„Der starke Anstieg gibt mir sehr zu denken“: Merz-Ministerin plant strengere Cannabis-Regeln

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Cannabis auf Rezept, in wenigen Klicks: Geht es nach der Union, soll damit bald Schluss sein. Denn, so die CSU: „Leichtsinnige Menschen kommen leicht an guten Stoff.“

„Welche Symptome möchtest du behandeln?“, heißt es auf einer bekannten Online-Plattform für Cannabis-Rezepte. Es folgt ein Fragebogen mit vorgegebenen Antwortmöglichkeiten; sie gehen von chronischen Schmerzen, HIV oder Krebserkrankungen bis hin zu vermeintlich weniger gravierenden Symptomen wie Schlafproblemen oder Stress. Nach dem Absenden des Fragebogens erhält man innerhalb weniger Stunden ein Rezept für Cannabis, kann das gewünschte Produkt in einer Online-Apotheke auswählen und es sich nach Hause liefern lassen. Doch dies könnte sich bald ändern. Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) plant, den medizinischen Cannabis-Markt strenger zu regulieren.

Warken strebt ein Verbot des Versands durch Online-Apotheken an. Patienten sollen ihr medizinisches Cannabis künftig in einer örtlichen Apotheke abholen. Zudem soll die Verschreibung von medizinischem Cannabis erschwert werden. So braucht es nach dem Willen der Ministerin vor Verschreibung künftig ein verpflichtendes Vor-Ort-Gespräch mit einem Arzt. In der Regel findet dieses Gespräch derzeit per Video statt, nach Recherchen unserer Redaktion reicht bei einigen Anbietern jedoch bereits das Ausfüllen des Online-Fragebogens, um medizinisches Cannabis zu erhalten.

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Medizinal-Cannabisgesetzes: Das ist geplant

  • Verschärfung der Verschreibungsregeln für Cannabisblüten
  • Versandverbot für Cannabisblüten

Cannabis per Online-Rezept: „Leichtsinnige Menschen kommen leicht an guten Stoff“

Warken möchte diesen Status Quo ändern, da ihrer Meinung nach nicht nur Patienten, sondern auch Freizeitkonsumenten den medizinischen Markt nutzen. Der Bund deutscher Cannabispatienten sprach bereits kurz nach Inkrafttreten des Gesetzes von einer „Menge an Pseudo-Patienten“. Und der CSU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger meinte: „Die anonymen Versandapotheken tragen – wenn auch ungewollt – ihren Teil dazu bei, dass leichtsinnige Menschen leicht an guten Stoff kommen.“

Warken stützt sich auf Daten des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, die zeigen, dass „der Import von Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken vom ersten Halbjahr 2024 zum zweiten Halbjahr 2024 um 170 Prozent gesteigert“ wurde.

Da die von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bezahlten Cannabis-Rezepte im gleichen Zeitraum nur um neun Prozent zunahmen, liege die Vermutung nahe, „dass die steigenden Importzahlen insbesondere der Belieferung einer zunehmenden Anzahl an Privatrezepten von Selbstzahlern außerhalb der GKV-Versorgung dienen“.

Kritik an Warkens Cannabis-Entwurf: „Für Patienten wäre das eine Katastrophe“

Niklas Kouparanis, Cannabis-Unternehmer, sieht hier jedoch einen Trugschluss: „Das eigentliche Problem im medizinischen Cannabis-Markt ist ja, dass es sehr schwer ist, für Patienten überhaupt eine Kostenübernahme zu bekommen“, erklärt der Co-Gründer des Unternehmens Bloomwell im Gespräch mit dem Münchner Merkur von IPPEN.MEDIA. Viele Patienten zahlen das medizinische Cannabis aus eigener Tasche, da die Krankenkassen selten die Kosten übernehmen.

Die Mehrheit der Patienten, auch bei Bloomwell, finanziert ihr medizinisches Cannabis selbst. Laut einer von Bloomwell in Auftrag gegebenen Studie konsumieren 92 Prozent der Cannabis-Nutzer im medizinischen Markt aus medizinischen Gründen. Diese Ergebnisse basieren jedoch auf den Angaben der Konsumenten, weshalb die tatsächliche Zahl der Freizeitkonsumenten im medizinischen Markt höher sein könnte.

Die Frage bleibt, ob es problematisch ist, wenn Freizeitkonsumenten medizinisches Cannabis nutzen. Kouparanis meint: „Es gibt doch absolut keine Leidtragenden dadurch.“ Obwohl Rezepterschleichung strafbar ist, betont er: „Diese Menschen zahlen das aus eigener Tasche und bekommen medizinisch sauberes Cannabis. Das ist aus Gesundheitssicht immer noch besserer, als wenn sie sich mit verunreinigtem, gestrecktem Schwarzmarktcannabis versorgen.“ Ein Ziel des Gesetzes war die Eindämmung des Schwarzmarkts, was nun gefährdet sei. Kouparanis kritisiert den Entwurf von Warken als „drastischen und jeglicher Logik entbehrendem Vorschlag“ und warnt: „Für Patienten wäre das eine Katastrophe.“

Cannabis-Unternehmer Niklas Kouparanis zum Cannabis-Gesetz
Cannabis-Unternehmer Niklas Kouparanis (Bloomwell) kritisiert den Referentenentwurf und meint: „Für Patienten wäre das eine Katastrophe.“ © Bloomwell Group/fkn

Kouparanis befürchtet, dass der Warken-Entwurf „hunderttausende Patienten wieder in die Kriminalität“ dränge. „Das ist keine moderne Gesundheitspolitik, das ist verantwortungslos und treibt Patienten in den Schwarzmarkt.“ Andere Cannabis-Unternehmer wie Patrick Hoffmann, Vorstand von Cantourage, sprechen von einer „politischen Rolle rückwärts“. Er meint: „Wenn dieser Gesetzentwurf Realität wird, rechnen wir mit einem signifikanten Marktrückgang.“ Das wiederum bedeute auch einen „gestärkten Schwarzmarkt“. Ob das Gesundheitsministerium das genauso sieht, ist unklar. Eine entsprechende Anfrage dazu blieb unbeantwortet.

Warken zum Konsum von medizinischem Cannabis: „Der starke Anstieg gibt mir sehr zu denken“

Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums betont jedoch: „Bei der Behandlung mit Cannabisblüten ist unter anderem wegen Suchtgefahr, Nebenwirkungen und unerwünschter Arzneimittelwirkungen ein persönlicher ärztlicher Kontakt sinnvoll und geboten. Zudem muss der Patient über die Chancen aufgeklärt werden und explizit in die Behandlung einwilligen.“ Warken äußerte sich in der FAZ besorgt über die leichtfertige Ausstellung von Cannabis-Rezepten. Sie betonte, dass Medizinalcannabis „vermutlich eine bessere Qualität hat als auf der Straße“, aber „nicht für den normalen Konsum gedacht“ sei, sondern für Menschen mit schwerwiegenden Erkrankungen. „Der starke Anstieg gibt mir sehr zu denken.“

Primärarztsystem: Verbraucherschützer kritisieren den Plan von Gesundheitsministerin Nina Warken.
Nina Warken ist seit Mai 2025 Bundesgesundheitsministerin. Die CDU-Politikerin aus Baden-Württemberg saß zuvor seit 2013 im Bundestag und ist auch Vorsitzende der Frauen-Union. © IMAGO/Christian Ditsch

Die aktuelle Cannabis-Politik aus der Feder der Ampel-Koalition, die die Droge entkriminalisierte, aber kaum legale Bezugsquellen schuf, trägt dazu bei, dass auch Freizeitkonsumenten medizinisches Cannabis nutzen. Ursprünglich war die Abgabe in „lizenzierten Geschäften“ geplant, doch es kam zu einer Legalisierung-Light mit Selbstanbau und Anbauvereinigungen. Wer nicht selbst anbauen möchte und kein Mitglied in den seltenen und bürokratischen Cannabis-Clubs ist, hat keine legale Möglichkeit, Cannabis zu erwerben.

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Die Union würde das Cannabis-Gesetz am liebsten vollständig abschaffen, konnte sich jedoch in den Koalitionsverhandlungen nicht gegen die SPD durchsetzen. Der Koalitionsvertrag sieht eine Evaluation des Gesetzes vor, um die Auswirkungen auf Konsumverhalten, Schwarzmarkt und Konsum von Medizinalcannabis zu untersuchen. Der Drogenbeauftragte Hendrik Streeck, Parteifreund von Warken, erklärte im Juli im Interview mit unserer Redaktion, dass erste Ergebnisse im Herbst erwartet werden.

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