Hallbergmoos gut, geht es Freising gut, geht es Bayern gut“, griff die CSU-Kandidatin ein Zitat des amtierenden Bürgermeisters auf. Potenziale für mehr Effizienz, auch über KI zu nutzen, lautete ihr Ansatz.
Die Runde mit den schnellen Antworten
Grün oder Rot – Ja oder Nein. Spontanität war in der Schnellfrage-Runde gefordert. Soll es einen kostenlosen Ortsbus geben? Einen ÖPNV-Bus zum Airport? Einen Jugendbeirat? Nehmen Sie sich den Amtsinhaber zum Vorbild? Und können Sie ein Fass mit zwei bis drei Schlägen anzapfen? Auf die Fragen von Moderator Manuel Eser waren schnelle Antworten gefragt.
In den meisten Fällen hielten die Kandidaten ein grünes Schild in die Luft. Bei der Frage nach einer Sicherheitswacht sahen Kronner und Henn „Rot“. Knieler plädiert dafür, weil auch die Polizei Neufahrn dies empfiehlt und Frauen eine gewisse Sicherheit vermittelt. Kronner ist kategorisch dagegen. Unter dem Applaus des Publikums sagte er: „Das ist Aufgabe der Polizei, die sollte man nicht auf Ehrenamtliche abwälzen. Ich will keine Leute, die Polizisten spielen.“
„Ohne Gesundheit ist alles nichts“, so Knieler zu ihrem Anliegen, eine guten pflegerische und medizinischen Versorgung im Ort zu haben, allen voran, wieder einen Kinderarzt in den Ort zu holen. Dafür will die Journalistin gerne ihre beruflichen und politische Kontakte nutzen. Henn sieht darin eine Pflichtaufgabe der Kommune, hakte bei der Zeitschiene nach. Schwierig sei die Situation auch bei Fach- und Allgemeinärzten, so Kronner. Das Problem könne letztlich auch nur über den Bau von bezahlbarem Wohnraum gelöst werden, meinte der parteiunabhängige Kandidat.
Henns Herzensprojekt ist die Umgestaltung des Rathausplatzes: „Bäume, Bänke, Brunnen“ lautet sein Motto. „Das müsste doch möglich sein in Verbindung mit der Schaffung eines Spielplatzes für Kinder ab sieben Jahren.“ Und – so seine Vi㈠sion – die Goldach über den Platz fließen zu lassen.
Nach dem Badeweiher kommt für Kronner an Nummer 2 die Bürgerbeteiligung. Das heißt für ihn, nicht nur alle sechs Jahre ein Kreuzchen zu machen, sondern, beispielsweise über Themen-Bürgerfragerunden, Bürgerräte oder digitale Foren öfters mit der Bevölkerung in den Austausch zu treten. Beispiel Feuerwehrhaus Goldach: gemeinsam ein Konzept erarbeiten, über Kosten und Nutzung sprechen. „Ich will durch mehr Bürgerbeteiligung Demokratie stärken und Spaltung verhindern.“
Neben fachlicher und sozialer Kompetenz wird von Führungskräften auch erwartet, dass sie authentisch, glaubwürdig, verlässlich – und einfach echt sind. Manuel Eser unterzog die Kandidaten deshalb einem „Identitätscheck“.
An Stefan Kronner – seit 1996 als SPD’ler im Gemeinderat, bei zwei vorhergehenden Bürgermeisterwahlen unter der Flagge der SPD unterlegen und nun als unabhängiger Kandidat am Start – stellte der Moderator die Frage: „Ist es nicht so, dass Sie sich mehr Chancen auf den Wahlerfolg versprechen, wenn sie sich von der in der Bevölkerung eher unbeliebten SPD distanzieren?“ Kronner erwiderte, er kandidiere ausschließlich für die Menschen im Ort, nicht für eine Partei. Er habe nach dem Vorbild des Amtsinhabers seine Kandidatur überparteilich angelegt. Zum dritten Anlauf auf den Rathaussessel sagte er: „Es ist doch so, dass eine Fußballmannschaft bei einem 2:0 zur Halbzeit nicht heimfährt, sondern aus der Kabine geht und versucht, es in ein 3:2 umzuwandeln.“
Durchaus provokant war die Frage Esers an Benjamin Henn: „Vor drei Jahren, 2021, haben sie in ihrer Heimatregion Osterburken (Baden-Württemberg) für den Chefsessel im Rathaus kandidiert und waren dem Amtsinhaber unterlegen. Wollen Sie einfach nur Bürgermeister werden – egal wo?“ Der FW-Politiker verwies daraufhin auf die großen Veränderungen in seinem Leben –beruflich wie privat. Sein Lebensmittelpunkt sei inzwischen Hallbergmoos. „Jetzt ist hier der richtige Ort und die richtige Zeit. Ja, ich möchte die Verantwortung für den Ort übernehmen.“
Auf wie viele Amtszeiten sie sich denn einrichtet, wollte der Moderator von Knieler wissen, die im Wahlkampf von Prozessen sprach, die mehr als eine Periode in Anspruch nehmen würden. Knieler, als Referentin der CSU-Landtagsfraktion gut vertraut mit der Landespolitik, sieht in der Kommunalpolitik ihr politisches zu Hause. „Da muss auch ein Stück weit das Parteibuch zurücktreten.“ Natürlich trete sie auch bei der nächsten Wahl wieder an.
Gut zu wissen
Im Rahmen der Podiumsdiskus㈠sion hatten die Besucher auch die Möglichkeit, sich selbst zu Wort zu melden, und nutzten diese Gelegenheit ausgiebig. Viele kluge Fragen an die Kandidaten sorgten dafür, dass auf Missstände hingewiesen wurde, und sogar eine brandneue Information an die Öffentlichkeit kam (Bericht folgt)