„Schlimmste Befürchtungen werden wahr”: Polizei entsetzt von neuem Afghanistan-Flug der Ampel
Hunderte Afghanen haben noch gültige Aufnahmezusagen aus Deutschland. Die Identitätsprüfung bleibt ein heikles Thema. Wie reagieren die Behörden?
Berlin – Die Ankunft weiterer Charterflüge mit afghanischen Staatsangehörigen sorgt weiterhin für politische Diskussionen. Wie die Bild-Zeitung berichtet, äußerte Heiko Teggatz, Vorsitzender der Bundespolizeigewerkschaft, Kritik an den Aufnahmeprogrammen. „Meine schlimmsten Befürchtungen werden wahr. Offensichtlich werben NGOs Afghanen für diese Aufnahmeprogramme an und geben ihnen Tipps, wie man die Behörden täuschen kann“, sagte Teggatz.

Auf Anfrage teilte das Bundesinnenministerium (BMI) Ippen Digital mit, dass derzeit keine neuen Aufnahmezusagen erteilt würden. „Die Auswahl der Personen für eine Aufnahme obliegt allein der Bundesregierung“, hieß es in der Antwort der Behörde. Ein Sprecher des BMI erläuterte weiter: „Bei den Aufnahmen aus Afghanistan werden derzeit mehrere Aufnahmeverfahren parallel umgesetzt.“ Dazu zählen laut Ministerium „das Ortskräfteverfahren, die Aufnahme weiterer besonders gefährdeter Afghaninnen und Afghanen im Rahmen der sogenannten Menschenrechtsliste und des Überbrückungsprogramms sowie das Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan.“
Aktuell plant die noch amtierenden Bundesregierung nur einen weiteren Charterflug zur Aufnahme afghanischer Flüchtlinge in Deutschland. Das geht aus einer Antwort des BMI auf eine Anfrage des AfD-Bundestagsabgeordneten Leif-Erik Holm hervor.
Deutschland gewährte noch mehr Afghanen Schutz
Seit der erneuten Machtübernahme der radikal-islamistischen Taliban im August 2021 hat Deutschland unter der Ampelregierung nach Angaben des Auswärtigen Amtes (AA) über 46.000 Aufnahmezusagen für gefährdete afghanische Staatsangehörige erteilt. Rund 36.000 von ihnen sind bereits nach Deutschland eingereist.
Das BMI erläuterte bereits der Deutschen Presse-Agentur (dpa) zufolge, es handele sich dabei um behördliche Entscheidungen, auf die sich Betroffene berufen könnten. Diese könnten sie gegebenenfalls auch einklagen. Es sei Sache der künftigen Bundesregierung, wie damit umzugehen sei. Es gebe seit einiger Zeit keine neuen Zusagen, aber bestehende Zusagen seien noch zu erfüllen.
Auswahl der Flüchtlinge aus Afghnistan in der Kritik - Behörde reagiert
Die Flüge, die in der letzten Zeit mehrfach kritisiert wurden, sind Teil der laufenden Bundesaufnahmeprogramme für gefährdete Afghaninnen und Afghanen und erfolgen auf Grundlage des Aufenthaltsgesetzes. Ende Januar 2025 landete ein Charterflug mit 144 afghanischen Passagieren in Berlin, am 25. Februar folgte ein weiterer mit 155 Afghaninnen und Afghanen.
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Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan: Kriterien und Auswahl von mitwirkenden NGOs
Auswahl durch die Bundesregierung: Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die als meldeberechtigte Stellen am Bundesaufnahmeprogramm teilnehmen möchten, werden von der Bundesregierung ausgewählt.
Erfahrung als Kriterium: Vorrangig werden NGOs berücksichtigt, die bereits bei den Evakuierungen im August 2021 oder zwischen 2013 und 2021 mit der Bundesregierung im Zusammenhang mit Afghanistan zusammengearbeitet haben.
Akzeptanz der Rahmenbedingungen: Alle meldeberechtigten Stellen bestätigen mit ihrer Teilnahme am Bundesaufnahmeprogramm, dass sie dessen Rahmenbedingungen akzeptieren und einhalten.
Über 100 teilnehmende Organisationen: Derzeit erfüllen mehr als 100 Organisationen die Kriterien als meldeberechtigte Stelle.
Überprüfung bei Verstößen: Sollte es Hinweise geben, dass eine meldeberechtigte Stelle die Vorgaben der Bundesregierung nicht einhält, beraten die beteiligten Ressorts über geeignete Maßnahmen.
Möglicher Ausschluss: In solchen Fällen kann die Zusammenarbeit mit der betroffenen Organisation beendet werden.
Quelle: Auswärtiges Amt
Anfang März erreichte erneut ein Flug mit 132 Flüchtlingen die deutsche Hauptstadt. Das Bundesinnenministeriums teilte auf Nachfrage Ippen Digital mit, dass sich die Passagiere im letzten Fall auf verschiedene Aufnahmeverfahren verteilt hätten: Über das Ortskräfteverfahren seien sechs Personen eingereist, darunter eine Hauptperson und fünf Familienangehörige. Die Menschenrechtsliste habe 14 Personen umfasst, darunter vier Hauptpersonen und zehn Angehörige. Im Rahmen des Überbrückungsprogramms seien 38 Menschen aufgenommen worden, darunter sechs Hauptpersonen und 32 Angehörige. Die Mehrheit der Ankommenden – 74 Personen – sei über das Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan eingereist, darunter 22 Hauptpersonen und 52 Familienangehörige.
In diesem Fall sind auch 25 Personen von der ursprünglichen Flugliste genommen worden, weil die Bundespolizei insbesondere auf mögliche Unstimmigkeiten der Dokumente hingewiesen hat.
Für rund 2.800 Menschen aus Afghanistan gibt es dem AA zufolge weiterhin gültige Zusagen für eine Aufnahme in Deutschland. Eine AA-Sprecherin erklärte in Berlin, die bereits getroffenen Zusagen hätten aus Sicht der Bundesregierung rechtlichen Bestand.
Herausforderungen der Aufnahmeprogramme für Afghanen
In einigen Fällen gab es zuletzt erhebliche Zweifel an der Identität und dem Schutzstatus der Flüchtlinge. Das BMI teilte mit, dass Sicherheit bei den Aufnahmeverfahren höchste Priorität habe. Bereits in der Vergangenheit seien die Verfahren zeitweise unterbrochen und zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen eingeführt worden. Dazu zählten detaillierte Sicherheitsbefragungen durch die Sicherheitsbehörden sowie eine umfassende Prüfung aller vorliegenden Erkenntnisse.
Die Aufnahme afghanischer Ortskräfte und Flüchtlinge bleibt jedoch ein finanzintensives humanitäres Engagement, das mit hohen Kosten für Bund und Länder verbunden ist. Das BMI beziffert die bisher angefallenen Kosten auf ca. 25 Millionen Euro. Diese Summe umfasst die Umsetzung des Programms unter Federführung des BMI, etwa Kosten für Auswahlverfahren, Sicherheitsprüfungen und Organisation der Flüge.
Unter anderem die Unionspolitiker haben ihre Kritik am Bundesaufnahmeprogramm für gefährdete Afghaninnen und Afghanen verstärkt. Insbesondere forderten Innenminister aus Unions-geführten Bundesländern, alle Aufnahmeprogramme „unverzüglich“ zu stoppen. In den vergangenen Monaten kam es in Deutschland zu schweren Gewalttaten mit Beteiligung von afghanischen Asylbewerbern. Die Vorfälle haben die öffentliche Debatte über die Aufnahme von Menschen aus Afghanistan und die damit verbundenen Sicherheitsaspekte intensiviert.
Hauptlast der Flucht und Migration bei Anrainerstaaten von Afghanistan
Nicht nur Deutschland, sondern auch zahlreiche andere Staaten haben seit der erneuten Machtübernahme der Taliban im Jahr 2021 Menschen aus Afghanistan aufgenommen. Deutschland gehört im westlichen Vergleich zu den Ländern mit den höchsten Aufnahmezahlen. Die Gesamtzahl afghanischer Staatsbürger in Deutschland, inklusive bereits vor 2021 eingereister Personen, liegt bei rund 400.000. Afghanen stellen damit eine der größten Flüchtlingsgruppen in Deutschland dar.
Dennoch tragen weiterhin vor allem die Nachbarländer Pakistan und Iran die Hauptlast der Fluchtbewegungen aus Afghanistan. Beide Staaten müssen seit Jahrzehnten trotz massiver interner Probleme und Armut Millionen Menschen aus Afghnistan aufnehmen. Laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) befinden sich etwa 1,3 Millionen registrierte afghanische Flüchtlinge in Pakistan. Zusätzlich besitzen über 800.000 Afghanen eine „Afghan Citizen Card“ (ACC). Die ACC wurde von der pakistanischen Regierung eingeführt, um unregistrierte afghanische Staatsangehörige im Land zu dokumentieren und ihnen möglichst einen legalen Aufenthaltsstatus zu verleihen. Die Gesamtzahl der in Pakistan lebenden Afghanen, einschließlich undokumentierter Personen, wird auf bis zu 2,8 Millionen geschätzt. Schätzungen der iranischen Behörden zufolge halten sich auch bis zu sieben Millionen Afghanen im Iran auf, einschließlich undokumentierter Personen.
Solche Staaten stehen vor derselben Herausforderung: „Afghanistan durchlebt eine schwere humanitäre Krise mit zahlreichen Herausforderungen im Bereich der Menschenrechte, insbesondere für Frauen und Mädchen“, hieß es neulich in einer gemeinsamen Erklärung des UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration (IOM).
Wichtige Ursache von Flucht und Migration: Herrschaft der Islamisten
„Die Taliban haben in Afghanistan ein systemisch grausames Regime errichtet, das international nicht als rechtmäßig anerkannt wird, auch von Deutschland nicht“, sagt das Bundesaußenministerium.
Der bewaffnete Islamismus, insbesondere durch die Herrschaft der Taliban und anderer islamistischer Strömungen in Nahost und Zentralasien, bleibt somit eine hartnäckige Bedrohung für die gesamte Region und darüber hinaus. Seit der Revolution von 1979 haben Islamisten im Iran, die über militärische Macht verfügen, nach Schätzungen die Flucht und Migration von bis zu acht Millionen Menschen verursacht – ein Beispiel für die langfristigen Folgen islamistischer Autokratie. Auch Afghanistan unter den Taliban durchläuft eine Entwicklung, die jener der Islamisten im Iran nach 1979 ähnelt. Experten warnen seit Langem vor einem alarmierenden Muster, das Auswirkungen auf weitere Staaten hat.
Der US-Präsident Donald Trump hatte in einem anderen Zusammenhang erstmals auf die Rückgabe von dort verbliebener amerikanischer Militärausrüstung hingewiesen. Nach dem Abzug der US-Truppen aus Afghanistan im August 2021 erbeuteten die Taliban militärische Ausrüstung im Wert von etwa sieben Milliarden US-Dollar, darunter gepanzerte Fahrzeuge, Waffen und Fluggeräte. Trumps Forderung könnte überraschenderweise ein Schritt in die richtige Richtung sein, um islamistische Gruppen in Afghanistan zu entwaffnen, fand international jedoch kaum Beachtung. Solange Islamisten wie die Taliban und das Mullah-Regime im Iran nicht entwaffnet und entmachtet werden, wird es keine sicheren Herkunftsländer geben – und damit auch keinen Stopp der Fluchtbewegungen.
Migration als Konsequenz – Präventivschlag gegen Fluchtursachen
Ein wirksamer Präventivschlag gegen Flucht erfordert mehr als strengere Asylgesetze oder verschärfte Grenzkontrollen. Entscheidend ist die Bekämpfung der eigentlichen Ursachen: repressive Regime, deren systematische Unterdrückung und Allianzen Menschen zur Flucht zwingt. Das zeigt sich in Afghanistan, im Iran, in Russland als Kriegstreiber in der Ukraine und in Syrien, wo das Assad-Regime – ähnlich wie die Taliban – Millionen Menschen zur Flucht zwang. Solange autoritäre Machthaber ungehindert agieren und Kriege führen, bleiben Repression, Verfolgung und Gewalt der Nährboden für neue Fluchtbewegungen.
Langfristig lassen sich Fluchtursachen nur eindämmen, wenn Menschen in ihren Heimatländern sicher und selbstbestimmt leben können. Eine reine Fokussierung auf Abwehrmechanismen in den Zielländern verfehlt dieses Ziel. „Die Mutter aller Probleme“ ist nicht Migration oder Flucht, sondern das Scheitern der Rechtsstaatlichkeit.