Deutsche Wirtschaft im Krisenmodus: China bedroht deutsche Unabhängigkeit – doch es gibt Auswege
Der neue US-Präsident sorgt für Spannungen in der Weltwirtschaft. Wie sieht die Lage für deutsche Unternehmen aus? Das hat eine Studie untersucht.
Berlin – US-Präsident Donald Trump hält die Weltwirtschaft mit Strafzöllen in Atem. Zuerst traf es Mexiko, Kanada und China – zumindest war das angekündigt. In zwei Fällen hat Trump die Zölle schnell wieder ausgesetzt. Gleichzeitig aber verschärft der neue Ton aus dem Weißen Haus die Spannungen zwischen Ost und West. Im schlimmsten Fall könnte Europa in ein neues Sanktionsregime hineingezogen werden. Eine Studie legt offen, wie Politik und Wirtschaft reagieren müssten.
Zölle, Ukraine-Krieg, „Renewables Pull“ – globale Lieferketten als Sicherheitsrisiko
So ganz neu ist diese Entwicklung nicht. Schon während seiner ersten Amtszeit hatte Trump eine rigorose Strafzollpolitik gefahren. Dazu kam 2020 die Coronavirus-Pandemie, die das Thema Resilienz bei Unternehmen rund um den Globus in den Fokus gerückt hatte. Wie sich das Thema in Deutschland entwickelt hat, hat nun das Unternehmen Epico KlimaInnovation in Kooperation mit dem IW Köln untersucht. Für die Studie „Resilienz der deutschen Lieferketten nach der Zeitenwende“, die IPPEN.MEDIA vorliegt, haben die Studienautoren 1.028 deutsche Unternehmen befragt.

Die Ergebnisse: Deutschlands Unternehmen haben in Sachen Resilienz noch jede Menge Luft nach oben. Mehr als ein Drittel der befragten Unternehmen sind auf Vorleistungen aus dem Ausland angewiesen, 40 Prozent dieser Unternehmen hängen dabei „erheblich“ von China ab. Lediglich acht Prozent planen eine Diversifizierung.
Was das bedeutet, ist lange bekannt: China kann auf diejenigen Branchen, die von seinen Produkten abhängig sind, massiven Druck ausüben. Dazu gehört die Batteriesparte, Elektroautos, die Stahlproduktion, der Markt für Solarmodule und der für Windkraftanlagen. In China gibt es dabei erhebliche Subventionen, mit denen die westlichen Hersteller kaum konkurrieren können. Zuletzt mahnten die Studienautoren vor einem „Renewables Pull“ als Risiko. Grundstoffindustrien könnten in Regionen mit günstigeren Energiepreisen abwandern.
„Ähnliches Sanktionsszenario wie Russland“ – Deutsche Unternehmen sind von China abhängig
„Der ‚Renewables Pull‘ kann die Gefahren, die von Resilienz ausgehen, verstärken“, warnte Joachim Schmitz-Brieber, Senior Policy Specialist – Industry and Energy, EPICO KlimaInnovation. Sollten sich diese Unternehmen außerhalb der EU ansiedeln, würde das die Resilienz und die wirtschaftliche Stabilität gefährden. Unter anderem geht es hier um die Bereiche Metalle, chemische Produkte und Stahl.
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„Vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit Russland muss auch ein kritischerer Blick auf die gegenseitigen Abhängigkeiten von China gerichtet werden. Sollte die chinesische Regierung ihre Drohung wahrmachen und Taiwan gegen dessen Willen bedrohen, um die Insel der Volksrepublik einzuverleiben, droht ein ähnliches Sanktionsszenario wie bei Russland“, warnten die Studienautoren. Es sei „sehr wahrscheinlich“, dass die USA und andere demokratische Staaten einen großen Druck auf die EU ausüben würden, sich einem „breiten Sanktionsregime“ anzuschließen – dabei sind die wirtschaftlichen Verflechtungen der deutschen Wirtschaft mit China nach wie vor enorm.
„Erste Verteidigungslinie“ – Unternehmen müssen Lieferketten diversifizieren und von China weniger abhängig werden
Wie aber lassen sich diese Probleme lösen? Laut Bernd Weber, ein weiterer Studienautor und Geschäftsführer von Epico KlimaInnovation, sind die Unternehmen selbst die „erste Verteidigungslinie resilienter Lieferketten“. Allerdings hätten viele Unternehmen nur unzureichend Maßnahmen ergriffen, um beispielsweise die eigenen Lieferketten zu überwachen. Hier gab die Studie an, lediglich eines von sieben Unternehmen hätte die Überwachung verbessert – und bewertete dies als „überraschend“.
Die Mehrheit der befragten Unternehmen hat allerdings potenzielle alternative Lieferanten ins Auge gefasst, um das Thema Diversifizierung direkt anzugreifen. Etwa ein Fünftel (19,2 Prozent) der befragten Unternehmen hätte diese resilienzsteigernden Maßnahmen bereits umgesetzt, ein weiteres Drittel plant es immerhin.
Staatliche Eingriffe „dürfen nicht erratisch stattfinden“ – Regierung muss bei Resilienz aushelfen
Aus der Wirtschaft kommen nun schon seit Monaten regelmäßig Warnungen und Rufe nach einer politischen Reaktion. Der Windkraftverband zum Beispiel äußerte Sorge, dass China aufgrund der Marktvorherrschaft einen „Knopf drücken könnte und in Deutschland wäre es dunkel“. Für die Unternehmen sind vor allem Maßnahmen wichtig, die die Handels-, Energie- und Transportinfrastruktur verbessern – und für niedrige Energiepreise sorgen. Die Studienautoren machten drei Kernmaßnahmen aus, die dabei helfen sollten:
- No-Regret-Maßnahmen umsetzen: Dazu gehören Bürokratieabbau, Freihandelsabkommen und Unterstützung bei der Diversifizierung der Lieferketten.
- Elektrifizierung stärken: Hierbei soll der „effiziente“ Ausbau erneuerbarer Energien helfen. Die Netzentgelte müssten außerdem sinken.
- Stärkere EU-Zusammenarbeit: Es brauche neben dem Net Zero Industry Act weitere Instrumente, um eine Fragmentierung des Binnenmarkts zu verhindern.
„Staatliche Eingriffe können angezeigt sein, dürfen aber nicht erratisch stattfinden, sondern müssen klaren Prüfkriterien folgen“, sagte Bernd Weber dazu. „Konkret gilt es zu prüfen, wie kritisch Abhängigkeiten sind und ob es in Zukunft überhaupt noch realistisch einen ‚Business Case‘ am Standort in Deutschland gibt, der nicht auf Subventionen basiert.“
So oder so muss das Thema Resilienz nach Webers Ansicht „weiter oben“ auf der wirtschaftspolitischen Agenda stehen. Falls es der neuen Bundesregierung nicht gelingen sollte, die Energiepreise zu senken und die Industrie bei der Energiewende zu unterstützen, drohen „weitere Abwanderungen“ – zum Beispiel in die USA.