Die räumliche Situation ist an den Kemptener Gymnasien ist angespannt. Aber es gibt auch gute Nachrichten
In Kempten galt bis jetzt traditionell das Versprechen: Jeder junge Mensch, der die Zugangsvoraussetzungen erfüllt und sich für eines der drei Gymnasien entscheidet, wird in seine Wunschschule aufgenommen. Für das Schuljahr 2025/26 stand es lange auf der Kippe, ob es so bleiben kann.
Kempten – „Im Überwiegenden klappt es“, sagte Schulreferent Thomas Baier-Regnery bei einem Pressegespräch. „Aber es hat seinen Preis.“ Den Schülerinnen und Schülern können nur die allernotwendigsten Räume zur Verfügung gestellt werden und die Klassen werden relativ groß. Ohne die enge Zusammenarbeit der drei Schulleitungen und ihre Bereitschaft für Notlösungen wäre es nicht gegangen.
Nach jetzigem Stand wird es ab Herbst in Kempten insgesamt 409 Fünftklässler geben: 193 am Hildegardis-Gymnasium in sechs Eingangsklassen, 116 am Allgäu-Gymnasium in vier Eingangsklassen und 100 am Carl-von-Linde-Gymnasium in ebenfalls vier Eingangsklassen.
Raumnot an Gymnasien in Kempten: Größere Klassen und kreative Lösungen
Markus Wenninger, Schulleiter am Hilde, wollte mit nur fünf Eingangsklassen starten. Aber dann hätte er etwa 30 Schüler abweisen müssen. Lieber verwendet seine Schule „Behelfslösungen“: Räume für Kunst und für die offene Ganztagsschule müssen in Klassenräume umgewandelt werden. Im kommenden Jahr wieder mit sechs Klassen zu starten, sei für ihn kaum vorstellbar. Die Anmeldezahlen hätten sogar die Bildung einer siebten Klasse ermöglicht, aber die räumliche Situation nicht. Deswegen müsse man Klassenstärken mit über 30 Schülern in Kauf nehmen. „All das geht auf Kosten der Qualität“, sagt er.
Über die Zusammenlegung von Klassen und Lerngruppen sowie die Umnutzung von Fachräumen berichtet auch Dr. Stefan Dieter, Direktor des CvL. Die aktuelle Lösung sei „teuer erkauft“. Heuer gehe es gerade noch. Nächstes Jahr erreiche man das Ende der Kapazitäten, sowohl räumlich als auch personell. „Ohne Baumaßnahmen landen wir in der Sackgasse.“
Die Kapazitätsgrenze ist erreicht
Am AG sind letztes Jahr durch die Schließung des Pavillons vier Klassenräume weggebrochen, berichtet Schulleiterin Claudia Scharnetzky. Wenn sie an die Raumsituation denke, bekomme sie Schnappatmung, sagt sie. „Ich kann nichts mehr umwidmen.“ Auch sie muss mit großen Klassen starten, obwohl sie eine weitere Klasse hätte einrichten dürfen. Aber in welchen Räumen? Sie musste sogar das Kollegstufenzimmer und das Arbeitszimmer für Lehrer aufgeben. Am AG wird zusätzlich zu den normalen gymnasialen Klassen eine Einführungsklasse angeboten, in der Realschulabsolventen auf die Q12/Q13 vorbereitet werden.
Warum gibt es mehr Anmeldungen fürs Gymnasium?
Aber woher kommt diese angespannte Situation? Mit einem größeren Interesse an den Gymnasien könne man sie nicht erklären. Der Anteil der Gymnasiasten bei den Fünftklässlern liege stabil bei etwa 40 Prozent, so Baier-Regnery. Es sei jedoch möglich, dass das neue G9 zu Verschiebungen führe, weil manche denken würden, dass die jungen Menschen das Abitur in neun Jahren leichter schaffen könnten, meint Wenninger. Etwa zehn Prozent des Wachstums ist auf die Wiedereinführung des G9 zurückzuführen, rechnet er hoch.
Baier-Regnery spricht von geburtsstarken Jahrgängen und von einem großen Zuzug in die Region. Laut der Prognosen seines Referats müsse man bis 2038 mit etwa 500 Schülern mehr rechnen. Das Allgäu ist eine attraktive Region, vor allem die Gemeinden in Kemptens Umgebung wachsen. Auch die Möglichkeit, in Home-Office zu arbeiten, habe dazu geführt, dass Leute, deren Dienststelle sich beispielsweise in Stuttgart befindet, wegen der schönen Umgebung und der relativ bezahlbaren Immobilienpreise hierhin ziehen. Grundsätzlich hat der Neubau von jedem Wohngebiet Auswirkungen auf die Schülerzahlen.
Stadt Kempten und Landkreis Oberallgäu kooperieren
Dieser Trend erklärt auch, dass der Anteil der Schüler aus dem Landkreis kontinuierlich steigt. Früher lag er bei etwa 40 Prozent. Jetzt leben 218 der 409 Fünftklässler im Oberallgäu. Die Schaffung von neuen Kapazitäten könne die Stadt Kempten allein nicht mehr leisten, erklärt der Referatsleiter. Deswegen führe man Verhandlungen mit dem Landkreis, die erfolgsversprechend seien. Eine gemeinsame Sitzung des Kreistagsausschusses und des Stadtrats am 14. Juli soll dafür die Weichen stellen. Er hoffe, dass die Kommunen auch Gelder aus dem Sondervermögen des Bundes abrufen können, dafür fehlten aber noch die konkreten Informationen.
Die gute Kooperation der drei Schulleitungen zeige, dass man aktuelle Herausforderungen gemeinsam erfolgreich meistern könne, merkte Dieter an und er hofft, dass Stadt und Landkreis ihrem guten Vorbild folgen würden. Da es sich um staatliche Schulen handelt, könnten sie bei Engpässen keine Auswahl nach dem Wohnsitz des Kindes treffen, wies Wenninger auf die Diskussion der letzten Monate hin. „Dann müsste ein Losverfahren entscheiden.“
Appell an die politischen Vertreter
Baier-Regnery betonte am Anfang der Veranstaltung, dass dieses Gespräch nicht politisch werden sollte. Es blieb beim frommen Wunsch. „Wir Schulen haben unseren Beitrag geleistet, jetzt ist die Politik dran, Räume zu schaffen“, sagte Dieter. „Die Sachzwänge sind groß, die Fakten sprechen für sich. Die Politik steht in der Pflicht.“ Aber er sei nach den Erfahrungen der letzten Jahre vorsichtig geworden. Die Stadt müsse die Baumaßnahmen als Ganzes sehen und dürfe zwischen den Bauabschnitten keine Lücken zulassen.
„Wir machen Kopfstände und Purzelbäume, um die Qualität zu halten. Wir stellen uns den Eltern, die Angst haben, dass ihr Kind gar keinen Gymnasialplatz bekommt. Wir sehen die Kinder, die sich anstrengen, um die Noten für den Übertritt zu schaffen. Und dann bekommen sie trotzdem keinen Platz?“, so Scharnetzky. „Die Eltern und die Kinder erwarten von uns Verlässlichkeit und Planbarkeit“, sagt Wenninger. Er wünscht sich von der Politik „Beschlüsse und keine Versprechungen“. Damit „wir auch den Eltern gegenüber klaren Wein einschenken können“, fügt Scharnetzky hinzu. Sie sagt aber auch, dass ihre Anliegen bis jetzt gehört wurden.
„Dass wir eine Schulstadt sind, gehört zu unserer DNA“, sagte der Referent. Die Wünsche seien nicht überzogen, sondern auf das Notwendigste ausgerichtet.
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