Es geht ums Geld: Hummelnest wird dichtgemacht
Bald wird es still im Hummelnest: Die Weilheimer Kindergroßtagespflege schließt im August. Für die Eltern und Kinder ein Schock. Die Gründe? Es geht ums Geld.
Richtig aufgeblüht sei seine Tochter im Hummelnest, sagt der Weilheimer Vater. Er will seinen Namen und den seiner Tochter nicht in der Zeitung lesen. Das Mädchen gehe gern in die Kindergroßtagespflegeeinrichtung im Keller des Weilheimer Bürgerheims. Der tägliche Umgang mit der Bezugsbetreuerin, die kleine Gruppe, das familiäre Umfeld hätten Kind und Eltern von Anfang an „begeistert“. Dass das Hummelnest nun bald schließt, hat seine Familie deshalb eiskalt erwischt.
Mitte April erfahren die Eltern die schlechte Nachricht: Das Hummelnest wird zum 31. August dichtmachen. Bereits am 2. August werden sich Kinder und Betreuungspersonal voneinander verabschieden, danach wird es nur noch eine Notbetreuung für ein paar Tage geben. Ab 10. August ist das Hummelnest dann endgültig Geschichte. Der Träger, „Fortschritt Bayern gGmbH“, führt finanzielle Gründe an. Die weitere Betreuung der zehn Kinder zwischen einem und drei Jahren: ungewiss.
Die Zeit drängt
Immerhin: „Wir haben eine vorläufige Zusage für die neue Kita der Johanniter an der Kanalstraße“, sagt der betroffenen Vater. Ab wann, ist allerdings unklar: „Dort wird noch gebaut, und außerdem sucht die Einrichtung noch fast das ganze Personal.“ Seine Tochter und ihre kleine Schwester, die ab Herbst auch das Hummelnest besuchen sollte, kommen dort voraussichtlich nur unter, weil sich die Eltern auf die Hinterbeine gestellt haben, zig Einrichtungen abtelefoniert haben. Denn die Zeit drängt, die Mutter der Mädchen hat einen Arbeitsvertrag mit Beginn im Herbst unterschrieben. Besonders ärgerlich für die Familien des Hummelnests: Ihnen blieben gerade einmal 24 Stunden Zeit, sich für andere Einrichtungen im dafür vorgesehenen Onlineportal der Stadt anzumelden – die Frist lief einen Tag nach der Hiobsbotschaft ab. Seither kassieren die Eltern vor allem Absagen. Der Andrang auf die Kita-Betreuungsplätze in Weilheim ist heuer besonders groß, wie man aus Kita-Kreisen hört.
Wie kann es sein, dass eine Kindertagesstätte zumacht, obwohl die Nachfrage immens ist? Beim 2016 eröffneten Hummelnest handelt es sich um eine Großtagespflege, die anders als Krippen oder Kindergärten vom Landkreis organisiert und größtenteils finanziert wird. Dabei entscheidet jeder Landkreis selbst, wie hoch diese Finanzierung ausfällt. Im Landkreis Weilheim-Schongau sei sie laut Pressestelle des Landratsamtes „an den jeweils aktuellen Empfehlungen des Bayerischen Landkreistages“ orientiert.
Hummelnest war defizitär
Genau hier ist laut Träger der Knackpunkt: Die Finanzierung durch den Landkreis sei „nach wie vor sehr marginal“, wie es im Schreiben an die Eltern heißt. Man sei jahrelang mit einer Anpassung vertröstet worden. Pressesprecherin Verena Fahrion formuliert es so: „Die finanziellen Rahmenbedingungen haben sich nie verändert.“ Zwischenzeitlich habe sich aber alles verteuert, von Energie- bis vor allem Personalkosten. So sei „Fortschritt“ trotz vieler Gespräche mit Landkreis und Stadt Weilheim nichts anderes übrig geblieben, als das defizitäre Hummelnest zu schließen.
Diesen schwarzen Peter will sich das Landratsamt nicht zuschieben lassen – und führt in einer ausführlichen schriftlichen Stellungnahme mehrere Gründe an, warum es nun zur Schließung kommt. Zum einen sei es „Fortschritt“ nicht gelungen, „geeignetes Betreuungspersonal“ zu finden und zu binden. Tatsächlich verlässt eine Betreuerin bereits im Juni die Einrichtung – mit der Schließung habe das laut „Fortschritt“-Pressesprecherin Fahrion aber nichts zu tun. Zum anderen habe der Träger laut Landratsamt dem Landkreis heuer bestimmte Nachweise zur Sozialversicherung nicht vorgelegt, die man hälftig übernommen hätte. Laut Fahrion handelt es sich hierbei um 1000 Euro, die noch ausstehen. „Die verändern auch nichts.“ Dann sei laut Landratsamt im Juni eine „Anhebung der Geldleistungen seitens der Landkreises geplant“, die der Träger nicht abwarten wollte. Danach hätte „Fortschritt“ fürs Hummelnest rund 10.400 Euro statt 8400 Euro monatlich bekommen. Und überhaupt: „Die Stadt Weilheim hätte auch freiwillig das Defizit für die Großtagespflege ausgleichen können, hat es aber nicht getan.“
Stadt leistete hohen fünfstelligen Betrag
Diesen Satz kann Stefan Popp von der Stadt Weilheim nur entschieden zurückweisen. „Natürlich hat die Stadt gemäß der Betriebsträgervereinbarung einen sehr hohen fünfstelligen Betrag geleistet. Und zwar seit Jahren.“ Die Zahlungen des Landkreises seien seit Jahren nicht auskömmlich, so der Stadtverantwortliche für den Bereich Kinderbetreuung. Dieses Defizit habe man immer ausgeglichen. „Das war, streng genommen, eine freiwillige Leistung.“
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Man überlege laut Popp nun sowohl für die Kleinen des Hummelnests, als auch für alle anderen Kinder, die noch einen Kitaplatz suchen, „an allen Ecken“, wo man Betreuungskapazität schaffen könne. Die große Hoffnung liege dabei auf der neuen Kita der Johanniter, die insgesamt bis zu 110 Krippen- und Kindergartenkinder aufnehmen könne.
Verantwortung liege beim Bund
Zwei davon könnten die der Weilheimer Familie sein, die bislang das Hummelnest besuchen. Und wenn es nicht klappt? „Wir werden es irgendwie überbrücken müssen“, so der Vater. Er will bei dem ganzen Dilemma nicht dem Träger oder dem Landkreis die Schuld geben. Vielmehr sieht er den Bund in der Verantwortung, der „Eltern derart im Stich lässt“, indem er den Kommunen nicht genug Budget für so wichtige Projekte wie Kinderbetreuung zuteilt. „Wenn sich darüber dann regelmäßig noch ein Anzugträger aus Berlin in den Medien über die selbst herbeigeführte oder zumindest nicht verhinderte Situation beschwert, kann einem schon der Puls hochgehen.“
Veronika Mahnkopf
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