„Alarmierende Anzeichen“ für Deutschland: Sorge vor Deindustrialisierung wächst
Die Stimmung bei der deutschen Wirtschaft ist schlecht. Grund ist auch der Standort Deutschland. Immer mehr Unternehmen investieren deshalb im Ausland.
Berlin – BASF baut Stellen in Deutschland ab und investiert Milliarden Euro in China, Miele baut Standorte in Polen, Solarhersteller Mayer Burger verlässt Deutschland in Richtung USA. Die Meldungen von deutschen Unternehmen, die vermehrt ihren Fokus ins Ausland verlagern, nehmen zu. Die Entwicklung könnte weitergehen. Das zeigt auch die Frühsommerumfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK).
37 Prozent der mittelständischen Unternehmen investiere lieber in neue Standorte im Ausland, berichtet die Bild-Zeitung mit Verweis auf die DIHK-Umfrage. Der Grund: Dort seien die Kosten geringer.
Abkehr von Investitionen von Unternehmen in Deutschland als „alarmierende Anzeichen“ einer „Deindustrialisierung“
Weniger als ein Viertel plant dagegen mehr Investitionen, 31 Prozent wollen diese zurückfahren. Nur 2003 und während der Finanzkrise hätten noch weniger Betriebe zur Produktionsausweitung investieren wollen, berichtete die DIHK bei der Vorstellung der Umfrageergebnisse am Donnerstag, 23. Mai 2024.
„Das sind alarmierende Anzeichen einer schrittweisen Deindustrialisierung“, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. „Wenn wir nicht zügig gegensteuern, verliert Deutschland seine industrielle Basis und damit die Grundlage für unseren Wohlstand.“ Es drohe eine „schleichende Abwanderung ganzer Industriezweige“.
Nur 28 Prozent der deutschen Unternehmen bewertet ihre Geschäftslage positiv
„Die aktuelle Lage der Unternehmen ist mau, in der Industrie sogar schlecht“, sagte der DIHK-Chef. „Die Hoffnung der letzten Monate, dass ein gutes Auslandsgeschäft oder eine wieder anziehende Inlandsnachfrage als Motor der heimischen Unternehmen wirken könnten, hat sich nicht bestätigt.“ Im Gegenteil hielten eine schwache Binnenkonjunktur und handfeste strukturelle Herausforderungen die Wirtschaft weiterhin im Griff.

Nur 28 Prozent der deutschen Unternehmen bewerten ihre Geschäftslage positiv. 23 Prozent beurteilen ihre Situation negativ. Im Vergleich zum Jahresbeginn ist das jeweils eine Verschlechterung um einen Prozentpunkt. Der Stimmungsindex der Industrie- und Handelskammer steht damit ebenfalls auf „pessimistisch“. Das Bild passt damit zu einer IW-Umfrage.
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Energie- und Rohstoffpreise, Fachkräftemangel und Arbeitskosten sind Risiken für Unternehmen in Deutschland
Ursache der schlechten Stimmung und Verlagerung der Investitionen ins Ausland sind auch Standortfaktoren in Deutschland. Als Geschäftsrisiken nennt mehr als die Hälfte der Unternehmen weiterhin Energie- und Rohstoffpreise, auch wenn der Anteil im Vergleich zur letzten Umfrage zum Jahresanfang um sechs Prozentpunkte zurückgegangen ist. Seit Jahresbeginn angewachsen ist der Anteil der Unternehmen, welche die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen als Geschäftsrisiko nennen. Inzwischen sind es 54 Prozent. Anfang 2023 waren es noch 41 Prozent. Eine Mehrheit der Unternehmen sieht zudem den Fachkräftemangel und Arbeitskosten als Risiko an.
„Aktuell gibt es keinerlei Anzeichen für einen Aufschwung“, sagte Wansleben gegenüber der Bild. „Die Unternehmen drohen zusehends, das Vertrauen in die Politik zu verlieren“. Auch Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, fordert deshalb, dass die Politik gute Standortbedingungen für Investitionen schaffen müsse. „Große Reformen müssen her und eine Willkommenskultur für Industriebetriebe“, sagte der Ökonom.
Industrie- und Handelskammer-Chef fordert „deutliche Aufbruchsignale“ durch die Politik
DIHK-Hauptgeschäftsführer Wansleben forderte angesichts der internationalen Lage und der Vielzahl der Krisen „deutliche Aufbruchssignale“ durch die Bundesregierung und die EU. „Diese müssen in Richtung unternehmerische Freiheit zeigen – also mehr Innovation und weniger Bürokratie bringen.“ Konkret nannte er Maßnahmen zur Beschleunigung des Breitbandausbaus, Industrie- und Windkraftanlagen sowie steuerliche Entlastungen. Christian Hartel, Vorstandsvorsitzender der Wacker Chemie AG, zeichnet ein düsteres Bild, wenn die Maßnahmen nicht eintreten. Ohne funktionierende Wirtschaft sei Deutschland nur noch für Touristen interessant, erklärte Hartel der Bild. (ms)
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