„Warten auf letztes Wort“: Israel und Hamas stehen kurz vor Einigung auf Waffenruhe im Gaza-Krieg

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Nach dem 7. Oktober 2023 war eine umfangreiche Waffenruhe in Gaza noch nie so nah. Ein Deal zwischen Israel und der Hamas steht jetzt kurz bevor.

Tel Aviv/Doha – Im Nahen Osten könnte es schon bald eine friedliche Einigung geben. Israel und die Terrormiliz Hamas haben sich Berichten zufolge grundsätzlich auf eine Waffenruhe im Gazastreifen geeinigt – nur letzte Detailfragen sollen noch offen sein. Bei den Vermittlungsgesprächen in Katars Hauptstadt Doha müssten noch Einzelheiten zum angestrebten Rückzug der israelischen Armee aus Gebieten im Gazastreifen geklärt werden, meldete die Times of Israel in der Nacht unter Berufung auf arabische Unterhändler.

Deal im Gazastreifen: Einigung noch vor Amtseinführung von Donald Trump erwartet

Die Hamas habe Israel aufgefordert, Karten und einen Zeitplan für den Rückzug vorzulegen, der von den internationalen Vermittlern während der Umsetzung überwacht werden solle, sagten der Hamas nahestehende Quellen. US-Außenminister Antony Blinken sagte in Washington, nun sei die Hamas am Zug. „In diesem Moment, während wir hier sitzen, warten wir auf das letzte Wort der Hamas über ihre Zustimmung“, sagte Blinken. Er gehe davon aus, dass eine Einigung erreicht werde – ob dies noch vor der Amtseinführung Donald Trumps als US-Präsident am kommenden Montag der Fall sein werde, ließ der Minister offen. 

Noch vor der Amtseinführung von Donald Trump könnte es eine Waffenruhe im Gazastreifen geben.
Ein Deal zwischen Israel und der Hamas steht kurz bevor- © dpa/Francisco Seco

Die von der Times of Israel zitierten arabischen Unterhändler spekulierten, dass eine Einigung in dem seit mehr als 15 Monaten andauernden Krieg heute oder am Donnerstag in Form einer gemeinsamen Erklärung der USA, Katars und Ägyptens bekanntgegeben werden könnte. Die drei Länder vermitteln zwischen Israel und der Hamas, da diese nicht direkt miteinander verhandeln.

Gaza-Waffenruhe: Demonstranten in Israel sind für ein Abkommen mit Hamas – und dagegen

In der israelischen Küstenmetropole Tel Aviv versammelten sich am Abend laut örtlichen Medien Tausende Menschen in der Hoffnung, dass die Islamisten dem Entwurf einer Vereinbarung zustimmen. Diese sieht unter anderem auch die Freilassung von Geiseln der Hamas im Austausch gegen palästinensische Häftlinge aus Israels Gefängnissen vor. In Jerusalem protestierten indes Hunderte gegen einen solchen Deal. „Ein freigelassener Terrorist ist der Mörder von morgen“, sagte einer der Teilnehmer.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu beriet sich laut der Times of Israel mit dem Verhandlungsteam sowie Mitgliedern des Sicherheitsapparats. Die Verhandlungen in Doha über letzte Details würden die ganze Nacht hindurch fortgesetzt, habe sein Büro mitgeteilt. Die Familien der Geiseln würden so bald wie möglich über den neusten Stand informiert. Eine Vereinbarung müsste vom Sicherheitskabinett und der gesamten Regierung gebilligt werden.

Waffenruhe im Gazastreifen: Sicherheitsminister will Stopp von Deal mit Hamas

Auch innerhalb der Regierung gibt es Widerstand gegen den Deal, vor allem von dem rechtsradikalen Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir. Er räumt jedoch ein, dass seiner Partei Otzma Yehudit innerhalb der Regierungskoalition eine Mehrheit fehlen würde, um den Deal zu stoppen. „Die Macht von Otzma Yehudit reicht in der derzeitigen Zusammensetzung der Regierung nicht aus, um Druck auszuüben, um das Abkommen zu verhindern, und unser Rückzug allein wird seine Umsetzung nicht verhindern“, schreibt Ben-Gvir auf X, und fordert den ebenfalls rechtsradikalen Finanzminister Bezalel Smotrich auf, mitzuziehen.

„Deshalb fordere ich meinen Freund, Finanzminister Bezalel Smotrich, auf, sich mir in voller Zusammenarbeit gegen den schrecklichen Deal anzuschließen, der geschmiedet wird, und dem Premierminister gemeinsam klar und entschieden mitzuteilen, dass wir uns zurückziehen werden, wenn der Deal zustande kommt“.

Deal mit Hamas wohl kurz vor Abschluss: Bangen um Geiseln in Israel

Krankenhäuser und medizinische Teams in Israels bereiten sich bereits auf die Behandlung der bei einer Einigung freizulassenden Geiseln vor, wie das Wall Street Journal berichtet. Vielen der beim Terrorüberfall auf Israel am 7. Oktober 2023 nach Gaza entführten Geiseln dürfte es körperlich wie psychisch sehr schlecht gehen. Ziel sei es, alle 98 Geiseln zurückzuholen, sagte ein israelischer Regierungsvertreter – auch wenn unklar ist, wie viele von ihnen noch am Leben sind. Unter den Verschleppten sind Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft, darunter auch Deutsche.

Die angestrebte Waffenruhe sei zunächst auf etwa 42 Tage beschränkt, sagte der Regierungsvertreter. Die Freilassung der Geiseln würde sich voraussichtlich über Wochen erstrecken. In einer ersten Phase sollten 33 „humanitäre Fälle“ freikommen. Es gehe um Frauen, Kinder, Menschen über 50 sowie Verletzte und Kranke, erklärte der Informant. Man gehe davon aus, dass die meisten am Leben seien. 

Beide Seiten hätten sich darauf geeinigt, dass die Hamas am ersten Tag drei Geiseln freilässt, berichtete der britische Sender BBC unter Berufung auf einen palästinensischen Offiziellen in Doha. Danach würde Israels Armee mit dem Rückzug ihrer Truppen aus den bewohnten Gebieten Gazas beginnen. Sieben Tage später würde die Hamas demnach vier weitere Geiseln freilassen. Israel wiederum würde den Vertriebenen im Süden des Gazastreifens erlauben, in den Norden zurückzukehren, allerdings nur zu Fuß über die Küstenstraße, hieß es.

Waffenruhe-Abkommen mit Hamas: Israel soll über 1000 palästinensische Häftlinge freilassen

Israel habe sich außerdem bereiterklärt, rund 1000 palästinensische Häftlinge freizulassen, darunter etwa 190 Menschen, die eine Haftstrafe von 15 Jahren oder mehr verbüßt haben, berichtete die BBC. Auch nach Beginn der Waffenruhe sollen israelische Soldaten in einer Pufferzone am Rande des Gazastreifens und in weiteren Gebieten bleiben, um die Sicherheit der israelischen Grenzorte zu gewährleisten, erklärte der israelische Regierungsvertreter. Verhandlungen über die zweite Phase sollen am 16. Tag der Umsetzung beginnen. In dieser Phase sollen die restlichen Geiseln freikommen und Israels Truppen abgezogen werden, bevor in der dritten und letzten Phase des Abkommens der Krieg endgültig beendet werden soll. Man werde Gaza nicht verlassen, bis alle Geiseln zu Hause seien, betonte der israelische Regierungsvertreter.

Ausgelöst worden war der Krieg durch den Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 mit mehr als 1000 Toten und hunderten Geiseln. Seither wurden nach palästinensischen Angaben im abgeriegeltem Gazastreifen mehr als 46.600 Menschen getötet und mehr als 110.000 verletzt. (erpe/dpa)

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