"Wenn Sie mich fragen": Wagenknecht spricht Klartext zum BSW-Flirt mit der AfD

Sahra Wagenknecht zeigt sich offen für politische Gespräche mit der AfD auch auf Bundesebene. Die Gründerin und Parteivorsitzende des BSW, selbst früher Chefin der "Kommunistischen Plattform" der Linkspartei, dementiert in der "Augsburger Allgemeinen" zwar Aussagen von AfD-Chef Tino Chrupalla, wonach es solche Gespräche bereits gibt. Zugleich schließt sie diese für die Zukunft nicht aus.

"Aber wenn Sie mich fragen, ob ich auch mit Herrn Chrupalla reden würde, wenn es einen konkreten Anlass dafür gäbe, wie es in Thüringen bei dem Gespräch der Fraktionsvorsitzenden der Fall war: ja selbstverständlich", sagte Wagenknecht der Zeitung. Chrupalla hatte zuvor Kontakte zum BSW auch auf Bundesebene befürwortet. Auf die Frage, ob er und seine Co-Vorsitzende Alice Weidel für Gespräche mit Wagenknecht zur Verfügung stünden, sagte er dem Sender Welt-TV: "Ja, also immer."

Wagenknecht hält BSW-Gespräche mit AfD für demokratisch

Wagenknecht erklärt ihre Haltung zu möglichen Gesprächen mit grundsätzlichen Überlegungen: "Das sollte normal sein in einer Demokratie", betonte die BSW-Chefin in der "Augsburger Allgemeinen". Die AfD werde aktuell von mehr als jedem fünften Wähler gewählt. "Ausgrenzung und Redeverbote sind undemokratisch und eine Ohrfeige für diese Wähler, die sie nur noch mehr an die AfD binden."

Als Beispiel führt Wagenknecht den Bundestag an. Dort fallen die AfD-Kandidaten für den Posten des Vize-Parlamentspräsidenten regelmäßig durch. Zudem wurden auch keine Vertreter der Partei in das Parlamentarische Kontrollgremium, das die Geheimdienste beaufsichtigt, gewählt. "Es war einfach dumm, dass die AfD wieder bei den Bundestagsposten ausgeschlossen wurde", kritisierte Wagenknecht. "Die Brandmauer-Politik hat die AfD immer stärker gemacht und sollte nicht fortgesetzt werden."

Erste Gespräche in Thüringen mit Björn Höcke

Die Lockerungsübungen zwischen links und rechts haben in Thüringen ihren Ausgangspunkt genommen. Dort regiert das BSW eigentlich in einer Koalition mit CDU und SPD. Fraktionschef Frank Augsten hat am Mittwoch dennoch ein zweistündiges Gespräch mit AfD-Chef Björn Höcke geführt. Anlass war eine Blockade bei der Besetzung wichtiger Justiz-Gremien in dem Bundesland. Besprochen wurde aber nach Darstellung beider Seiten auch die Landespolitik allgemein.

Nach der vergangenen Landtagswahl lehnte das BSW Gesprächsofferten der AfD noch ab. Der AfD-Landesverband ist vom Thüringer Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Höcke ist in der AfD einer der Wortführer der Rechtsextremen. Während sich die Koalitionspartner des BSW verärgert über das Treffen zeigen, freut sich die AfD über die neuen Kontakte.

Chrupalla sagte in dem "Welt"-Interview über das Gespräch zwischen Höcke und Augsten: "Das ist absolut richtig und vor allen Dingen auch im Bürgerinteresse. Das haben hier die Bürger gewählt." Die AfD sei in Thüringen mit Abstand stärkste Kraft und werde von den anderen Parteien ausgeschlossen. 

BSW-Aussagen spielen der AfD und ihrer Strategie in die Karten

Für die AfD ist es das erste Mal auf Landesebene, dass eine andere Partei öffentlich direkte Gespräche bestätigt hat. Das ist für sie ein großer Erfolg im Zusammenhang mit einer Normalisierungsstrategie der Partei. Die AfD will als normale demokratische Partei wahrgenommen werden und so weiter Wählergruppen erschließen. So soll schon bald eine erste Regierungsübernahme möglich sein.

Konkret will die AfD die Machtübernahme in Sachsen-Anhalt vorbereiten, wo im kommenden Jahr gewählt wird. Die AfD-Fraktionsvorsitzenden in den östlichen Bundesländern, darunter Höcke, hatten sich einem Bericht der "Bild" zufolge Ende Juni für diesen Zweck getroffen. Bei dem Treffen ging es offenbar um die Frage, wie die Partei ausreichend Experten findet, um Hunderte Stellen in Ministerien und Landesbehörden zu besetzen.

Das erklärte Ziel der AfD ist ein Landtagswahlergebnis von 42 bis 44 Prozent – das könnte schon für eine Alleinregierung reichen, wenn andere Parteien knapp an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Solle die Partei keine absolute Mehrheit im Landtag erreichen, ergibt sich nach den Ankündigungen des BSW nun eine zusätzliche Machtoption.

Schnittmengen bei Migration und Russland-Politik

Inhaltliche Schnittmengen zwischen AfD und BSW gibt es beispielsweise in der Migrationspolitik. Beide Parteien fordern einen "Stopp der unkontrollierten Migration". Auch bei der Haltung zum Ukraine-Krieg und dem Umgang mit Russland gibt es in beiden Parteien ähnliche Ansichten. AfD und BSW werben für eine aktive "Friedenspolitik" gegenüber dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Inhaltliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede hatten die Parteichefs Wagenknecht und Weidel im vergangenen Herbst ausgelotet. Sie lieferten sich bei der "Welt" ein TV-Duell.