Zeichen auf Ampel-Aus? FDP fordert harte Einschnitte: „Liest sich wie Austrittserklärung“

  1. Startseite
  2. Politik

KommentareDrucken

Die FDP forderte drastische Änderungen in der Sozialpolitik – und belastet das Ampel-Bündnis weiter. Die Opposition macht sich für ein Ende der Regierung bereit.

Berlin – Seit Monaten kriselt es in der Ampel-Koalition. Gerade aus der FDP kommen immer wieder Stimmen, die ein Ausscheiden aus dem Regierungsbündnis fordern. Nun haben die Liberalen ein Beschlusspapier „zur Beschleunigung der Wirtschaftswende“ vorgelegt, das Aufhorchen lässt. Sogar ein Ende der Bundesregierung soll im Raum stehen.

Das zwölf Punkte umfassende Papier sieht unter anderem eine Abschaffung der Rente mit 63 Jahren, steuerliche Vorteile für das Leisten von Überstunden und Bürokratieabbau vor. Harte Forderungen, die die Ampel weiter belasten dürften.

FDP berät über Papier: Partei in Umfragen schwach

Am Montag (22. April) will die FDP ab 10 Uhr in einer Präsidiumssitzung über das Papier beraten. Eine Pressekonferenz mit Generalsekretär Bijan Djir-Sarai und Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Spitzenkandidatin zur Europawahl, ist für 11.30 Uhr geplant. Wird das Papier beschlossen, soll es den Delegierten beim Bundesparteitag in Berlin am kommenden Wochenende vorgelegt werden.

Nach der Bundestagswahl 2021, bei der die FDP elf Prozent der Stimmen holte, wird die Partei immer unbeliebter. In aktuellen Umfragen dümpeln die Liberalen auf etwa fünf Prozent. Ob es die FDP bei einer neuen Bundestagswahl ins Parlament schaffen würde, ist ungewiss. Viele in der Partei machen die Politik der Ampel-Koalition für die schwachen FDP-Werte verantwortlich.

Finanzminister Christian Lindner (l., FDP), Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (m., Die Grünen) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei einer Debatte im Bundestag.
Krise in der Ampel-Koalition: Finanzminister Christian Lindner (l., FDP), Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (m., Die Grünen) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei einer Debatte im Bundestag. © Kay Nietfeld/dpa

SPD-Kritik an FDP: Forderungen „nicht auf der Höhe der Zeit“

Bis zur Kritik von Koalitionspartnern dauerte es nicht lange: „Es ist richtig, dass wir etwas tun müssen, um die Wirtschaft anzukurbeln, Arbeitsplätze hier im Land zu sichern und neue zu schaffen“, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil der Bild. „Dafür tragen wir in der Regierung gemeinsam Verantwortung. Wenn die FDP aber glaubt, dass es der Wirtschaft besser geht, wenn es Handwerkern, Krankenschwestern oder Erzieherinnen schlechter geht, dann irrt sie gewaltig.“

Man lasse nicht zu, „dass Politik auf dem Rücken derjenigen gemacht wird, die hart arbeiten und das Land am Laufen halten. Wer 45 Jahre lang in Krankenhäusern, Kitas oder auf dem Bau für unser Land schuftet, hat ein Recht auf eine abschlagsfreie Rente. Das bleibt.“ Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Sozialexperte Helge Lindh sagte der Bild: „Wenn die FDP das ernst meinen würde – also jetzt umzusetzen gedenkt – dann liest sich das Papier wie eine Austrittserklärung aus der Koalition.“

Fraktionschef Rolf Mützenich nannte die Forderungen der FDP „ein Überbleibsel aus der Mottenkiste und nicht auf der Höhe der Zeit“. Generalsekretär Kevin Kühnert griff den Koalitionspartner im Tagesspiegel frontal an: „Die SPD lässt nicht zu, dass unser Land mit dem Fingerspitzengefühl von Investmentbankern geführt wird. Grundlage der Ampel-Koalition ist und bleibt der Koalitionsvertrag.“

Union sieht „Scheidungsurkunde für die Ampel“

Die Opposition bringt sich in Stellung und scheint sich auf ein Ende der Ampel-Koalition vorzubereiten. Die Union macht sich dabei stark für die Forderungen der FDP. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte, „das Papier liest sich wie ‚Lambsdorff 2.0‘.“ Er spielte damit auf das Konzept des damaligen Wirtschaftsministers Otto Graf Lambsdorff (FDP) in der sozialliberalen Koalition unter Kanzler Helmut Schmidt (SPD) an. Das Papier aus dem Jahr 1982 machte eine Reihe von Vorschlägen für eine „Überwindung der Wachstumsschwäche und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit“ – und ist als „Scheidungsbrief“ in die Geschichte eingegangen. Wenige Tage später, am 1. Oktober 1982, wurde Helmut Kohl (CDU) mit einem konstruktiven Misstrauensvotum zum neuen Bundeskanzler gewählt. 

Linnemann forderte die FDP auf, „sich ehrlich zu machen“ – entweder steige sie aus der Ampel aus oder setze wichtige Maßnahmen um. Auch Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder sprach von einer „Scheidungsurkunde für die Ampel“, wie die Bild am Sonntag zitierte.

Ampel vor dem Aus? Wagenknecht fordert Neuwahlen noch in diesem Jahr

Sahra Wagenknecht (BSW) fordert derweil Neuwahlen zum 1. September. Auch sie spricht von „Scheidungspapieren der Ampel“. Doch „für ein Trennungsjahr bis Ende 2025 hat das Land keine Zeit“. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) solle dem Parlament die Vertrauensfrage stellen. Am 1. September finden in Thüringen und Sachsen Landtagswahlen statt. Wagenknecht sagte, die Bürger sollten die Chance bekommen, den „Ampel-Spuk abzuwählen“.

Noch keine Reaktion gab es am Montagmorgen von den Grünen. Auf Anfrage verschiedener Medien hat die Partei das FDP-Papier zunächst kommentieren wollen.

Linken-Chef Martin Schirdewan sprach von einem „Dokument der sozialen Grausamkeit“. Es brauche jetzt „keine neoliberale Rolle rückwärts, sondern endlich eine Zeitenwende für soziale Gerechtigkeit“, sagte Schirdewan der dpa. (lrg/dpa)

Auch interessant

Kommentare