Pistorius-Plan trifft auf Gegenwind: Mehrheit der Deutschen will die Wehrpflicht zurück
Das neue Bundeswehr-Gesetz von Pistorius sorgt erneut für Krisenstimmung in der Regierung. Vor allem Ältere wollen eine Wehrpflicht für junge Menschen.
Berlin – Deutschland will mit seiner Bundeswehr wieder mehr Verantwortung übernehmen. Etwa im Ukraine-Krieg, wo derzeit die Diskussion um Nato-Truppen in der Ukraine als Sicherheitsgarantie im Falle eines Friedens diskutiert werden. „Selbstverständlich müsste Deutschland als politisch und wirtschaftlich stärkstes Land in Europa ebenfalls einen Beitrag leisten“, sagte der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter am Dienstag (19. August) der Kölnischen Rundschau.
Nun stellt sich den Ansprüchen der Bundesregierung nur ein Problem in den Weg: Die Bundeswehr hat zu wenige Soldaten. Abhilfe soll ein Wehrdienst schaffen, den Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) umsetzen will. Zunächst auf Freiwilligkeit basierend, sollen so vor allem junge Menschen zu einem Dienst in der Bundeswehr überzeugt werden. Dazu soll ab dem kommenden Jahr an alle jungen Männer und Frauen ein Fragebogen versandt werden. Männer müssen diesen ausfüllen – bei Frauen bleibt dieser Schritt freiwillig.
Umfrage zur Wehrpflicht: Union stellt sich gegen Pistorius Bundeswehr-Plan
Es ist vor allem die Freiwilligkeit im Gesetzesentwurf von Pistorius, die nun erneut für Streit in der Koalition sorgen könnte. Denn Politiker von CDU und CSU fordern die Rückkehr zur Wehrpflicht. Der für die Themen Auswärtiges und Verteidigung zuständige stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Norbert Röttgen kritisierte im Welt-Interview das SPD-Gesetz, das am 27. August im Bundeskabinett beschlossen werden soll.
„Wir brauchen bis 2035 rund 90.000 Berufs- und Zeitsoldaten mehr – zusätzlich zum jährlichen Regenerationsbedarf, es scheiden ja regelmäßig auch Soldaten aus. Und wir können nicht erst 2033 anfangen zu fragen, woher all diese Soldaten kommen sollen“, so Röttgen. Die Union sehe die Wehrpflicht als „geboten“ an – der Koalitionspartner SPD lehne diese jedoch ab. Im Koalitionsvertrag habe man sich auf das „Schwedische Modell“ geeinigt, also ein Wehrdienstmodell, das zunächst auf Freiwilligkeit beruht, beim Verfehlen der Rekrutierungsziele aber auf Verpflichtung setzt. „Herr Pistorius verwirklicht in seinem Entwurf nur die eine Seite des Kompromisses, indem er ausschließlich auf Freiwilligkeit setzt“, klagt Röttgen gegenüber Welt.
Die Union steht mit ihrer Haltung nicht alleine dar. Denn wie eine neue Umfrage von YouGov nun aufzeigt, spricht sich eine knappe Mehrheit der Bevölkerung für eine Rückkehr zur Wehrpflicht aus.
Stress in der Koalition? Mehrheit will zurück zur Wehrpflicht – Pistorius-Plan in der Kritik
Insgesamt 59 Prozent der Befragten sprechen sich laut der Studie für ein verpflichtendes Wehrdienst-Modell für junge Menschen aus. Nur etwa ein Drittel (32 Prozent) würde dies eher ablehnen. Und entsprechend der aufschäumenden Kritik, sehen vor allem CDU/CSU-Wähler den SPD-Plan kritisch. 80 Prozent der befragten Unionsanhänger wünschen sich die Wehrpflicht zurück, 16 Prozent lehnen den Plan ab.
Doch auch innerhalb der SPD-Wählerschaft steht Pistorius auf verlorenem Posten. 63 Prozent der Anhänger der Sozialdemokraten will zurück zum Pflichtmodell, während 27 Prozent dagegen sind.

Die Ablehnung ist laut der YouGov-Umfrage vor allem bei Grünen und Linken erwartungsgemäß hoch. 40 Prozent der Grünen-Wähler lehnen die Pflicht zum Bundeswehrdienst ab – bei den Linken ist der Wert nochmal um 20 Prozentpunkte höher. Ganze 60 Prozent wollen jungen Menschen einen verpflichtenden Wehrdienst ersparen.
Vor allem Ältere wollen Wehrpflicht für junge Menschen – Pistorius-Plan wird heiß diskutiert
Ein weiterer Unterschied zeigt sich in der Studie, wenn man sich die Zustimmung zur Wehrpflicht nach Altersgruppen anschaut.
- 18-29 Jahre: 54 Prozent (gegen eine Wehrpflicht)
- 30-39 Jahre: 39 Prozent
- 40-49 Jahre: 32 Prozent
- 50-59 Jahre: 29 Prozent
- 60-69 Jahre: 26 Prozent
- 70 Jahre und höher: 19 Prozent
Die Bereitschaft, in den aktiven Wehrdienst einzutreten, gestaltet sich in der Umfrage allerdings durchweg niedrig. In allen Parteizugehörigkeiten ist die Ablehnung größer. Vor allem unter AfD- und Linkenanhängern ist die Ablehnung besonders hoch (71 Prozent). Dagegen würden Unionswähler mit 38 Prozent am ehesten zum Dienst an der Waffe bereit sein. Die Grünen folgen mit 31 Prozent knapp hinter der Union und ähnlich knapp vor der SPD, deren Anhänger zu 31 Prozent bereit für den Wehrdienst wären.
Vor Abstimmung über freiwilligen Wehrdienst – Pistorius glaubt an Erfolg seines Gesetzes
Der Kritik zu Trotz hält Pistorius an seinem Plan fest. „Wir brauchen (...) nach den Nato-Zielen eine Zielgröße von etwa 250.000 bis 260.000 stehenden Streitkräften“, sagte der Verteidigungsminister in der ARD-Sendung Caren Miosga im Juni. Diese hätten mit Wehrdienstleistenden oder eben Wehrpflichtigen zunächst nichts zu tun.
Davon, dass die Freiwilligkeit funktioniert, geht Pistorius ebenfalls aus. Voraussetzung dafür sei aber eine attraktive Bundeswehr. Die Attraktivität der Armee als Arbeitgeber solle deshalb gesteigert werden. „Wir müssen das Ruder herumreißen und endlich dafür Sorge tragen, dass die Bundeswehr endlich wieder als das wahrgenommen wird, was sie ist. Nämlich unsere Parlamentsarmee, die zu unserem Schutz da ist. Und das heißt, wir müssen sie ausstatten – personell und materiell nach allem was geht.“ (nhi)