Landtagswahlen 2024 in Sachsen, Thüringen, Brandenburg: Was passiert, wenn die AfD Teil der Regierung wird?

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Experten erklären Folgen einer AfD-Regierung – und wo sogar „Verfassungskrise“ drohen könnte

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Bei drei Landtagswahlen 2024 könnte die AfD stärkste Kraft werden. Das hätte Folgen – nicht nur in der Politik, sondern auch auf den Alltag vieler Menschen, sagen Experten.

Berlin – Was wäre, wenn: Mit diesen drei Wörtchen beginnt jedes Gedankenspiel. Im Osten der Republik könnte aus dem Spiel bald Ernst werden: Was wäre, wenn Rechtsextreme ein deutsches Bundesland regieren? In Thüringen, Sachsen und Brandenburg sind 2024 Landtagswahlen – und in allen drei Ländern wäre die AfD mit jeweils über 30 Prozent laut jüngsten Forsa-Umfragen aktuell stärkste Kraft. Besonders gut schneidet die Partei in Thüringen ab (36 Prozent).

Nach AfD-Geheimtreffen: Was, wenn die Partei regieren würde?

Der Verfassungsschutz stuft die Partei dort und in Sachsen als rechtsextrem ein und zuletzt sorgten Berichte über ein konspiratives Treffen zwischen AfDlern und Rechtsextremisten für Aufsehen, bei dem die Vertreibung von Migranten aus Deutschland diskutiert wurde. Was wären die Folgen, wenn die AfD Teil einer Landesregierung würde?

AfD bei Landtagswahl 2024: „Negative Konsequenzen für gesellschaftliche Minderheiten“

Ein Blick auf die Erfahrungen mit rechtspopulistischen Regierungen in Polen und Ungarn bietet erste Anhaltspunkte. „In diesen Ländern haben rechtspopulistische Regierungen formale demokratische Institutionen zu ihren Gunsten verändert“, sagt Lukas Stötzer, Politologe an der Uni Witten/Herdecke. „Ähnliche Reformen könnten von AfD-Landesregierungen angestrebt werden, womöglich beginnend mit der Kappung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.“

Das wäre nur der Anfang. „Es ist wichtig, auch die Auswirkungen auf informelle demokratische Normen zu berücksichtigen. Durch die Teilung der Gesellschaft in loyale Anhänger und als verräterisch betrachtete Gegner schüren Rechtspopulisten Vorbehalte und fördern die Erosion sozialer Normen“, sagt Stötzer. Studien zufolge führe der Erfolg von Rechtspopulisten dazu, dass Menschen fremdenfeindliche Überzeugungen eher öffentlich äußern und andere Personen für solche Äußerungen nicht kritisieren würden. „Ein solches Umfeld kann erhebliche negative Konsequenzen für gesellschaftliche Minderheiten haben und unter anderem zu erhöhten gewalttätigen Übergriffen führen“, so Stötzer.

Experte: AfD könnte „im optimistischsten Szenario“ moderater werden

Politikwissenschaftler Jakob Lempp von der Hochschule Rhein-Waal in Kleve sieht noch eine andere Möglichkeit. „Im optimistischsten Szenario würde sich die AfD in der Regierungsverantwortung moderater zeigen, als sie es im Wahlkampf tut.“ Dort seien Kompromisse oft nötig, die AfD könnte große Teile ihres Wahlprogramms dann kaum umsetzen, glaubt Lempp. „Interessant ist auch, dass die Wahlprogramme der AfD bei vielen Landtagswahlen eher auf bundespolitische Themen fokussiert waren. Diese dann in der alltäglichen Landespolitik umzusetzen, ist natürlich kaum möglich.“

AfD in Thüringen gesichert rechtsextremistisch: „Es käme zu einer Verfassungskrise“

Aber: Was, wenn die AfD dann in einem Bundesland modellhaft vorführen will, was sie bundespolitisch umsetzen würde? Sowohl in Sachsen als auch in Thüringen ist die AfD vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Sprich: Man muss davon ausgehen, dass die AfD die freiheitliche demokratische Grundordnung, also den Kern der Verfassungsordnung in Deutschland, dort im Grunde nicht akzeptiert. „Sollte eine AfD-Landespolitik am Ende gegen die Verfassungsordnung in Deutschland gerichtet sein, käme es zu einer Verfassungskrise“, folgert Politologe Jakob Lempp.

Wie hoch ist denn die Wahrscheinlichkeit, dass die AfD tatsächlich in eine ostdeutsche Landesregierung einzieht? Immerhin: Zur Bildung einer Regierung bräuchte sie nach aktuellem Stand wohl einen Koalitionspartner, den sie kaum finden dürfte. „Hierbei wird es vor allem auf die demokratischen Parteien ankommen, die selbst gegen eine erstplatzierte AfD eine Koalitionsmehrheit organisieren könnten“, sagt Politikexperte Lukas Stötzer. Die Rolle der Union sei dabei zentral. „Derzeit besteht auf Bundesebene noch eine Brandmauer der CDU in Form einer Kooperationsabsage, was eine Regierungsbeteiligung der AfD derzeit unwahrscheinlich erscheinen lässt“, so Stötzer.

Demo gegen AfD: Tausende auf der Straße

Derweil formiert sich lauter Protest gegen die AfD: In mehreren deutschen Städten sind tausende Menschen gegen die Partei auf die Straße gegangen. An einem Protestzug in Essen nahmen am Montagabend nach Polizeiangaben rund 6.700 Demonstranten teil. Ähnliche Bilder auch im Osten der Republik: In Leipzig waren 6000 bei einer Demo gegen die AfD, in Rostock protestierten rund 2500 Menschen.

Debatte um AfD-Verbot: Wie entwickelt sich die Partei?

Zumindest in Thüringen gibt es zudem noch einen wichtigen personellen Faktor: Die allgemeine Beliebtheit von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) ist nach wie vor hoch. Eine Mehrheit der Thüringer kann sich Björn Höcke als Landesvater indes eher nicht vorstellen. „Aber sollte die AfD wirklich deutlich über 30 Prozent der Stimmen erlangen und stärkste Kraft in Sachsen, Thüringen oder Brandenburg werden, dann hätte das weitreichende Folgen für die Politik in Deutschland“, sagt Jakob Lempp. Selbst ohne Regierungsbeteiligung stellte sich die Frage: Kann die AfD langfristig von der Regierungsverantwortung ausgeschlossen werden? Und wie steht es um ein mögliches AfD-Verbot?

Lempps Antwort: „Es kommt dann vermutlich auf die AfD an: Radikalisiert sie sich noch weiter, dann droht irgendwann ein Parteiverbotsverfahren. Versucht sie dagegen, mit eher gemäßigter Politik den Weg ins etablierte Parteienspektrum zu finden, dann verliert sie ihren Sonderstatus bei jenen Wählern, die die AfD gerade deshalb unterstützen.“

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