Das Glockengeläut von Verklärung Christi im Radio
Wer kennt nicht die Sendung im Radiosender Bayern 1, die seit Jahrzehnten jeden Sonntag Punkt 12 Uhr über den Äther geht? Es ist das „Mittagsläuten“, das genau fünf Minuten dauert. Dabei wird eine Kirche in Bayern vorgestellt. Dieser Tage wurde in Schongau das Geläut von Verklärung Christi aufgenommen.
„Es ist zwölf Uhr. Das Mittagsläuten kommt heute aus Schongau in Oberbayern“: So wird es am Sonntag, 13. Oktober, heißen, wenn der Radiohörer „Bayern 1“ eingestellt und natürlich auch eingeschaltet hat. Dann wird das große Geläut der Kirche Verklärung Christi zu hören sein. Inklusive Geschichte über diese Kirche.
Schongaus Mesner Richard Ruderer steht in der Sakristei vor dem Schaltkasten, durch den die fünf Glocken im Turm in Bewegung gesetzt werden können. Eine letzte Überprüfung, ob alle Funktionen in Ordnung sind. Oberhalb des Kastens zeigt die elektronische Uhr wenige Minuten vor 11 Uhr an. „Wenn die kommen, können wir gleich loslegen“, so der kurze Kommentar des Mesners.

Sie kommen. Ein Aufnahmewagen des Bayerischen Rundfunks fährt vor. In wenigen Minuten soll das große Geläut der Kirche aufgezeichnet werden. Dafür sind die beiden Tontechniker Jürgen Schmidt und Andreas Wüst in die Lechstadt gekommen. Freundliche Begrüßung, dann kurze Inspektion der beiden rund um das Kirchengelände. Man will einen ruhigen Platz ohne Nebengeräusche außerhalb der Kirche finden. „Wir brauchen möglichst absolute Ruhe, um vor allem beim Ein- und Ausläuten keine Fremdgeräusche mit aufzunehmen“, erklärt Wüst.
Tontechniker Schmidt erklärt dazu, dass eine Aufnahme innerhalb der Kirche zu dumpf klingen würde. Deshalb der Außenbereich. Schmidt dreht mit seinen Stereo-Richtmikrofonen eine Runde um die Kirche, um immer wieder die Geräuschpegel zu testen. Er findet den geeigneten Platz. Zwar neben der befahrenen Marktoberdorfer Straße, aber ideal von Bäumen und Sträuchern abgeschirmt. Kabel werden dorthin verlegt, die Mikrofone in Richtung Turm ausgerichtet, ein Testlauf kann beginnen.
Wüst im Aufnahmewagen verfolgt die Pegelausschläge auf seinem Monitor, gibt per Funk das Startsignal an Jürgen Schmidt, der in der Sakristei bereit steht. „Den Testlauf zum Justieren der Lautstärke machen wir mit der kleinsten Glocke“, erklärt Schmidt. Mesner Ruderer ergänzt, dass dies die „Hedwigsglocke“ mit ihren 200 Kilogramm ist.
Ein paar Veränderungen der Regler am Regiepult von Wüst, dann zeigt er sich mit der Einstellung zufrieden. Der „scharfe“ Durchgang kann beginnen. Das Startsignal wieder per Funk in einer geräuscharmen Phase. Schmidt schaltet die Glocken selbst ein. „Wir schalten von der Kleinsten bis zur Größten, so ist die Reihenfolge“, gibt er als kurzen Kommentar ab.
Im Klartext: Mit der „Hedwigsglocke“ wird begonnen, kurz danach setzt Schmidt die „Barbaraglocke“ in Gang, gefolgt von der „Josefsglocke“ und der „Marienglocke“. Die „Christkönigsglocke“ mit ihren 1400 Kilogramm vollendet nach wenigen Sekunden das Geläut.
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Einige Passanten, die aus der gegenüber liegenden Sparkasse kommen, bleiben verwundert stehen. „Um diese Zeit ein volles Geläut, das ist ungewöhnlich“, sagen sie. Doch der weiß-blaue Aufzeichnungswagen des BR mit seiner großen Beschriftung lässt ahnen, was hier passiert.
Die Aufnahme ist nach wenigen Minuten „im Kasten“ und wird von Techniker Wüst kontrolliert. Mit nicht so großer Begeisterung. „Beim Ausläuten hat sich ein unangenehmes Geräusch eines Autos eingeschlichen“, so seine Kritik. Also alles nochmal von vorne. Wüst wartet im Wagen auf eine ruhige Phase, gibt an Schmidt das Startsignal. Der Knopf für die „Hedwigsglocke“ wird von ihm gedrückt, der Einsatz passt. Das Einläuten perfekt. „Wenn die Glocken voll läuten, hört man keine Nebengeräusche mehr“, so Schmidt. Jetzt kommt es auf das Ausläuten an. „Bitte, bitte kein störendes Auto“, so sicherlich das Stoßgebet von Wüst. Es wird erhört. Alles perfekt.
Wie von Schmidt zu erfahren ist, gibt es die Sendung schon lange. „Da war ich noch nicht geboren, da gab es schon das ,Mittagsläuten im BR‘, so der Tontechniker. Wie auch er nachsetzt, sollte wegen des doch hohen Aufwands diese Sendung eingestellt werden. „Für fünf Sendeminuten fahren wir oft zig Kilometer durch Bayern“, rechnet er vor. Aber der BR hatte nicht mit den Protesten seiner Hörer gerechnet. Also blieb das beliebte „Mittagsläuten“ im Programm.
Genauer weiß Redakteur Jürgen Jungwirth über die Geburtsstunde der Sendung Bescheid, dessen Stimme auch am 13. Oktober zu hören sein wird. „In diesem Jahr feiert der BR sein 75-jähriges Bestehen. Das war auch damals der Start für das ,Mittagsläuten‘“, so Jungwirth.

Auch sie wurden in Passau gegossen
So einfach wie in Schongau, geht es in anderen Gemeinden oder Städten nicht zu. „Als wir das Geläut des Freisinger Doms aufnehmen wollten, war keine Chance gegeben, einen ruhigen Moment zu bekommen“, so Wüst. Die Feuerwehr musste großräumig das ganze Gebiet um den Dom sperren. Ein riesen Aufwand.
Deshalb werden auch alle Aufnahmen archiviert und können später wieder abgerufen werden. „Viele Leute greifen auf unser Archiv zu und hören sich ihre Glocken und den dazugehörigen Beitrag immer wieder mal an“, sagt Schmidt, während er seine Mikrofone abbaut.

Wie abschließend von Mesner Richard Ruderer zu erfahren ist, wurden die fünf Glocken am 23. September 1977 in Passau gegossen. Eben in der Gießerei, in der jetzt die Glocken für die Stadtpfarrkirche Mariae Himmelfahrt gegossen wurden.
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