Hamas-Behörde: 27 Tote bei Beschuss nahe Verteilungszentrum in Gaza

Israelische Soldaten sollen im Gazastreifen palästinensischen Angaben zufolge erneut viele Menschen in der Nähe eines Verteilungszentrums für humanitäre Hilfe erschossen haben. Mindestens 27 Palästinenser seien nahe der südlichen Stadt Rafah getötet und rund 90 weitere verletzt worden, teilte die von der islamistischen Terrororganisation Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde mit. 

Israel räumt Schüsse auf Verdächtige ein

Israels Armee teilte dazu am Morgen mit, Soldaten hätten rund einen halben Kilometer von der Verteilungsstelle entfernt Verdächtige ausgemacht. Diese hätten sich ihnen genähert und eine Bedrohung für sie dargestellt. Sie seien von den vorgesehenen Wegen zum Hilfszentrum abgewichen, während sich zugleich eine große Menschenmenge auf den regulären Wegen bewegt habe. Soldaten hätten zunächst Warnschüsse abgegeben. Da die Verdächtigen aber nicht zurückgewichen seien, hätten die Einsatzkräfte zusätzlich auf einzelne Verdächtige geschossen.

Der israelischen Armee seien Berichte über Opfer bekannt, hieß es weiter. Die Einzelheiten des Vorfalls würden untersucht. Die Armee hindere Zivilisten nicht daran, die Verteilungszentren zu erreichen, betonte die Armee. 

Die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa meldete unter Berufung auf Augenzeugen Angriffe auf die Menge auch mit Artilleriefeuer und Kampfflugzeugen.

Hilfsverteilung sei "sicher und ohne Zwischenfälle"

Die Verteilung von Hilfsgütern im Gazastreifen wurde  kürzlich von der Gaza Humanitarian Foundation (GHF) übernommen, einer laut "BBC" von Israel und den USA unterstützten Gruppe, die UN-Organisationen und andere Organisationen bei der Bereitstellung von Hilfsgütern ersetzen will. 

Die Gruppe sagte die Hilfsverteilung in Rafah selbst sei «sicher und ohne Zwischenfälle» verlaufen. Ihr sei bekannt, dass Israels Armee untersuche, ob Menschen verletzt worden seien, die den ausgewiesenen Sicherheitskorridor verlassen und ein militärisches Sperrgebiet betreten hätten. «Dies war ein Gebiet weit außerhalb unserer sicheren Verteilungsstelle und unseres Einsatzgebietes», hieß es in einer Mitteilung. 

Ein in sozialen und palästinensischen Medien verbreitetes Video soll die Leichen mehrerer junger Männer sowie Verletzte in einer Klinik zeigen. 

Die Angaben lassen sich derzeit allesamt nicht unabhängig überprüfen.

Volker Türk, UN-Hochkommissar für Menschenrechte, bei einer Pressekonferenz Ende des vergangenen Jahres am europäischen Hauptsitz der Vereinten Nationen in Genf
Volker Türk, UN-Hochkommissar für Menschenrechte, bei einer Pressekonferenz Ende des vergangenen Jahres am europäischen Hauptsitz der Vereinten Nationen in Genf Salvatore Di Nolfi/KEYSTONE/dpa

Verteilung durch Stiftung gefährdet Menschenleben

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, forderte in Genf eine prompte und unparteiische Untersuchung der Zwischenfälle. «Angriffe, die auf Zivilisten zielen, sind ein schwerer Verstoß gegen das internationale Recht und ein Kriegsverbrechen», teilte Türk mit. 

Die Vereinten Nationen werfen Israel vor, die humanitäre Hilfe zu behindern. Sie lehnen den Einsatz der umstrittenen neuen Stiftung GHF ab. Türk sprach von «Israels militarisiertem humanitärem Hilfsmechanismus», der Menschenleben gefährde. Die Stiftung antwortet nicht auf Fragen, wer sie finanziert und woher das Geld für die Nahrungsmittelpakete stammt. Die wenigen GHF-Verteilzentren werden von bewaffneten Sicherheitskräften bewacht. Bedürftige sind gezwungen, kilometerweit zu laufen, um sie zu erreichen.