Viele brechen ab – andere schmoren in Programmen ohne Effekt: Was bei Integrationskursen falsch läuft

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Mit Kursen sollen Geflüchtete integriert werden und schnell Arbeit finden. Was an mancher Stelle gut klappt, hapert an anderer sehr.

Berlin – Wie Parteien die Migrationspolitik für Deutschland ausrichten wollen, kann man in den Wahlprogrammen zur Bundestagswahl nachlesen. Ein wichtiger Baustein sind bislang Sprach- und Integrationskurse, die Geflüchteten helfen, Deutsch zu lernen, sich im neuen Land zurechtzufinden – und sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Der Bundeshaushalt 2025 sieht eine deutliche Kürzung der Ausgaben für Sprachförderung vor. Ob die nächste Bundesregierung diese zurücknimmt, ist ungewiss.

Klar indes: 2024 stellte etwa eine viertel Million Menschen in Deutschland einen Asylantrag. Experten gehen davon aus, dass Zuwanderung eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung des Fachkräftemangels spielen wird. Eine neue Studie zeigt nun, dass bestimmte Integrationskurse Menschen erfolgreich in Jobs bringen – andere dagegen wirken nicht.

Schnellkurse helfen nicht, um Geflüchtete in Arbeit zu bringen

Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Kursen: Schnelle Ad-Hoc-Kurse und aufwändigere Integrationskurse. Die Ad-Hoc-Kurse waren 2015 und 2016 ins Leben gerufen worden, als zahlreiche Menschen nach Deutschland flüchteten. Die bis dahin etablierten Strukturen konnten den Bedarf nicht auffangen. Eine Forschergruppe aus Großbritannien, den USA und Deutschland hat in einer großen Studie die Integrationskurse untersucht. Sie kommt zum Ergebnis: Besonders die Schnellkurse haben „keinen messbaren Einfluss auf die Beschäftigungsquote Geflüchteter.“

Sprach- und Integrationskurse sollen Geflüchteten helfen, schnell Fuß zu fassen und einen Job zu bekommen. Die Bilanz der Kurse ist jedoch gemischt. © Montage

„Wir waren davon ausgegangen, dass diese Kurse einen Effekt hatten. Das Ergebnis hat uns überrascht“, sagt Niklas Harder, Co-Autor und Co-Leiter der Studie und Forscher am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZim) dem Münchner Merkur. Anders dagegen sieht es bei den länger angelegten Kursen aus, die deutlich mehr Unterrichtsstunden und ein klar definiertes Sprachniveau als Ziel vorsehen. Auch das Lehrpersonal, das die Inhalte vermittelt, ist dabei besser geschult. Bei Geflüchteten, die diese Kurse besuchen, liegt die Beschäftigungsquote um 4,4 Prozentpunkte höher als bei denen, die nicht teilnehmen. Laut Bundesagentur für Arbeit lag die Beschäftigungsquote von Menschen aus Asylherkunftsländern im Juli 2024 bei 44,6 Prozent.

Für Betriebe sei vor allem wichtig, dass Bewerberinnen und Bewerber nicht nur Deutsch sprechen, sondern das auch mit einem Zertifikat belegen können, sagt Studienautor Harder. „Viele Unternehmen schauen sich Bewerbungen, denen kein B1- oder B2-Zertifikat beiliegt, gar nicht erst an“, so Harder. Er kommt zu dem Schluss: „Die Ad-Hoc-Kurse waren keine schlechte Idee, aber es zeigt sich, dass solche schnell hochgezogenen Kurse kaum einen positiven Effekt haben.“

Integrationskurse: Hohe Abbrecherquote

Bei den Kursen gibt es eine recht hohe Abbrecherquote. Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nahmen im ersten Halbjahr 2023 etwas mehr als 300.000 Menschen an einem Integrationskurs teil. Sie bestehen jeweils aus einem reinen Sprachkurs und einem Part, in dem zum Beispiel kulturelle Gebräuche und die Eigenheiten des deutschen Arbeitsmarkts vermittelt werden. Im selben Zeitraum gab es allerdings 176.000 Kursaustritte. Viele davon sind zurückzuführen auf Ukrainerinnen oder Ukrainer, von denen die meisten bereits vorzeitig das erforderliche B1-Sprachniveau erreicht hatten. Über 100.000 der Austritte gab es jedoch wegen Inaktivität der Teilnehmer oder weil das gesetzliche Ziel des Integrationskurses nicht erreicht worden war.

Reem Alabali-Radovan vor dem Reichstagsgebäude in Berlin
Reem Alabali-Radovan ist seit 2021 Staatsministerin und Beauftragte der Bundesregierung für Migration und Flüchtlinge. © Peter Sieben

Reem Alabali-Radovan (SPD), Staatsministerin und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, bewertet die Integrationskurse auf Anfrage trotzdem als „Riesenerfolg“. „Wir brauchen krisenfeste und zuverlässige Integrationsstrukturen in allen 11.000 Städten und Gemeinden, die dauerhaft verlässlich finanziert sind. Es wäre fatal, bei der Integration und Sprachförderung zu sparen“, warnt die SPD-Politikerin. „Ich habe mich erfolgreich dafür eingesetzt, dass 2025 trotz vorläufiger Haushaltsführung ausreichend Mittel für die Kurse bereitstehen.“ Im von der mittlerweile geplatzten Ampel-Koalition geplanten Haushaltsentwurf für 2025 waren zuletzt Mittelkürzungen von rund 50 Prozent bei der Sprachförderung vorgesehen.

Union will Integrationskurse stärken

Auch bei der Union ist man vom Konzept Integrationskurs überzeugt. Zwar hat sich der Ton der Union in Migrationsdebatten zuletzt zunehmend verschärft, das Wahlprogramm lässt eine sehr restriktive Migrationspolitik erahnen. Stephan Stracke (CSU), Vorsitzender der Gruppe Arbeit und Soziales der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sagt aber dem Münchner Merkur: „Die geplanten Kürzungen hätten nicht nur dringend benötigte Programme massiv geschwächt, sondern auch die Zukunftschancen zahlreicher Geflüchteter zerstört.“

Der Unions-Abgeordnete fordert, die Kurse näher am Arbeitsleben auszurichten. „Die Sprachförderung bleibt isoliert – getrennt von der praktischen Arbeitswelt, in der sie tatsächlich gebraucht wird. Dabei ist klar: Nur wer Sprachkenntnisse direkt anwenden kann, hat eine echte Perspektive auf dem Arbeitsmarkt.“ Stracke wirft dem zuständigen Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) vor, mit dem bisherigen Konzept „Integration erschwert, statt erleichtert“, zu haben.

Grüne sehen Frauen bei Integration im Hintertreffen

Luft nach oben bei den Kursen sieht auch Beate Müller-Gemmeke, Berichterstatterin für Arbeitnehmer:innenrechte und aktive Arbeitsmarktpolitik der Grünen-Bundestagsfraktion: „Mich wundert nicht, dass schnell auf den Markt geworfene Kurse nicht perfekt wirken. Trotzdem sind sie gerade im Zuge der vielen Geflüchteten nach 2015 besser gewesen, als gar keine Kurse zu haben.“ Die Grüne plädiert ebenfalls dafür, Geflüchtete schneller an den echten hiesigen Arbeitsmarkt zu gewöhnen. „Erwachsene tun sich schwer, im Klassenzimmer in Vollzeit Deutsch zu lernen. Begleitende Kurse, bei dem das Gelernte direkt im Beruf angewendet werden kann, sind oft der bessere Weg. Deutsch sprechen zu können, ist viel wichtiger, als im Theorie-Unterricht den Unterschied zwischen Futur 1 und Futur 2 zu lernen.“

Müller-Gemmeke weist außerdem auf eine aus ihrer Sicht zu niedrige Frauen-Quote in den Kursen hin: „Diese können nach wie vor oft nicht Deutsch lernen, weil sie die Kinder versorgen müssen. Wir müssen Sprachkurse verbindlich mit Kinderbetreuung verknüpfen. Die Menschen, die 2015 und 2016 zu uns gekommen sind, arbeiten mittlerweile mehrheitlich – zumindest die Männer. Frauen dagegen geraten noch viel zu oft ins Hintertreffen.“

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