„Es zerreißt mich zu sehen, wie die Geschichte sich wiederholt“: Musikalische Protestaktion eines Weltstars

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Ein Weltstar an der Klarinette: „King of Klezmer“ Giora Feidman spielt nun im September in Weilheim. © Mehran Montazer

Sein für 24. Juni geplantes Konzert in Weilheim muss verschoben werden: Weltstar Giora Feidman sitzt in Israel fest. Wie er die Lage im Nahen Osten erlebt und was ihm trotz allem Hoffnung macht, verrät er im Interview.

Eigentlich wollte der Klarinettist Giora Feidman, weltbekannt als „König des Klezmer“, am heutigen Dienstag, 24. Juni, im Weilheimer Stadttheater auftreten. Doch das Konzert musste kurzfristig auf den 30. September verschoben werden (siehe Kasten unten) – denn die aktuelle Lage im Nahen Osten ließ keine sichere Ausreise des 89-Jährigen aus Israel zu. Im spontanen Interview mit der Heimatzeitung, geführt per E-Mail, berichtet der vielfach ausgezeichnete Musiker, wie er die Lage in Israel erlebt und was ihm persönlich Hoffnung auf Veränderung in den Krisen der Welt macht.

Herr Feidman, wie geht es Ihnen gerade?

Ich bin fassungslos. Ich bin traurig. Wie kann es sein, dass im 21. Jahrhundert – in einer Zeit, die sich selbst für aufgeklärt und zivilisiert hält – noch immer Bomben auf Menschen, auf Häuser, auf Hoffnung geworfen werden? Wo Worte gebraucht würden, spricht der Lärm des Krieges. Wo Menschlichkeit nötig wäre, regiert Zerstörung. Es zerreißt mich zu sehen, wie die Geschichte sich wiederholt – blind und taub gegenüber dem Leid der Zivilbevölkerung. Das darf kein Normalzustand sein. Nicht heute. Nicht morgen. Nie wieder.

Wie erleben Sie persönlich die Lage in Israel?

Die Menschen sind natürlich sehr verunsichert. Sie wissen nicht, wie sich der Krieg weiterentwickeln wird, was noch auf sie zukommt. Unabhängig davon, ob sie mit der Politik einverstanden sind oder nicht – die meisten wünschen sich einfach nur eines: Frieden. Sicherheit, Menschlichkeit, ein Leben ohne Angst. Und ich glaube, genau das verbindet uns alle – über alle politischen Meinungen und Grenzen hinweg.

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Haben Sie irgendeine Perspektive, wann Sie sicher nach Deutschland ausreisen können?

Ich bin seit letztem Jahr deutscher Staatsbürger, mit festem Wohnsitz hier in Deutschland. Mein Büro hat, soweit ich weiß, bereits in der vergangenen Woche alle nötigen Schritte unternommen und mich bei den zuständigen Behörden gemeldet. Doch bislang habe ich keinerlei Rückmeldung erhalten – kein Zeichen, kein Hinweis, wie es nun weitergeht.

Was müsste Ihrer Überzeugung nach geschehen, damit Frieden im Nahen Osten möglich ist?

Wissen Sie, der Krieg herrscht ja nicht nur im Nahen Osten. Leider brennt es derzeit fast auf jedem Kontinent – sichtbar oder verborgen, laut oder still. Ich habe kein Rezept, das ich den Politikerinnen und Politikern mitgeben könnte. Keine fertige Antwort, kein Patentrezept für den Frieden. Aber ich kenne meine Aufgabe, meine Pflicht als Künstler. Und ich weiß, dass ich keine Sekunde zögere, für Verständigung, für Menschlichkeit, für Freundschaft zwischen den Völkern einzustehen. Auch wenn mein Beitrag nur ein Tropfen in einem endlosen Ozean ist – alles beginnt klein. Und was klein beginnt, kann wachsen.

Gibt es in der aktuellen Situation etwas, das Ihnen Hoffnung macht?

Hoffnung macht es mir, wenn ich sehe, dass Menschen – egal auf welcher Seite eines Konflikts sie stehen – für den Frieden auf die Straße gehen. Das zeigt, dass der Wunsch nach Verständigung und Menschlichkeit überall vorhanden ist. Hoffnung geben mir auch Künstlerinnen und Künstler, die sich mit ihrer Arbeit klar positionieren und mit ihrer Kunst ein Zeichen für den Frieden setzen. Das braucht Mut – gerade in Zeiten, in denen Polarisierung oft lauter ist als Empathie. Und besonders hoffnungsvoll stimmt mich die junge Generation. Sie ist vernetzt, informiert sich über Social Media weltweit, tauscht sich aus, bildet sich eine eigene Meinung und lässt sich nicht mehr so leicht von irgendjemandem blenden. Das alles zeigt mir: Es gibt Bewegung, es gibt Bewusstsein – und es gibt Menschen, die den Mut haben, etwas zu verändern.

Werden die Erfahrungen, die Sie gerade machen, ihr Programm „Revolution of Love“ verändern?

Das Programm „Revolution of Love“ ist aktueller denn je. Es ist eine musikalische, friedliche Protestaktion – gegen Gewalt, gegen Krieg, gegen Unmenschlichkeit und Unterdrückung. Es will keine Antworten aufzwingen, sondern Augen und Herzen öffnen. Es geht darum, das Bewusstsein zu schärfen – für das, was uns verbindet, nicht trennt. Heute bin ich noch sicherer als damals: Dieses Programm war und ist genau die richtige Entscheidung für diese Zeit. Es trifft einen Nerv. Und ich glaube fest daran, dass Musik etwas bewegen kann – gerade dann, wenn Worte nicht mehr reichen.

Das verschobene Konzert

des Giora Feidman Duo im Weilheimer Stadttheater mit „Revolution of Love“ beginnt am Dienstag, 30. September, um 20 Uhr. Bereits erworbene Eintrittskarten behalten Gültigkeit für den neuen Termin. Wer am Ersatztermin nicht kann, wird gebeten, sich an die jeweilige Vorverkaufsstelle zu wenden. Info: www.ma-cc.com.

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