Kempten: Ausschüsse diskutieren kontrovers über mögliche Modernisierung des Bahnhofsvorplatzes

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In die Jahre gekommen: Der Kemptener Bahnhof zählte vor fünfzig Jahren zu den modernsten, heute besteht dringender Modernisierungsbedarf. © Lajos Fischer

Der Kemptener Hauptbahnhof und der Bahnhofsvorplatz wurden 1969 eröffnet. Seit der Zeit hat sich im Wesentlichen nichts verändert. Die Stadt Kempten will in nächster Zeit mit einer zeitgemäßen Umgestaltung beginnen. In der gemeinsamen Sitzung des Bau- und des Mobilitätsausschusses gab es darüber eine kontroverse Diskussion.

Kempten – Antje Schlüter (Stabsstelle Betreuung städtebaulicher Projekte im Baureferat) blickte in ihrer Einführung auf die Geschichte des Bahnhofs zurück und stellte die neuesten Entwicklungen vor. Die Stadt beschäftige sich seit einem Jahrzehnt intensiv mit der Frage: Wie kann man den Hauptbahnhof und seine Umgebung für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts fit machen? Im Integrierten Stadtentwicklungskonzept (2013) ging es um die verbesserte Anbindung in die Innenstadt, im Mobilitätskonzept (2017) um die Verknüpfung der verschiedenen Verkehrsangebote an diesem wichtigen Verkehrsknotenpunkt, im Innen­entwicklungskonzept (2021) um die Entstehung eines urbanen Gebiets um den Bahnhof herum. In ihrem Antrag (2022) forderte die Fraktion der Freien Wähler 2022 einen städtebaulichen Wettbewerb für die Neugestaltung des Vorplatzes.

Das ganze Areal spiele in der Stadtentwicklung eine wichtige Rolle, die damit verbundenen Aufgaben seien aber komplex und umfangreich, erklärte Schlüter. Deswegen schlage die Verwaltung vor, mit einem Initialprojekt anzufangen, das die Barrierefreiheit in den Mittelpunkt stelle. Die Deutsche Bahn wolle zwischen 2025 und 2028 den Bahnhof barrierefrei umbauen. Das betreffe aber nur den Bereich von der Wartehalle bis zu den Gleisen. Die Stufen der Treppe vor dem Gebäude seien noch Eigentum der Bahn, das Gebiet davor gehöre der Stadt.

In diesem ersten Schritt konzentriere man sich auf den unmittelbaren Bahnhofsbereich auf der Westseite. Die Pendlerparkplätze blieben davon unberührt, damit dort später große Baumaßnahmen möglich seien. Man plane 14 überdachte Bushaltestellen für Stadt-, Regional- und Fernbusse, von denen der Bahnhofseingang auf dem kürzesten Weg barrierefrei erreicht werde. Die Fuß- und Radwege sollten einen größeren Raum bekommen und übersichtlicher werden. 150 normale und 50 abschließbare Radabstellplätze möchte man errichten. Außerdem seien Ladeplätze für die E-Mobilität und eine Zone für Bike- und Scooter-Sharing angedacht. Die Maßnahme koste 7,5 bis 9 Millionen Euro, dafür gebe es aber eine staatliche Förderung von 80 bis 90 Prozent. Um zügig voranzukommen, wolle die Stadt keinen Wettbewerb ausloben, sondern ein VGV (Vergabeverordnung)-Verfahren starten.

Barrierefreiheit am Kemptener Hauptbahnhof

Bürgermeister Klaus Knoll (FW) stellte klar, dass auf der Westseite die Barrierefreiheit gegeben sei, man müsse nur längere Wege in Kauf nehmen. Auf der Ostseite mit besseren Parkmöglichkeiten wäre der Handlungsbedarf viel größer. Ein barrierefreier Zugang sei bei der Bahn als Standard festgelegt, erläuterte Schlüter. „Wenn man mehr haben will, werden die Gespräche schnell beendet“, fügte Oberbürgermeister Thomas Kiechle hinzu. „Barrierefreiheit darf nicht am Bahnsteig enden“, betonte Stephan Prause (CSU), Beauftragter für Menschen mit Behinderung. Die Bahn habe bereits für 2017 einen barrierefreien Bahnhof versprochen, wenn es 2025 tatsächlich soweit komme, müsse diese Vorgabe auch auf dem Vorplatz erfüllt sein.

ÖPNV Kempten: Priorität Süd oder Nord?

„Was passiert im Norden und mit der ZUM?“, fragte Andreas Kibler (FW). Diese Fragen hätten für ihn die Priorität. Von einem „unglaublichen Druck in der nördlichen Innenstadt sprach Helmut Berchtold (CSU). „Die Sparkasse baut nächstes Jahr und wir haben keinen Plan.“ Die Verwaltung setze ein neues Thema, statt die, die im Raum schweben, gezielt anzugehen. Er unterstütze den Vorschlag irgendwann, jetzt wolle er aber zuerst Antworten zum Thema ZUM erhalten. Durch die Neuausrichtung des Verkehrs gebe es einen dringenden Handlungsbedarf, entgegnete Baureferent Tim Koemstedt. Der Bahnhof werde in den nächsten 50 Jahren nicht verlegt, hier habe man Klarheit. Die KVB tüftele noch an der Linienplanung, diesen Schritt müsse man abwarten, bevor man über den Norden eine Entscheidung treffe. Wirtschaftsreferent Dr. Richard Schießl verglich die Situation mit einem „Mensch-ärgere-dich-nicht“-Spiel. Man müsse die Figur voranziehen, von der man denke, dass sie am weitesten vorankomme. „Dieses Projekt können wir jetzt stemmen, es kann gleich gebaut werden.“ „Wir sollten den Nord-Hub gegen den Süd-Hub nicht ausspielen“, warnte Julius Bernhardt (FfK). „Wir brauchen beides.“ Wo man anfange, sei egal. Man dürfe den Projektfortschritt an der einen Stelle wegen des nicht vorhandenen Projektfortschritts an einer anderen Stelle nicht unterbinden“, forderte Thomas Hartmann (Grüne).

Der Bahnhofsvorplatz müsse komplett überplant werden. Er sei einer der wenigen wertvollen Flächen in der Stadt, die nur für Parken benutzt werde, sagte Kibler. Er wolle den ganzen Platz angehen. „Sonst legen wir uns selbst Fesseln an.“ Man müsse jeden Quadratmeter effizient nutzen.

Umgestaltung Bahnhofsvorplatz Kempten: Kleine, große oder gar keine Schritte?

Koemstedt entgegnete: „Mir fehlt die Vision, wie wir zur Umsetzung einer Großlösung kommen. Wir verbauen uns nichts.“ Er sei für eine pragmatische Vorgehensweise. Man wisse nicht, was mit dem Gelände des Zolls und der Zulassungsstelle passiere. Schrittweise voranzugehen sei der richtige Weg. Das Erscheinungsbild des Bahnhofs als Tor zur Stadt aufzubessern, sei notwendig. Er würde sich trotzdem eine größere Vision wünschen, damit man mit den kleinen Schritten in die richtige Richtung arbeite, sagte Bernhardt. Man sollte sich hierbei auf den Verkehr konzentrieren

Erwin Hagenmaier (CSU) warnte davor, den städtischen Haushalt weiter zu belasten. Hohe Planungskosten würden entstehen, ohne dass man die Pläne umsetze. Das Problem sei nicht, dass die Leute nicht schnell genug zum Omnibus kommen, sondern dass die Busse keine Rücksicht auf die Ankunftszeiten der Bahn nehmen würden. Josef Mayr (CSU) warnte vor Irritationen, die in der Bevölkerung entstehen könnten. Man müsse priorisieren, Dinge, die noch funktionierten, lassen und nur das angehen, wo Druck bestehe oder es gesetzliche Verpfichtungen gebe. „Wir sollten nicht so tun, als ob wir in der Lage wären, hier zu investieren.“

Kein Zeitdruck bei der Förderung

Man sollte das eine tun, ohne das andere zu lassen, so Gerti Epple (Grüne). Die Schüler bräuchten nicht nur eine Schule, sondern auch einen sicheren Schulweg und der Bahnhof spiele dabei eine zentrale Rolle. Man dürfe keine unnötige Zeit verlieren dadurch, dass man auf die Gesamtlösung warte, sagte Hartmann. Die grundlegende Strukturänderung des ÖPNV sei beschlossenen Sache. „Die jetzige Gestaltung ist eine Aufforderung, den öffentlichen Verkehr nicht zu nutzen.“ Wer heute dagegen stimme, müsse die Verantwortung dafür tragen, dass die 90-prozentige Förderung der Stadt nicht zugute komme und in den nächsten Jahre nichts vorankomme. Wegen der Förderung bestehe kein Zeitdruck, sagte Tiefbauamtsleiter Markus Wiedemann. Es gehe um kein Sonderförderprogramm, sondern um ein stabiles, das seit Jahren bestehe.

Zur Abstimmung kam es nicht, der Oberbürgermeister wollte den Beschluss „nicht mit Gewalt herbeiführen“, sondern durch weitere Diskussionen den Weg zu einer „breiten Mehrheit“ ermöglichen.

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