„Das macht keinen Spaß mehr“ - Dachaus OB Florian Hartmann über schwachsinnige Bürokratie und knappe Kassen
Dachau – Halbzeit in der Legislaturperiode. Gelegenheit, sich zurückzulehnen, hatte die Dachauer Lokalpolitik in den vergangenen Monaten dennoch nicht. Die Coronakrise gerade erst überstanden, erschüttern nun die Energie- und Flüchtlingskrise das Dachauer Rathaus. Oberbürgermeister Florian Hartmann blickt im Interview mit der Heimatzeitung daher auf ein ereignisreiches Jahr zurück – das im Privaten mit der Geburt seines Sohnes seinen glücklichen Höhepunkt fand.
Herr Hartmann, die wichtigste Frage zuerst: Wie geht’s denn Ihrem Vitus?
Florian Hartmann: Dem geht’s wunderbar. Er wächst und gedeiht und macht uns viel Spaß. Und er schläft gut! Er ist also ein richtiges Einsteigerkind.
Was waren denn, neben der Geburt Ihres Sohnes im September, für Sie die Höhepunkte des abgelaufenen Jahres?
Zum einen die baulichen Themen. Der Kindergarten am Amperweg ist fertig, es gab Spatenstiche für die neue Turnhalle der Grund- und Mittelschule Dachau-Ost sowie die neue Kita in der früheren MD-Villa. Außerdem haben wir unser städtisches Klimaschutzkonzept verabschiedet, in das wir viel Zeit und Arbeit investiert hatten. Ein Meilenstein war aber sicher auch der Beschluss für unseren neuen Flächennutzungsplan, mit dem wir nun in das offizielle Verfahren einsteigen und der quasi unsere Vision für die Zukunft unserer Stadt darstellt.
Welche Ereignisse werden Sie dagegen als nicht so schön in Erinnerung behalten?
Die schrecklichen Ereignisse in Israel und der immer noch andauernde Krieg in der Ukraine. Beides wirkt sich auf die ganze Welt aus und trifft uns damit natürlich auch in Dachau. Rein lokal betrachtet gab es dieses Jahr mehrere Unwetterereignisse, die erhebliche Schäden in der Stadt angerichtet haben und deren Beseitigung uns lange gebunden hat. Wobei sich ein Vergleich der Dimensionen natürlich verbietet.
Unschön dürfte für die Stadt auch sein, dass Zieglerbräu-Wirtin Andrea Schneider aufhört und Sie nun einen neuen Pächter suchen müssen?
Wir wünschen uns natürlich, dass wir einen guten Nachfolger finden und der Betrieb nahtlos weitergeht. Allerdings gibt es in dem Gebäude einen erheblichen Sanierungsbedarf, gerade im Bereich Brandschutz. Da lassen wir gerade eine Machbarkeitsstudie erstellen. Solange die aber nicht fertig ist, tue ich mich schwer, ein Datum zu nennen, wann es beim Zieglerbräu wieder weitergeht.
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Ein Thema, das gerade alle Kommunen beschäftigt, ist die Flüchtlingskrise. Die Bereitschaft, Geflüchtete oder Asylbewerber unterzubringen, ist in den Dachauer Landkreis-Gemeinden aber äußerst unterschiedlich, oder?
Ob andere Gemeinden nicht mehr Menschen aufnehmen wollen oder können, weiß ich nicht. Klar muss aber sein, dass die Landkreisgemeinden untereinander solidarisch sein sollen und der Landkreis die Menschen so verteilen sollte, dass es passt.
Passt die Situation in Dachau noch? Oder sehen Sie sich am Ende Ihrer Kapazitäten?
Dazu muss man klar sagen: Die Stadt Dachau hatte sehr viele Jahre die einzige Flüchtlingsunterkunft im Landkreis, weshalb wir auch jahrelang allein für die Flüchtlingsunterbringung zuständig waren. In den letzten sechs, sieben Jahren haben wir dann aber, hochgerechnet auf die Einwohnerzahl, weniger Menschen aufgenommen als andere Gemeinden im Landkreis. Das lag vor allem an Grundstücksverfügbarkeiten beziehungsweise der Tatsache, dass es andernorts Flächen gab, wo man die Unterkünfte einfacher realisieren konnte. Grundsätzlich tun wir aber unser Bestes und versuchen zu helfen, wo es geht.
Neben den fehlenden Grundstücken verhindern aber auch die hohen Baustandards den Bau neuer Unterkünfte.
Das stimmt. Die Bauregeln gehören ausgemistet, und zwar generell, nicht nur für den Bau von Flüchtlingsunterkünften. Da gibt es Regelungen, die wirklich schwachsinnig sind. Die Stadtbau, die ja zuständig ist für den Bau von sozialem Wohnraum, kann ein Lied davon singen...
Beneiden Sie Ihre Amtsvorgänger manchmal? Die hatten mehr Geld und weniger Bürokratie.
Na ja, mehr Geld war vor allem deswegen da, weil einfach weniger gemacht wurde oder gemacht werden musste, Beispiel Kinderbetreuung. Aber klar, die Bürokratie – vor allem beim Vergaberecht – muss sich ändern. Sonst wird das langfristig der Ruin unserer Gesellschaft.
Das Vergaberecht besagt, dass Kommunen Bauaufträge von mehr als 10 000 Euro ausschreiben müssen. Was ist daran das Problem?
Dass Bauprojekte unkalkulierbar werden! Ein Unternehmer, der die Ausschreibung gewinnt, darf bei europäischen Ausschreibungen 99 Prozent der Leistungen an einen Subunternehmer weitergeben, da können Kommunen nichts dagegen tun! Klar gibt es bei Problemen zuständige Vergabekammern, aber bis die fertig geprüft haben, vergehen mehrere Monate. Und in der Zeit steht die Baustelle still! Im Rathaus haben wir vier Mitarbeiter, die nichts anderes tun als sich um Vergaben zu kümmern. Daher glauben Sie mir: Bauen macht keinen Spaß mehr.
Ein weiteres bürokratisches Schmankerl ist nach Ansicht vieler Landkreis-Kämmerer auch die seit Jahresbeginn geltende Umsatzsteuerpflicht für Gemeinden. Sehen Sie das ähnlich?
Ja, das ist auch so ein Thema. Für uns bedeutet das einen Riesenaufwand. Wobei ich mich frage: Wo ist denn der Schaden für die Bürger, wenn eine Gemeinde ein paar Tausend Euro mehr oder weniger Umsatzsteuer an die Bundesrepublik zahlt? Es gibt keinen Schaden, da das Geld bei den Gemeinden ja ohnehin der Gesellschaft zugute kommt! Mir wäre daher recht, wenn die Finanzämter bei Firmen wie Amazon genauso genau draufschauen würden wie bei uns Gemeinden.
Wenig erfreulich war zuletzt auch der Baufortschritt am Dachauer Hallenbad. Was ist dort der aktuelle Sachstand?
Die neuen Planer haben ihre Begutachtung des Baus abgeschlossen und für alle Probleme Lösungen erarbeitet. Gerade ist das vorläufige Ergebnis der Thermografie vorgelegt worden, mit der positiven Aussicht, dass es in der Fläche wohl keine wärmeundichten Stellen gibt. Grundsätzlich ist das Ziel, dass wir im Frühjahr 2024 weiterbauen.
Wie geht es mit dem Klimaschutzkonzept weiter?
Das ist derzeit zum Teil nicht finanzierbar, das muss man ganz klar sagen. Aus dem Grund haben wir bei den Haushaltsberatungen für 2024 auch beschlossen, den Stellenplan für die Stadtverwaltung entsprechend zu kürzen. Wenn ich keine Mittel für die energetische Sanierung der städtischen Gebäude und Liegenschaft habe, brauche ich dafür auch keine neuen Mitarbeiter. Das ist meines Erachtens nur konsequent.
Hätten Sie sich in diesem Punkt mehr Unterstützung von übergeordneter Stelle erhofft?
Natürlich! Aber leider hat der Freistaat den Klimaschutz als freiwillige Leistung der Kommunen definiert. Und für freiwillige Leistungen haben wir als Stadt immer weniger Mittel. Solange immer höheren Ausgaben nicht in gleichem Ausmaß steigenden Einnahmen gegenüber stehen, können wir vieles von dem, was wir eigentlich vorhatten, nicht mehr machen. Das ist Fakt.
Lassen Sie uns das Gespräch dennoch positiv enden. Worauf freuen Sie sich in 2024?
Familiär freue ich mich natürlich auf die Taufe meines Sohnes. Und ich freue mich auf alle Veranstaltungen – egal ob Kultur, Sport oder unser Volksfest – wo Menschen zusammenkommen und sich austauschen. Das tut unserer Gesellschaft gut.
Interview: Stefanie Zipfer