Jubiläumsfest an der Kirche: Die Jachenau feiert ihre Glocken

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Auch im Ersten Weltkrieg mussten die Jachenauer dabei zusehen, wie die Glocken vom Kirchturm herabgelassen wurden. Das Bild stammt aus dem Jahrt 1917. © Pfarrarchiv Jachenau

Ein trauriges Kapitel der Jachenauer Kirchengeschichte und dessen letztlich glücklicher Ausgang stehen im Mittelpunkt eines besonderen Festtags in der Jachenau.

Jachenau – In der Jachenau wird am Sonntag, 20. Oktober, das Jubiläum der Kirchenglocken gefeiert. Vor 75 Jahren wurden die jetzigen Glocken geweiht und in der Pfarrkirche St. Nikolaus installiert. Zuvor waren vier der fünf Glocken, wie in vielen anderen Orten auch, während des Zweiten Weltkriegs abgehängt und zur Waffenherstellung eingeschmolzen worden.

Jachenauer Chronik berichtet von der Geschichte der Glocken

Über die Geschichte der Jachenauer Glocken ist einiges in der Ortschronik von Jost Gudelius nachzulesen. Demnach stammt die früheste Erwähnung einer Kirchenglocke in der Jachenau von 1690. Für 1827 sind dann zwei Glocken dokumentiert.

1874 wurden laut Chronik die früheren zwei Glocken umgegossen. Daraus entstand ein vierteiliges Geläut, das 1875 geweiht und aufgezogen wurde. Zusätzlich wurde eine große Glocke gegossen, die der „Jüngling Kaspar Orterer“ aus Ort gestiftet hatte.

1921 feierten die Jachenauer ihre neuen Glocken. Doch auch diese wurden als Material für die Rüstungsindustrie zweckentfremdet.
1921 feierten die Jachenauer ihre neuen Glocken. Doch auch diese wurden später als Material für die Rüstungsindustrie zweckentfremdet. © Pfarrarchiv Jachenau

Erstmals zu Kriegszwecken abgenommen wurden die Glocken am 27. Juni 1917. Bei der Vorbereitung des „Glockenfests“ blättern Pfarrsekretärin Eva Rinner und Mesnerin Elisabeth Engelmann während des Gesprächs mit unserer Zeitung in einem Album aus dem Pfarrarchiv mit historischen Postkarten und Fotos. Darauf ist zu sehen, wie die Glocken aus dem Kirchturm geholt werden und über den Köpfen einiger Menschen, die dabei zuschauen, an Seilen Richtung Boden schweben.

Henriette von Schirach ließ nach den Glocken fahnden

Ersetzt wurden die Glocken 1921 – doch nicht für allzu lange Zeit. „Wie im I. so wurde auch im II. Weltkrieg die Kirche mit Ausnahme der Hohen-D-Glocke von 1921 wieder ihrer kostbaren Glocken beraubt“, schreibt Gudelius in der Chronik. Abgehängt wurde die Glocken am 18. Mai 1944 während des Gottesdienstes an Christi Himmelfahrt.

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Nach dem Verbleib der Glocken fahndete im Auftrag des Jachenauer Pfarrers Joseph Conrad in der Folge Henriette von Schirach. Sie war die Ehefrau der Nazi-Größe Baldur von Schirach. Der Reichsjugendführer und Gauleiter in Wien hatte sie 1944, nach dem ersten schweren Luftangriff auf Wien, auf seinen Landsitz Schloss Aspenstein in Kochel am See geschickt. Nach Ende des Krieges musste Henriette von Schirach Schloss Aspenstein verlassen und wurde mit ihren vier Kindern zunächst in einem Forsthaus in der Jachenau untergebracht. Später wohnte sie im Gasthaus Jachenau. Nach den Jachenauer Glocken ließ Henriette von Schirach mithilfe ihrer guten Verbindungen in Hamburg suchen – vergeblich.

Jachenauer tauschen Schnittholz gegen Metall für Glocken

Nach dem Krieg mussten vier neue Glocken her. Das Metall dafür erhandelten die Jachenauer im Tausch gegen 120 Kubikmeter Schnittholz von der Pfarrei St. Maximilian in München. Zudem bewilligte der Gemeinderat 1000 Mark. Gegossen wurden sie in den Tonarten d, fis, a und h. Seit 1955 gibt es ein elektrisches Glockengeläut.

Kirche St. Nikolaus Jachenau
Die seltene Gelegenheit, in den Kirchturm von St. Nikolaus aufzusteigen, gibt es am Sonntag, 20. Oktober. © Andreas Steppan

Im Alltag der Jachenau spielen die Glocken nach wie vor eine bedeutende Rolle, wie Eva Rinner, Elisabeth Engelmann und Pfarrer Gracious Naralakkattukunnel im Gespräch berichten. Sie läuten täglich um 6 Uhr früh und um 8 Uhr abends, zudem am Freitag um 11 Uhr und beim Feierabendläuten am Samstag um 3 Uhr nachmittags und geben so ein Stück weit den Takt des Alltags vor.

Ist ein Mensch in der Jachen㈠au gestorben, läutet die große D-Glocke. „Man fragt dann nach, wer gestorben ist, zum Beispiel im Pfarrbüro oder im Dorfladen“, sagt Eva Rinner. Das helfe, die Nachricht bis zur Beerdigung zu verbreiten, an der in der Jachenau meist mindestens eine Person von jedem Anwesen teilnimmt. (ast)

Jubiläumsfeier 75 Jahre Kirchenglocken

An die geschichtlichen Ereignisse rund um die Glocken erinnert am Sonntag, 20. Oktober, eine Fotoausstellung. Dafür können die Organisatoren auf den Fundus von Anton Kohlhauf zurückgreifen, der, als einst der frühere Jachenauer Pfarrhof abgerissen wurde, über 300 Negative von Pfarrer Conrad rettete und sichtete. „Zur 700-Jahr-Feier unserer Kirche habe ich einige davon entwickelt“, berichtet er. Außerdem gibt es kommenden Sonntag nach dem 9-Uhr-Gottesdienst einen Frühschoppen mit Bewirtung – bei schönem Wetter im Freien, bei Regen im Pfarrstüberl. Eine weitere Besonderheit: Es werden Führungen auf den sonst für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen Turm der Kirche St. Nikolaus angeboten, wo die Besucher die Glocken besichtigen können.

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