Vom Fabrikbesitzer bis zum Generalmajor: Wer 1909 schon ein Auto hatte – Altes Adressbuch verrät‘s
Es gehört zu den Dokumenten, mit denen man in eine längst vergangene Zeit eintauchen kann: das „Deutsche Automobil-Adreßbuch“ von 1909. Der heute online einsehbare Band verrät auch so einiges über die damals wenigen Kfz-Besitzer im heutigen Landkreis Weilheim-Schongau.
Landkreis – Nur 20 Kraftfahrzeuge gab es dem historischen Adressbuch zufolge 1909 in der damals rund 5000 Einwohner zählenden Stadt Weilheim. Wichtige Schritte in der Automobilentwicklung lagen damals auch noch nicht lange zurück. 1886 wird immer wieder als Geburtsjahr des Pkw mit Verbrennungsmotor bezeichnet (entsprechende Patentanmeldung durch Carl Benz).
Ein Autofan könnte der Oberamtsrichter a.D. E. Schuster aus Weilheim gewesen sein: Auf ihn waren 1909 drei „Wagen für Luxus-, Vergnügungs- und Sportzwecke“ zugelassen. Sogenannte Fahrzeuge für Geschäftszwecke besaßen in der Stadt zum Beispiel der Spengler Hans Ammon, der Malermeister Rob. Förtsch und der Dekorationsmaler Ludwig Huber. Der Tierarzt Gg. Seemann machte offenbar mit dem Auto Besuche bei seinen Patienten: Auf seinen Namen war nämlich ein „Wagen zu Berufszwecken“ eingetragen. Der Distriktstierarzt Hans Meißner aus Steingaden hatte dagegen nur ein Kraftrad.
Blick ins historische „Automobil-Adreßbuch“: Wer 1909 schon ein Auto hatte
Stadtansichten aus der damaligen Zeit, auf denen Autos zu sehen sind, finden sich im Weilheimer Stadtarchiv übrigens kaum, wie dessen Leiter Dr. Joachim Heberlein erklärt. Die Fotografen hätten menschen- und fahrzeugfreie Straßen als Motive bevorzugt.
Auch wenn es in Weilheim nicht viele Kraftfahrzeuge gab – in Peißenberg waren es laut dem „Automobil-Adreßbuch“ noch deutlich weniger. Von den zwei aufgeführten Wagen gehörte einer dem Zimmereigeschäftsinhaber J. Reßler – eine Zimmerei dieses Namens gibt es in Peißenberg noch heute – und eines dem praktischen Arzt Ferd. Wander.
Sechs Einträge finden sich für Schongau (1900: circa 2500 Einwohner). Auch der Name des Fabrikbesitzers Anton Holzhey („Haindl Papier“) taucht dabei auf. Dieser besaß aber nicht, wie man vielleicht vermuten möchte, ein Geschäftsfahrzeug, sondern einen Wagen aus der Rubrik „Luxus-, Vergnügungs- und Sportzwecke“. Die restlichen fünf Fahrzeuge in Schongau waren Krafträder – auch der Bankier Karl Högg hatte eines.
10 km/h als Tempolimit
1908 verabschiedete der Weilheimer Stadtmagistrat einen Erlass, wonach „Automobile und Motore“ im Stadtgebiet die Höchstgeschwindigkeit von 10 km/h einzuhalten hatten. An gewissen Stellen sollten Tafeln auf die Regelung hinweisen, unter anderem an Ammerbrücke und Zotzenmühle (Deutenhausener Straße).
Auch Adeliger kommt in Liste vor
Von den drei Fahrzeugen in Penzberg, die in der Liste aufgeführt sind, gehörten zwei – nämlich Wagen für Geschäftszwecke – dem Fahrradhändler Karl Greimel. Das dritte lief auf den Namen des Kaufmanns Josef Loew. Auch ein Adeliger aus dem Landkreis kommt in der Auflistung vor: der Freiherr K. von Hirschberg, offenbar nicht nur in Hirschberg am Haarsee bei Weilheim, sondern auch in Bamberg lebend. Der Generalmajor hatte einen Wagen für Luxus-, Vergnügungs- und Sportzwecke. Welche Marke der jeweilige Besitzer fuhr, verrät die Statistik übrigens nicht.
Während etwa für Wilzhofen zwei Fahrzeuge verzeichnet waren, tauchen viele heutige Landkreisorte im Adressbuch erst gar nicht auf. Für den gesamten jetzigen Landkreis sind nur rund 50 motorisierte Fahrzeuge aufgeführt. Heute sind dort allein 96 747 Autos zugelassen. Dazu kommen 11 242 Krafträder und 8076 Lastwagen (Stand jeweils 30. Mai 2025).
„Meisterhafte Arbeit“ einer neuen Industrie
Für die Kfz-Kennzeichen galt 1909 bereits eine zwei Jahre davor für das Deutsche Reich erlassene, einheitliche Regelung. Die Schilder waren weiß mit schwarzer Beschriftung. Neben einer Nummer hatte jedes Fahrzeug eine regionale Kennung. Für die bereits genannten heutigen Landkreis-Orte war „II“ für Bayern und „B“ für den Regierungsbezirk Oberbayern (der damals andere Grenzen hatte als heute).

Wie motorisierte Fahrzeuge Anfang des 20. Jahrhunderts wahrgenommen wurden, darauf lässt das Vorwort zum historischen Adressbuch Rückschlüsse zu. Dort heißt es: „Nicht lange ist es her, seit das Automobil das Licht der Welt erblickte, und heute stehen wir vor der Tatsache, daß das Kind moderner Zeit in kurzen Lebensjahren eine Entwicklung und Kräftigung erfahren hat, die noch vor einem halben Menschenalter keiner auch nur zu ahnen wagte. In Zehntausenden von Exemplaren ist das Kraftfahrzeug jeder Gattung, Betriebsart und Zweckbestimmung heute über das ganze Deutsche Reich verbreitet; Stadt und Land, vom Osten bis zum Westen, vom Süden bis zum hohen Norden sieht im täglichen Lauf des Tages Automobile geschäftig an sich vorübereilen. Den vereinsamten Landstraßen wird plötzlich neues Leben gegeben. Eine mächtige, vielgestaltete Industrie nimmt sich des Automobilwesens an und drückt ihm den Stempel meisterhafter Arbeit und Ware auf.“
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Obwohl man angesichts dieser Zeilen meinen könnte, dass Autos und andere Kraftfahrzeuge damals schon weit verbreitet waren: In Wahrheit war ihre Zahl – wie auch die genannten Daten aus dem Landkreis belegen – noch sehr übersichtlich. Sie war nur so hoch, dass sie in ein einziges rund 1200 Seiten umfassendes Buch passte. Fürs gesamte Deutsche Reich wurden im Register von 1909 über 40 000 Pkw, Lkw und Motorräder erfasst. Die Angaben für das Adressbuch wurden damals übrigens von Behörden zur Verfügung gestellt.
Die Einträge im alten Adressbuch sind auch online nachzulesen: wiki.genealogy.net/Deutsches_Automobil-Adre%C3%9Fbuch/Adressbuch_1909.