Nicht nur die CDU: Wie deutsche Parteien im Osten mit der AfD Politik machen
Kommunalpolitiker in Ostdeutschland haben in den vergangenen vier Jahren 121 Mal mit Rechten zusammengearbeitet. Eine Politikwissenschaftlerin hat eine Idee, woran das liegt.
Außer in Berlin sind in allen ostdeutschen Bundesländern 2024 Kommunalwahlen. „Bei denen steht der Faschismus buchstäblich vor der Tür“, mahnt die Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS). Sie hat untersucht, wie demokratischen Parteien im Osten seit den vergangenen Kommunalwahlen 2019 mit der extremen Rechten kooperiert haben. BuzzFeed News Deutschland, ein Portal von IPPEN.MEDIA, hat die Ergebnisse der Studie vorliegen.
Von 2019 bis Ende 2023 gab es in den ehemaligen ostdeutschen Bundesländern auf kommunaler Ebene 121 Fälle von formaler Zusammenarbeit mit rechten Parteien wie der AfD. Spitzenreiter war Sachsen, die häufigste Form der Kooperation war das gemeinsame Abstimmungsverhalten, in den meisten Fällen auf Initiative der AfD hin.
„Brisant“, findet die Politikwissenschaftlerin Anika Taschke bei einer Pressekonferenz der RLS am Mittwoch, 13. März. „Die verbreitete Erzählung, dass extrem rechten Anträgen nicht zugestimmt wird, ist also empirisch nicht zutreffend.“

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Wie demokratischen Parteien mit AfD und Co. kooperieren
Nicht nur bei Abstimmungen kooperierten demokratischen Parteien in Ostdeutschland mit AfD, NPD, der III. Weg und Co: Auch bei Personenwahlen oder der Gründung von Gremien, Gemeinderäten und Zählgemeinschaften machen sie gemeinsame Sache, sagt Taschke. Sie ist Referentin für Neonazismus und Strukturen der Ungleichwertigkeit bei der RLS. Das erkläre auch, warum es direkt nach den Kommunalwahlen 2019 besonders viel Zusammenarbeit gegeben habe.
Zum Beispiel in Gohrisch (Sachsen). Dort entstand unmittelbar nach der Kommunalwahl 2019 eine Fraktion aus vier Personen, bestehend aus einmal Bündnis 90/Die Grünen (parteilos), einmal AfD (von zwei AfD-Abgeordneten), zweimal CDU (parteilos). „Bei den bevorstehenden Kommunalwahlen im Juni 2024 erwarten wir, solche Kooperation vermehrt zu sehen“, sagt Steven Hummel, Bildungsreferent bei der RLS.

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„Alle im Bundestag vertretene Parteien haben mindestens einmal mit der AfD zusammengearbeitet“
Hauptkooperationspartner von rechten Parteien auf kommunaler Ebene war laut der Studie die CDU (52 Fälle). Aber auch die FDP (22), SPD (13), die Linke (10) und Bündnis 90/Die Grünen (5) kooperierten mit extremen Rechten. „Wir müssen ganz klar sagen: Alle im Bundestag vertretene Parteien haben mindestens einmal mit der AfD zusammengearbeitet“, sagt Taschke.
„Überrascht hat mich das nicht“, sagt sie auf Nachfrage von BuzzFeed News Deutschland. „Wir beobachten seit Jahren, dass es immer wieder zur Zusammenarbeit kommt, nicht nur in ostdeutschen Bundesländern.“ Ein Beispiel hierfür sei die Wahl des NPD-Mannes Stefan Jagsch 2019 zum Ortsvorsteher in einem kleinen Ort in Hessen. Hier habe niemand anders zur Wahl gestanden und niemand hingeschaut, erst aufgrund des Drucks von Presse und Zivilgesellschaft sei Jagsch wieder abgewählt worden.
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Zusammenarbeit mit AfD auch „gewisser Überforderung“ geschuldet
„Oft gibt es auf kommunaler Ebene, wo viele Menschen ehrenamtlich tätig sind, auch einfach eine gewisse Überforderung“, sagt Taschke. Darüber wolle die Studie aufklären und demokratischen Politikern und Parteien noch einmal verdeutlichen, sich stärker von der AfD abzugrenzen.
„Damit die Brandmauer hält, braucht es eine klare Haltung gegen rechts und ein klares Einstehen für Werte“, sagt die Politikwissenschaftlerin. Denn mit der Kooperation einherginge eine gewisse „Normalisierung“ von rechten Parteien und ihren Inhalten. Das werde auch am privaten Umgang der Politiker untereinander deutlich. Bei der NPD habe es damals mehr Berührungsängste gegeben, bei der AfD sei die Hemmschwelle wesentlich kleiner.
„Kanu-Ausflüge oder ein gemeinsames Bier nach der Radfahrt haben wir nicht untersucht, weil sie sehr schwierig zu erheben sind“, sagt Taschke. Sie gehe davon aus, dass es hier einige Berührungspunkte gebe und die Dunkelziffer bei der kommunalen Zusammenarbeit mit der AfD sehr groß sei. Auch in den westdeutschen Bundesländern vermute die RLS einige Fälle von Kooperationen mit rechten Parteien und hoffe, sich diese in weiteren Studien anschauen zu können.
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