Sexualberaterin Regina Heckert - Sex macht nicht nur glücklich - 10 Gründe, warum er auch krank machen kann

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Getty Images/Adene Sanchez Die Liste der Gründe, warum Sex auch krank machen kann, ist lang – und sicher nicht vollständig.
Donnerstag, 24.10.2024, 18:00

Manche Studien loben Sex als Jungbrunnen, doch andere warnen, dass Lustlosigkeit und Unzufriedenheit zunehmen. Paar- und Sexualberaterin Regina Heckert fragt: Macht Sex gesund oder krank?

Sex soll angeblich nicht nur Vergnügen bringen, sondern auch ein echter Gesundmacher sein: Beim Orgasmus werden Endorphine freigesetzt, die uns glücklicher machen und Schmerzen lindern. Das Kuschelhormon Oxytocin, das während des Sex ausgeschüttet wird, verbessert den Schlaf und stärkt das Immunsystem: Killerzellen und Antikörper verdoppeln sich laut einer Studie aus Zürich nach dem Höhepunkt.

Gleichzeitig baut Sex Stress ab, senkt den Cortisolspiegel und steigert das Anti-Stress-Hormon Prolaktin. Auch das Herz profitiert: Blutdruck und Herzgesundheit verbessern sich, während fehlende sexuelle Aktivität nachweislich Stress und Krankheiten begünstigt. Für Männer gibt es noch einen Bonus: Häufige Samenergüsse in jungen Jahren senken das Risiko für Prostatakrebs. Also, alles spricht dafür – Sex ist wirklich gesund!

Die Studie von Lehmann aus 2003 bringt es auf den Punkt: Wer regelmäßig guten Sex hat, lebt zufriedener und glücklicher. Ein enger Zusammenhang zwischen sexueller Gesundheit und Lebensqualität wurde klar nachgewiesen. Aber Moment mal – profitieren also nur diejenigen von diesen positiven Effekten, die genug und guten Sex haben? Das scheint die eigentliche Frage zu sein!

Wir kennen unsere eigene Sex-Geschichte nur zu genau – und wissen, dass wir nicht dauerhaft und regelmäßig guten Sex haben. Doch die Medien zeichnen ein anderes Bild: Überall scheint Sex perfekt zu sein, und wir fühlen uns schnell wie die Ausnahme. Aber ist das wirklich die Realität? 

Sexuelle Unzufriedenheit, Lustlosigkeit, Gewalt – all das drückt zum Beispiel den Lebenslustpegel vieler Frauen. Auch Männer leiden zunehmend unter Leistungsdruck, mangelndem Verlangen und Versagensängsten. Der Trend ist klar: der sexuelle Stress nimmt zu, und der kann sowohl seelisch als auch körperlich krank machen.

Über Regina Heckert

Über Regina Heckert
Regina Heckert

Regina Heckert ist Leiterin von BeFree Tantra, der größten Tantraschule Deutschlands, Sexualberaterin, Buchautorin und Expertin für die Lust der Frau. Seit mehr als 35 Jahren trägt sie bundesweit durch Seminare, Vorträge und Online-Kurse dazu bei, die wirkliche weibliche Lust zu verbreiten. Sie konnte schon Zehntausenden Frauen und Männern zu sexuellem Glück verhelfen. Mehr unter www.befree-tantra.de.

10 Situationen, in denen Sex krank machen kann

  1. Paare, die im ständigen Machtkampf um Sex stecken, quälen sich gegenseitig mit dem „Fordern-Verweigern“-Spiel. Das lähmt ihre Lebensfreude und raubt ihnen Energie.
  2. Frauen, die immer wieder Lust und Orgasmen vortäuschen, leiden irgendwann an Minderwertigkeitsgefühlen und Frustration und ziehen sich sexuell zurück. Auch Männer täuschen mittlerweile Orgasmen vor, um sexuellem Leistungsdruck zu entkommen.
  3. Frauen, die jahrelang ihren Männern zuliebe schnellen Sex mitgemacht haben oder in Swingerclubs gingen, verweigern schließlich jede sexuelle Aktivität.
  4. Statt im Bett Glückshormone zu genießen, geraten Paare immer öfter in eine Leistungsspirale: Die Lust muss intensiver, der Orgasmus schneller und möglichst gleichzeitig kommen. 
  5. Erektionsprobleme und vorzeitiger Samenerguss führen bei Männern oft zu Versagensängsten und einem Teufelskreis der Unsicherheit.
  6. Männer, die nächtelang im Internet nach dem nächsten sexuellen Kick surfen, schaden ihrer Gesundheit und dem Beziehungsfrieden. Währenddessen wächst bei der vernachlässigten Partnerin die Wut.
  7. Wer heimlich außerhalb der Beziehung nach neuer Lust sucht, leidet oft unter Schuldgefühlen, Stress und der Angst, entdeckt zu werden.
  8. Offene Beziehungsmodelle bringen meist stundenlange, zermürbende Diskussionen mit sich – Verlustängste und Eifersucht lassen sich schwer abschütteln.
  9. Sexuelle Gewalt hinterlässt tiefe seelische Wunden, die manchmal lebenslängliche Folgen haben.
  10. Wenn jedes Mal nach dem Sex Reibungsschmerzen, Blasenentzündungen oder Geschlechtskrankheiten auftreten, verschwindet die Lust. 

Die Liste der Gründe, warum Sex auch krank machen kann, ist lang – und sicher nicht vollständig. Stellt man diese Realität den zahlreichen „Sex ist gesund“-Studien gegenüber, drängen sich unweigerlich einige Fragen auf:

Wann ist Sex wirklich gesund und welcher Sex tut uns gut? 

Ich denke dabei an das Seminar „Paarsommer“, bei dem Paare jeden Tag im geschützten Raum ihres Zimmers Zeit für körperliche Nähe nach einem vorgegebenen Plan genießen. Jedes Jahr sehe ich, wie die Gesichter der Teilnehmer Tag für Tag entspannter, schöner und glücklicher werden. Offenbar passiert da etwas sehr Gesundes.

„Es ist das Beste, was ich für meine Ehe tun konnte“, sagt eine Teilnehmerin. „Wir lebten wie Bruder und Schwester, die Sexualität war total verschwunden. Als die Kinder auszogen, wusste ich, jetzt muss sich etwas ändern. Nach Absprache mit meinem Mann meldete ich uns an – und wir fühlen uns nun wieder wie frisch verliebt!“

Es lohnt sich, genau hinzuschauen, was uns in solchen Seminaren gelingt und wie das in den Alltag übertragen werden kann.

Die 7 Merkmale für gesunden und glücklichen Sex:

  1. Es gibt keinerlei sexuellen Leistungsdruck (Zeitdruck, Orgasmusdruck) 
  2. Frau und Mann haben Spaß und genießen die Ausgewogenheit im Geben und Nehmen, von Tun und Geschehen lassen.
  3. Es gibt frauenfreundliche Liebeszeiten, die die Frau, aber auch die weibliche Seite im Mann berühren und nähren: Sie dauern entsprechend zwei bis drei Stunden, enthalten viel Wertschätzung, Berührung und Zärtlichkeit und drängen auf kein Ziel hin. 
  4. Jeder übt, seine Bedürfnisse zu zeigen und immer wieder zu aktualisieren.
  5. Die körperliche Liebe enthält neben der normalen Sexualität auch stille und entspannte Formen des Liebens, wie zum Beispiel die sanfte Vereinigung.
  6. Absichtsvolle (Orgasmus) und absichtslose (Dahinschmelzen ohne Ziel) Liebeszeiten wechseln sich ab.
  7. Zwiegespräch oder andere Formen respektvoller Kommunikation helfen, sich über die sexuellen Erlebnisse auszutauschen und miteinander zu lernen und zu wachsen. 

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Ab jetzt nur noch tantrischer Sex?

Sex ist dann gesund, wenn beide Partner dabei strahlen und sich emotional öffnen. Männliche und weibliche Bedürfnisse sollten miteinander harmonieren, damit die Intimität nicht einseitig wird und niemand zu kurz kommt. Ein ehrlicher Austausch von Körperwahrnehmungen und Gefühlen ist zwar herausfordernd, bringt Paare aber auch näher zusammen. Viele der genannten Aspekte finden sich in tantrischen Begegnungen wieder – doch sollte es deshalb nur noch tantrischen Sex geben?

Klingt verlockend, aber ist das realistisch? Ein Blick in den Alltag zeigt schnell: Das ist kaum machbar. Nach einem langen Arbeits- und Familientag, völlig erschöpft, wer hat da abends noch die Energie, sich feinfühlig auf tantrische Sexualität einzulassen? Solche tiefen, achtsamen Begegnungen brauchen ihre Oasen im Trubel des Alltags. Tantrische Sexualität ist wie ein Gourmet-Menü: etwas Besonderes und nicht alltäglich.

Doch das bedeutet nicht, dass schnelle, unkomplizierte Begegnungen keinen Platz haben. Im Gegenteil: Gourmet-Sex und Fast-Food-Sex können sich wunderbar ergänzen, solange niemand dabei verletzt wird.

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Vorsicht: Auch tantrische Sexualität kann ungesund sein

Selbst tantrische Sexualität ist nicht vor den Fallen des Egos sicher. Was als sanfte, achtsame Begegnung gedacht ist, kann schnell in den gleichen Leistungsdruck umschlagen, den viele von herkömmlichem Sex kennen. Das „Du musst...“ hat im Liebesleben nichts verloren – egal, wie erhaben die Anforderungen auch zu sein scheinen. Viele Paare berichten, dass an die Stelle von sexuellen Forderungen plötzlich tantrische Erwartungen treten. Das alte Fordern-Verweigern-Spiel bleibt, nur der Inhalt hat sich geändert:

Kosmischer Orgasmus, Ganzkörperorgasmus, das Spüren des inneren Körpers – all diese neuen Erwartungen können Paare unter Druck setzen und sie überfordern. Der vermeintliche tantrische Liebeshimmel kann sich so in ein weiteres Schlachtfeld verwandeln, das die Lebensqualität und Gesundheit auf die gleiche Weise belastet wie die herkömmliche Sexualität.

Fazit: Woran es liegt, ob Sex gesund ist oder krank macht

Was nun? Sowohl herkömmliche als auch tantrische Sexualität können entweder zutiefst erfüllend und gesund sein oder Unzufriedenheit und Krankheit hervorrufen. Wahre sexuelle Erfüllung entsteht dann, wenn beide Partner authentisch sein dürfen und gemeinsam ihre Potenziale und Grenzen erkunden. Manchmal bedeutet das auch, aus Liebe auf Unmögliches zu verzichten und sich auf das Mögliche zu einigen – und genau das kann dann erst richtig zum Blühen kommen.

Nützt man Sex zur Entfaltung von mehr Achtsamkeit, Bewusstheit und Ehrlichkeit, wird er erfüllend und macht glücklich und damit gesund. Verfolgt man egoistische Ziele und benutzt den anderen für die Steigerung der eigenen Lust, gerät die Beziehung und die Liebe in Schieflage. Dann entstehen Unglück und Leid. Es liegt also an jedem selbst, wie er oder sie das Sexleben gestaltet und ob Sex gesund macht oder unzufrieden und krank.

Content stammt von einem Experten des FOCUS online EXPERTS Circles. Unsere Experts verfügen über hohes Fachwissen in ihrem Bereich. Sie sind nicht Teil der Redaktion. Mehr erfahren.