Ein kleines Senfkorn – mehr war es anfangs nicht. Was als Idee im Penzberger Werkraumverein begonnen hat, ist heute eine Hoffnungsschule für junge Menschen in Nigeria: Die Nähschule in Owerri. Ein Besuch von Father Gerald beim Verein zeigt, wie viel sich verändert hat.
Penzberg – Die ganze Welt dreht sich um Mode. Das mag nicht jeder so empfinden, für die 24-jährige Ihionu Chinelo Assumpta aus der Stadt Owerri im nigerianischen Bundesstaat Imo ist es aber die Realität. Die Schülerin der dortigen Nähschule hat Gerald Njoku, besser bekannt als Father Gerald, von ihrer Ausbildung berichtet. Der Pater wiederum erzählt bei seinem jährlichen Besuch beim Penzberger Werkraumverein von ihr und sieben weiteren Nähschülerinnen und Nähschülern – und wie sich die Schule entwickelt hat. Denn dort, in den Vereinsräumen an der Christianstraße, war 2018 die Idee für die Einrichtung in Nigeria entstanden. Nun werden insgesamt vier Ausbildungsrichtungen angeboten.
Besuch in Penzberg: Father Gerald aus Nigeria berichtet seinem Freundeskreis von der Nähschule in Owerri
Was mit einem „kleinen Senfkorn“ gestartet war, blüht nun „als respektable Schule“ sagt der Geistliche ergriffen. Bei Kaffee und Kuchen sitzt der Freundeskreis um Father Gerald zusammen. Waren die Gäste im strömenden Regen eingetroffen, reißt nun, als der Gast von seiner Heimat berichtet, die Wolkendecke auf.
Gerald Njoku hat 15 Jahre in Deutschland gelebt und in der Pfarrei in Mittenwald tätig war. 2018 ist er in seine Heimat Nigeria zurückberufen worden und zum Direktor der „JDPC“-Kommission für Frieden und Entwicklung ernannt worden. Begonnen hat das Nähschulprojekt, wie Mitinitiatorin Anette Völker-Rasor Revue passieren lässt, wie folgt: 2017 sind viele Flüchtlinge aus Nigeria nach Penzberg gekommen und haben von den Problemen in ihrer Heimat berichtet. Zusammen mit dem Geistlichen Father Gerald ist deswegen die Idee für die Nähschule entstanden.
Gerald Njoku hat damals den Gedanken des „Empowerment“, also des stark machens von jungen Menschen vor Ort, eingebracht – mit einem besonderen Ansatz: „Beginnen wir mit den jungen Frauen“, formuliert es Völker-Rasor. Sie sollen gestärkt werden, eine Ausbildung bekommen. So können sie ihre Familien ernähren und ihren Lebensunterhalt verdienen.
Von acht Schülerinnen zu einer großen Schule mit vier Ausbildungsrichtungen
Die erste Klasse ist 2018 mit nur acht Schülerinnen gestartet. Jetzt verkündet der Geistliche stolz: Es gibt nicht mehr nur die Ausbildung zur Näherin. Drei weitere Abteilungen wurden gegründet. Die jungen Menschen vor Ort können nun auch eine Ausbildung im IT-Bereich, als Dekorateur für Veranstaltungen oder als Tortenbäcker machen. Anfänglich wurde die Nähwerkstatt vom Werkraumverein über Spenden getragen. In den vergangenen sieben Jahren hat der Penzberger Verein dafür rund 34.000 Euro aufgebracht, rechnet Völker-Rasor vor. Seit 2021 trägt sich das Projekt selbst.
Eines ist jedoch geblieben: Für jede Absolventin spendiert der Verein eine eigene Nähmaschine. 2.000 Euro sind das jedes Jahr, sagt die Initiatorin der Rundschau. Auch heuer wird der Verein die Startausrüstung übernehme. Damit können die Absolventinnen direkt in das Arbeitsleben starten – viele machen sich nach der Ausbildung selbstständig.
Das Ausbildungszentrum in Owerri ist „ein Hort der Hoffnung“
Die Bedingungen in Nigeria sind weiterhin nicht leicht. Beispielsweise haben die USA sich laut Völker-Rasor aus der Entwicklungshilfe vor Ort zurückgezogen – besonders die medizinische Versorgung leidet darunter. Trotz, oder gerade wegen der Schwierigkeiten bleibt das Ausbildungszentrum „ein Hort der Hoffnung“, sagt Father Gerald. Dort würden „menschliche Würde zusammen mit wirtschaftlicher Stärkung und sozialer Veränderung gefördert“.
Ihn bestätigen auch die positiven Rückmeldungen zahlreicher Schüler. Die mitgebrachten Erfahrungsberichte lesen die Mitglieder bei dem Treffen laut vor. Wie eindringlich die Worte der jungen Menschen, wie eben der 24-jährigen Ihionu Chinelo Assumpta, sind, lässt sich an den Gesichtern der Zuhörer ablesen. Betroffen, gerührt und sicher stolz sind die Mitglieder des Freundeskreises – über die Situation vor Ort und den Erfolg ihres Projekts. Wie wichtig es ist, verdeutlichen die Worte der jungen Schülerin: „Diese Schule war meine einzige Wahl.“
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