Rückschlag für Putin: Ukraine schießt „Nato Tank Killer“ ab

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Teurer Verlust: Ein Pilot des Kampfhubschraubers Ka-52 „Alligator“ der russischen Armee bereitet sich im Ukraine-Krieg auf einen Kampfflug vor – die Ukraine hat wieder einen Hubschrauber dieses Typs abgeschossen und beschleunigt das Ende einer ganzen Waffengattung. © IMAGO / Evgeny Biyatov

Die Ukraine feiert, Russland tobt, die USA rätseln: Der aktuelle Abschuss eines weiteren „Alligator“ läutet das Ende einer ganzen Waffenklasse ein.

Kiew – „Wir lernen vom Schlachtfeld – besonders in der Ukraine“, sagte Randy George. Anfang Februar dieses Jahres hat der US-Generalstabschef diese Aussage getätigt, wie das Magazin Flight Global veröffentlichte. Im Verteidigungsministerium der USA hatten die Wände gewackelt, als immer klarer wurde, dass Wladimir Putins Hubschrauberflotte in der Ukraine bereits zu diesem Zeitpunkt einen für sie aussichtslosen Krieg führte. Jetzt berichtet das Magazin Newsweek, dass Russland einen weiteren Kampfhubschrauber vom Typ Ka-52 „Alligator“ verloren habe – der Hubschrauber an sich hat auf dem Gefechtsfeld vermutlich ausgedient.

Mitte Juli vergangenen Jahres hatte die Kiew Post von „One Hundred Dead Choppers“ getitelt, also von 100 „toten“ Hubschraubern – eine pointierte Formulierung für eine drastische Entwicklung, die in den USA zu Entsetzen geführt haben mag. Zu dem Zeitpunkt soll Russland bereits 40 Prozent seiner wertvollen Kampfhubschrauber vom Typ Ka-52 Kamow „Alligator“ eingebüßt haben, wie das Magazin schrieb. Der Hubschrauber, der laut dem Magazin National Defense als „Nato Tank Killer“ bekannt sein soll, hat sich offenbar von der Technik überholen lassen: möglicherweise von Atacms-Raketen genauso wie von schultergestützten Flugabwehr-Waffen – Manpads – oder Drohnen – laut ukrainischen Berichten sollen sogar zwischenzeitlich geparkte Hubschrauber Luftangriffen zum Opfer gefallen sein.

Ukraine-Krieg macht nachdenklich – „Kampfhelikopter nur noch eine Übergangslösung?“

Laut verschiedenen Medien hat diese Entwicklung an der Ostgrenze der Nato dazu geführt, dass die US-Armee ihre Planungen zur Entwicklung eines neuen bewaffneten Aufklärungshubschraubers von jetzt auf gleich eingestellt hat – mit dem Verzicht auf dieses Future Attack Reconnaissance Aircraft (FARA)-Programm hätten die Streitkräfte der USA einen „abrupten Richtungswechsel“ eingeleitet, wie das deutsche Magazin Soldat & Technik formuliert hat. „Die Luftaufklärung hat sich grundlegend verändert. Sensoren und Waffen, die auf einer Vielzahl von unbemannten Systemen und im Weltraum montiert sind, sind allgegenwärtiger, haben eine größere Reichweite und sind kostengünstiger als je zuvor“, wie Randy George im US-Fachmagazin Flight Global zitiert wird.

„Sofern der Gegner über eine moderne Flugabwehr verfügt, gleicht der Einsatz von Helikoptern einem Himmelfahrtskommando.“

„Kampfhelikopter nur noch eine Übergangslösung?“, fragte schon Mitte vergangenen Jahres die Neue Zürcher Zeitung angesichts der beschlossenen Ausmusterung des Kampfhubschraubers „Tiger“ aus der Bundeswehr. NZZ-Autor Marco Seliger hatte die Zeichen der Zeit nach einem Jahr Ukraine-Krieg wohl richtig gedeutet: „Sofern der Gegner über eine moderne Flugabwehr verfügt, gleicht der Einsatz von Helikoptern einem Himmelfahrtskommando.“

Über den aktuellen Verlust des Ka-52 „Alligator“ hatten verschiedene russische Militärblogger berichtet – denen zufolge soll mindestens ein Besatzungsmitglied getötet worden sein, das zweite verletzt. Dieser Helikopter-Typ ist seit mehr als 20 Jahren im Dienst und noch immer eine ernst zu nehmende Bedrohung aufgrund seiner Feuerkraft, gepaart mit seiner Wendigkeit. Der Ka-52 gilt als gefährlicher Gegner für gepanzerte und ungepanzerte Bodenziele, langsame Luftziele und Truppen sowohl an der Frontlinie als auch in taktischer Tiefe. Neben dem Kampfeinsatz wird er auch für Überwachungen oder Kommandoaufgaben eingesetzt.

Russlands horrende Verluste – der „manifestierte Schrecken aus der Luft“ ist teuer

Als „manifestierten Schrecken aus der Luft“ hat ihn die Flugrevue Mitte des zweiten Kriegsjahres bezeichnet, besonders als Jäger ukrainischer Panzer. „Dabei spielt der Alligator den Vorteil seiner laserstrahlgeführten Distanzwaffen aus und operiert – anders als zu Beginn der russischen Invasion – ausschließlich im russisch kontrollierten Luftraum, außerhalb der Reichweite ukrainischer Flugabwehr“, schrieb das Magazin.

Als sein größter Nachteil galt da schon seine geringe Stückzahl. Vor Beginn der Invasion in der Ukraine hätten den russischen Streitkräften etwa 130 Exemplare des mehr als 15 Millionen Euro teuren Fliegers zur Verfügung gestanden, schreibt die Flugrevue. Mindestens die Hälfte davon habe Russland seitdem verloren – „vor allem in der Anfangsphase des Krieges, als die Ka-52 verstärkt und ohne ausreichende Luftunterstützung hinter die feindlichen Linien stießen und so gehäuft zum Ziel von Manpad-Angriffen wurden“, so das Magazin.

Mitte des vergangenen Jahres hatte das Magazin The Warzone berichtet, dass das Grundmodell Ka-52 aufgewertet und als Ka-52M „Super-Alligator“ ebenfalls in der Ukraine gesichtet worden sei. Neben einer Erhöhung der Nutzlast hätte das neue Modell leistungsstärkere Sensoren erhalten für passiven Schutz und Zielsicherheit der Waffen – über den jetzt abgeschossenen Typ fehlen allerdings die Informationen. Jedenfalls geht Newsweek davon aus, dass sich die Zahl der abgeschossenen Luftfahrzeuge mit Starr- und Drehflügeln insgesamt auf 329 Stück erhöht habe.

 „Kampfhubschrauber sind unverzichtbar“ – Ukraine widerlegt überholte These

Mit Verweis auf die Statistikplattform Oryx behauptet Newsweek, der Anteil an Hubschraubern an den Verlusten läge bei 146 Stück, der Anteil der KA-52 allein bei 61, „wobei die Schätzung vermutlich zu niedrig ausgefallen sei“, so das Magazin. „Kampfhubschrauber sind unverzichtbar“ haben Sven Arnold und Florian Schöne für den deutschen Thinktank Wissenschaft und Politik behauptet – allerdings bereits im Januar 2022; kurz danach überfiel Russland die Ukraine. Im Laufe der ersten Wochen büßte dessen Invasionsarmee bereits einen erheblichen Teil ihrer Hubschrauberflotte ein. Die These der beiden Analysten scheint inzwischen für reine Offensive-Operationen gehörig ins Wanken geraten zu sein.

„Kampfhubschrauber können aufklären und Räume überwachen, Geleitschutz für Kolonnen am Boden und in der Luft bieten, den Feind direkt bekämpfen oder als Sensor das Feuer anderer Platt­formen leiten“, so Arnold und Schöne. Erstaunlich ist, dass lediglich die Hälfte der Nato-Staaten weiterhin über Hubschrauber verfügt. Deutschland, Frankreich, Italien, Türkei, dem Vereinigten Königreich und den USA schreiben die Autoren eine Flotte mit jeweils mehr als 30 Maschinen zu; die anderen Hubschrauber-Länder besäßen zwischen sechs und 28 Maschinen. Möglicherweise beschränken sich die Aufgaben dieser Waffengattung künftig auf eher logistische Aufgaben, wie den Transport von Mensch und Material beziehungsweise auch auf Aufgaben schneller Evakuierungen aus unzugänglichen Regionen.

USA schwenken um – Airbus steigt ein: Luftfahrzeug der Zukunft soll ein Drohnen-Mutterschiff werden

Am Anfang des FARA-Programms sei den US-Generälen nachgesagt worden, dass sie zwar einen sanften Übergang sähen bis zur vollständigen Autonomisierung auch von Aufgaben des Hubschraubers. Aber die Ausmusterung dieses Fluggerätes verläuft strikt parallel zur Risikominimierung für deren Besatzungen. Aufklärung, Überwachung, Zielbestimmung beziehungsweise das Verbringen von Luft-Boden-Waffen sind Aufgaben, die mittels Künstlicher Intelligenz jeden Tag etwas autonomer ausgeführt werden können. Die Zeit für Innovationen scheint zu drängen.

Wie Aviation Week aktuell berichtet, plane das europäische Luftfahrtunternehmen Airbus, „autonome unbemannte Drehflügler-Luftsysteme mit Hubschraubern zu kombinieren, um sich für das Schlachtfeld der nächsten Generation vorzubereiten“, so das Magazin. „Teaming“ lautet das Ziel aktueller Entwicklungen in der Rüstungsindustrie – zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Wie bereits der smarte europäische Kampfpanzer der Zukunft MGCS (Main Ground Combat System), als auch das aktuell angeschobene europäische Kriegsschiff der Zukunft mit KI-Kompetenz, soll auch das Luftfahrzeug der Zukunft eher ein Drohnen-Mutterschiff werden – in diesem Fall von Unmanned Aerial Systems (UAS).

„Airbus glaubt, dass dieser Ansatz den Bedarf an speziellen Kampfhubschraubern überflüssig machen könnte, da UAS die Aufgaben der Überwachung und Aufklärung, der elektronischen Kriegsführung, der Funkweiterleitung und der Abgabe kinetischer Effekte übernehmen würden“, schreibt Aviation Week-Autor Tony Osborne. Er habe Vertreter des Rüstungsbauers so verstanden, dass ein alternativer Ansatz eines FCAS (Future Combat Air Systems) undenkbar wäre. Die Ukraine habe gezeigt, wie transparent ein Gefechtsfeld mittlerweile geworden sei und selbst ein Tiefflug auf Baumwipfelhöhe keine Überlebensgarantie für einen Hubschrauber alter Schule böte.

Russlands menschliche Kosten – Verlust erfahrener Besatzungen könnte schmerzen

Auch wenn also ein Kampfhubschrauber mit seinen technischen Qualitäten punktete, könnten einer Armee mit zunehmender Intensität der Kampfhandlungen die kompetenten Piloten ausgehen. Putins verpatzter Großangriff auf die Ukraine hätte auch die Hubschrauberpiloten besonders hart getroffen, schrieb die Kiew Post bereits im vergangenen August.

Der britische Thinktank Royal United Services Institute (RUSI), erklärte dem Blatt zufolge, dass „die besten Ka-52-Besatzungen schon zu Beginn des Krieges abgeschossen wurden, als sie versuchten, tief hinter die ukrainischen Linien vorzudringen. Jetzt sind weniger erfahrene Besatzungen leichte Ziele für immer mutigere ukrainische Luftverteidiger. Der Verlust erfahrener Besatzungen könnte mehr schmerzen als die Abschreibungen der Flugzeuge.“

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