Warum AfD-Verbot und Protestaktionen Rechtsextremen in die Karten spielen

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Zehntausende gehen bei Anti-AfD-Demos auf die Straße. Aber Verbots-Debatten und Protestaktionen gegen Björn Höcke könnten rechtsextremen Kräften nutzen, sagt ein Politologe.

Berlin – Seit ein paar Tagen ist die oft gescholtene schweigende Mehrheit laut: Zehntausende sind in vielen Städten auf die Straße gegangen, um auf Demos gegen die AfD zu protestieren. Anlass sind Berichte über ein AfD-Geheimtreffen, bei dem es unter anderem um die Vertreibung von Migranten und politisch Andersdenkenden ging.

AfD-Verbot und Protest-Aktion gegen Björn Höcke

Für Aufsehen sorgte zuletzt eine Petition, dem rechtsextremen Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke die Grundrechte zu entziehen. Auch die Debatte um ein AfD-Verbot ist erneut entfacht. Der Politikberater Johannes Hillje glaubt: Diese Ideen könnten womöglich ausgerechnet den Rechtsextremisten in die Karten spielen.

„Ich bin mir nicht so sicher, ob das klug ist, wie die Debatte gerade geführt wird. Es besteht die Gefahr, dass es der AfD am Ende nützt“, so Hillje im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. Denn vor allem der Zeitpunkt sei schwierig und zu sehr situationsgetrieben. „Ich finde es nicht zielführend, vor den Landtagswahlen in Ostdeutschland öffentlich zu spekulieren, was oder wen man verbieten könnte.“ Bis zu den Landtagswahlen sei ein solches Verfahren ohnehin nicht durchführbar. „Das Signal: Den politischen Gegnern fällt nichts anderes als Verbotsverfahren ein“, so Hillje.

Gestärktes Selbstbewusstsein von Rechtsextremen

Er beobachte aktuell ein gestärktes Selbstbewusstsein von Rechtsextremen, nicht nur in Deutschland. So hatte jüngst eine Versammlung von Neofaschisten in Italien für Empörung gesorgt, Hunderte zeigten dort den Hitlergruß. „Sie fahren die strategische Selbstverharmlosung punktuell zurück und sprechen ihre radikalen Positionen klarer aus“, so Hillje. Eine Art rechter Enthemmung, europaweit.

AfD sendet Doppelbotschaften

Das gelte auch für die AfD und ihre Reaktionen auf die Berichte vom Geheimtreffen: „Die AfD sendet Doppelbotschaften. Sie beschwichtigt zwar, distanziert sich aber nicht politisch. So will man einerseits in der Mitte anschlussfähig sein, andererseits aber der Kernwählerschaft sagen: Ja, genau für diese rechtsextremen Positionen stehen wir.“

AfD schon 2019 Arm in Arm mit Neurechten der Identitären Bewegung

Dass es eine Vernetzung der Partei mit rechtsextremen Kräften gibt, hat viele nach der Geheimtreffen-Enthüllung nicht überrascht. Tatsächlich konnte man schon 2019 AfDler und Neurechte aus dem Dunstkreis der Identitären Bewegung Arm in Arm sehen, wie sie beim Italiener in Erfurt gemeinsam die Landtagswahlergebnisse feierten. 23,4 Prozent der Stimmen holte die Thüringer AfD mit Björn Höcke damals. In diesem Jahr könnten es deutlich mehr werden: In Umfragen lag die Partei in dem Bundesland zuletzt bei 36 Prozent. Auch in Sachsen und Brandenburg, wo 2024 ebenfalls gewählt wird, stehen die Blauen bei über 30 Prozent.

AfD-Demos in vielen Städten: „Konkretisierung von Deportationsplänen hat neue Qualität“

Ein Bundesland unter rechtsextremer AfD-Regierung: Das ist plötzlich denkbar. Dies dürfte wohl ein Grund für den breiten Widerstand sein, der sich gerade in vielen Städten formiert. Ein zweiter Grund: „Die Konkretisierung von Deportationsplänen hat eine neue Qualität“, sagt Johannes Hillje. „Einer Mehrheit wird klar: Es geht nicht nur um Abschiebung ausreisepflichtiger Personen, sondern auch um die Abschiebung von Menschen mit Migrationshintergrund und politisch andersdenkenden Staatsbürgern.“ Das erschreckt offenbar viele bis ins Mark.

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