Schwäbische Sinti und Roma früher und heute: Ausstellung in den Kemptener Räumen des Bezirks

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Das Ehepaar Ringo (ganz links) und Marcella (3. v. r.) Reinhardt sowie zahlreiche Familienangehörige waren zur Ausstellungseröffnung gekommen. Tochter Lisa Herzenberger (2. v. l.) gestaltete mit gefühlvollen, in Deutsch und Romanes vorgetragenen Liedern die musikalische Umrahmung. Auf einigen der Schautafeln sind alte Familienfotos zu sehen, wie hier im Hintergrund Ringo Reinhardts Großmutter Franziska. © Stodal

Eine Ausstellung in der Kemptener Außenstelle des Bezirks Schwaben widmet sich den Schwäbischen Sinti und Roma, ihrer Vergangenheit und ihrer Gegenwart.

Kempten – Sinti und Roma bilden mit mehr als zehn Millionen Menschen die größte anerkannte Minderheit in Europa. Schätzungen zufolge leben heute zwischen 80.000 und 120.000 von ihnen in Deutschland, rund 12.000 allein in Bayern. Ihre Geschichte nachzuvollziehen ist nicht einfach, denn die Quellenlage ist dürftig.

Eva Dieckmann, wissenschaftliche Volontärin der Bezirksheimatpflege Schwaben, hat sich dennoch auf Spurensuche begeben. Das Ergebnis zeichnet ein Bild von jahrhundertelanger Ausgrenzung und Verfolgung, vom Völkermord während der Nazizeit, aber auch von Selbstermächtigung und Stolz.

Die Geschichte einer Verfolgung

Auf 20 Schautafeln gewährt die Wanderausstellung Einblicke in die 600-jährige Geschichte der Sinti und Roma im Gebiet des heutigen Deutschlands. Sie zeigt auf, wie das einst friedliche Miteinander nach und nach umschlug und die Sinti und Roma durch diskriminierende Obrigkeiten und Diffamierungen zu Vogelfreien und Reichsfeinden gemacht und unbarmherzig verfolgt wurden.

Das dunkelste Kapitel bildet die systematische Ermordung von vermutlich 500.000 Sinti und Roma in den Vernichtungslagern des NS-Regimes. Angesichts des heutigen Zeitgeists sei die Erinnerung an die Opfer dieses (in Deutschland erst 1982 anerkannten) Völkermordes so wichtig wie nie zuvor, mahnte Barbara Holzmann, die die Wanderausstellung in Vertretung für Bezirkstagspräsident Martin Sailer eröffnete. „Diese Gräueltaten dürfen niemals in Vergessenheit geraten!“

Engagement für Gleichberechtigung

Dass die deutschen Sinti und Roma aus dem Schattendasein herausgetreten seien, sei dem unermüdlichen Einsatz der Überlebenden und deren Nachkommen zu verdanken. Zu ihnen gehört auch die in Kempten lebende Marcella Reinhardt. Sie macht sich als Vorsitzende des Regionalverbands Deutscher Sinti und Roma Schwaben e. V. gegen das Vergessen, gegen den bis heute bestehenden Antiziganismus und für die Rechte und die Gleichbehandlung von Sinti und Roma stark.

Sinti und Roma sein in Kempten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Marcella und ihr Ehemann Ringo unterstützten Eva Dieckmann bei der inhaltlichen Gestaltung der Ausstellung, in der sie auch Teile ihrer Familiengeschichte preisgeben. Etwa von den Großeltern, Onkeln und Tanten, die die Schrecken der Naziherrschaft erlitten, von Marcellas Kindheit unter menschenunwürdigen Bedingungen im Augsburger Fischerholz, von Ringos Kindheit und Jugend in Kempten, in der er während der Handelsreisen seiner Eltern alle paar Wochen die Schule wechseln musste, von dem heftig umstrittenen Wohnwagenstellplatz für durchreisende Sinti und Roma in Kempten-Rothkreuz in den 1980er Jahren, von Vorverurteilungen und Anfeindungen.

Ausstellung setzt Zeichen gegen Diskriminierung

Bis heute seien Sinti und Roma, die in der Regel dem christlichen Glauben angehören und meist ein Leben führen, das sich in nichts von dem ihrer Mitbürger unterscheidet, diskriminierenden Strukturen ausgesetzt, sei es auf dem Arbeitsmarkt oder bei der Wohnungssuche, wissen die beiden. Die Ausstellung trage dazu bei, ein Zeichen hiergegen zu setzen.

Sie und ihre Familie fühlen sich als Deutsche, als Kemptener, so das Ehepaar Reinhardt. Ihre Sinti-Wurzeln tragen sie mittlerweile mit Stolz. Ringo Reinhardt: „Meine Eltern haben uns Kindern immer gesagt, wir sollen stolz sein, Sinti zu sein – allein schon, weil es uns trotz aller Auslöschungsversuche immer noch gibt.“

Die Ausstellung findet in der Außenstelle des Bezirks Schwaben in Kempten (Beethovenstraße 9) statt und kann bis 30. November von Mo–Fr zwischen 7.30 Uhr und 12.30 Uhr kostenfrei besucht werden.

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