Putins Spiel auf Zeit: Russland-Experten entlarven Gipfel-Taktik

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Experten haben große Zweifel, dass Russland trotz des Gipfel-Angebotes wirklich zu einem Waffenstillstand bereit ist. Manche wähnen vielmehr eine List Wladimir Putins.

Moskau – Will Wladimir Putin im Ukraine-Krieg wirklich eine Waffenruhe? Oder gar persönliche Verhandlungen mit Wolodymyr Selenskyj, wie vom ukrainischen Staatsoberhaupt und von Donald Trump angeboten? Selenskyj, Trump sowie europäische Staats- und Regierungschefs hatten diesen Vorschlag an Putin auf dem Gipfel von Washington verabredet.

Moskau-Machthaber: der russische Autokrat Wladimir Putin.
Moskau-Machthaber: der russische Autokrat Wladimir Putin. © IMAGO / ZUMA Press Wire

Bis Mittwochnachmittag, Stand 15 Uhr, antwortete Moskau nicht mit Ja oder mit Nein. Bezeichnend: Kanzler Friedrich Merz (CDU) hatte auf der Pressekonferenz zum Washington-Treffen gemeint: „Ob der russische Präsident den Mut haben wird, zu einem solchen Gipfel (mit Selenskyj, d. Red.) zu kommen, das wissen wir nicht.“ Putins Außenminister erklärte im Staatsfernsehen, dass Russland „prinzipiell für jedes Gesprächsformat offen“ sei. Sergei Lawrow sagte aber auch: „Alle Kontakte unter Beteiligung der Staatschefs müssen äußerst sorgfältig vorbereitet werden“.

Will Wladimir Putin Wolodymyr Selenskyj treffen? Russland-Experten sind skeptisch

Man müsse „Schritt für Schritt, beginnend auf Expertenebene und höher, alle notwendigen Phasen zur Vorbereitung der Gipfeltreffen durchlaufen“. Die Skepsis unter Osteuropa-Experten, dass es jetzt sicher zu einem Zweier-Gipfel kommt, ist groß. „Nein, ich glaube das überhaupt nicht. Ich sehe darin eher ein taktisches Manöver Putins“, meinte etwa ZDF-Moskau-Korrespondent Armin Coerper in einer Analyse für das „heute journal“: „Mein Eindruck ist: Putin ist bereit, sich mit Trump und Selenskyj zu treffen.“ Also zu Dritt.

Zwar habe Putin am Montag (18. August) „angeblich in dem Telefonat mit Trump überraschend vorgeschlagen, er wolle sich zuerst alleine mit Selenskyj treffen. Ich sehe das nicht, dass das wirklich stattfinden wird“, sagte der Journalist. Er denke, Putin versuche durch sein Zögern „Zeit zu gewinnen, um in der Ukraine weiter militärisch vorrücken zu können.“ Coerper: „Und vor allem: Er muss gar nicht selber hinfahren. Denn aus dem Kreml hieß es jetzt schon, man habe einem bilateralen Treffen zugestimmt, da ist von dem Präsidenten gar keine Rede mehr.“

Prof. Gerhard Mangott, Politikwissenschaftler der Universität Innsbruck, verwies im „heute journal“ auf regionale russische Offensiven im Süden der leidgeprüften Ukraine: „Russland ist dort militärisch auf dem Vormarsch, immer schneller, jedenfalls stetig. Das ist auch der Grund, warum Russland einen Waffenstillstand, was die Europäer und die Ukrainer dringend fordern, ablehnt. Weil das Russland das militärische Momentum nehmen würde. Und dazu ist Russland nicht bereit.“

Ukraine-Krieg: Russlands Armee ist im Donbass und im Süden auf dem Vormarsch

Was mit militärischem Vormarsch auch gemeint ist: Die russische Armee konnte zuletzt sowohl im Raum Pokrowsk als auch östlicher bei Torezk und nördlicher bei Lyman, jeweils im Donbass gelegen, Gebietsgewinne erzielen. Darauf lassen laut Institute for the Study of War (ISW) geolokalisierte Aufnahmen schließen. Besonders bei Pokrowsk wird demnach weiter heftig gekämpft. Jüngst waren russische Einheiten laut Zeit nordöstlich von der ehemaligen Industriestadt hinter ukrainische Verteidigungslinien in Richtung Dobropillja vorgestoßen.

August 2025: Soldaten der russischen Armee trainieren in der ukrainischen Region Saporischschja für die Gefechte.
August 2025: Soldaten der russischen Armee trainieren in der ukrainischen Region Saporischschja für die Gefechte. © IMAGO / ZUMA Press

Ukrainische Verbände hätten jedoch zu Gegenangriffen angesetzt und die Siedlungen Doroschnje sowie Nykanoriwka zurückerobert. Wie das ZDF berichtet, verzeichnen die Russen ferner seit Wochen über die gesamte Front im Südosten Gebietsgewinne und drängen die ukrainischen Verteidiger in der Region Saporischschja zurück, wo Putin laut Kiew viele russische Truppen für eine neue Offensive forcieren soll. Und zwar parallel zu den Verhandlungen um eine Ukraine-Waffenruhe

Gipfel mit Wolodymyr Selenskyj? Experten zweifeln an Wladimir Putins Bereitschaft

Überhaupt nur für Gespräche soll Putins Regime umfangreiche ukrainische Gebietsverzichte verlangen. „Die Akkumulation nicht verhandelbarer Themen lässt mich daran zweifeln, dass bei einem Treffen Selenskyjs mit Putin etwas Nennenswertes herauskommt – wenn es denn überhaupt zu einer persönlichen Begegnung kommt“, meinte Dr. Andreas Umland, Analyst am Stockholmer Zentrum für Osteuropastudien (SCEEUS), bei tagesschau.de. Und weiter: „Ich glaube, dass bei den jetzigen Gesprächen nichts Stabiles und Substantielles herauskommt. Die Verhandlungen werden, befürchte ich, letztlich scheitern.“ (pm)

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