CDU-Geschäftsführer Frei: Europa hat „keinen Anspruch“ auf Sicherheit durch USA
Der Unionspolitiker Thorsten Frei fordert ein Umdenken der EU. Frei sagt, es sei egal, wer nächster US-Präsident ist – sein Fokus werde nicht auf Europa oder Russland liegen.
Berlin – Die Europawahl steht vor der Tür, bei Politikerinnen und Politikern ist derzeit aber häufig eine andere Abstimmung das wichtigste Gesprächsthema. Denn: Im November wird ein neuer US-Präsident gewählt. Donald Trump macht keinen Hehl daraus, als nächster Präsident die Unterstützung für Europa und die Nato einstampfen zu wollen. Doch auch auf den voraussichtlich anderen Kandidaten Joe Biden dürfen sich die Europäer nicht mehr verlassen, sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Union im Bundestag, Thorsten Frei, im Interview mit IPPEN.MEDIA.
Vor Hintergrund des Ukraine-Kriegs: CDU-Politiker kritisiert zu kleinen Verteidigungshaushalt der EU
Frei will eine wettbewerbsfähigere EU, fordert im Vorfeld der Europawahl am 9. Juni „weniger Dirigismus und weniger Bürokratie“. Wichtig ist für die Nummer zwei der CDU im Bundestag dabei auch die europäische Sicherheitspolitik, die unabhängiger werden müsse. „Es geht um Relevanz, aber auch um ganz praktische Fragen, etwa wie Waffensysteme zusammenpassen, wie europäische Armeen aufeinander abgestimmt sind und sich ergänzen können.“
Besonders die ungleichen Wehretats zwischen der EU und den USA stoßen Frei sauer auf. „Wir in der EU sind stolz, dass die Mitgliedsstaaten ihre Aufwendungen für Sicherheit und Verteidigung von 250 auf 300 Milliarden erhöhen werden. Zum Vergleich: Die kleinere Volkswirtschaft USA hat einen Verteidigungsetat von 877 Milliarden Euro.“
CDU-Politiker Thorsten Frei: Europa darf sich nicht auf Sicherheit durch USA verlassen
Der CDU-Politiker fordert deshalb eine massive Erhöhung der Verteidigungsausgaben in Deutschland. Denn, so sein Argument, der militärischer Schutzschirm der Amerikaner wird kleiner. „Wir dürfen uns nicht darauf verlassen, dass unsere Sicherheit allein durch die USA gewährleistet wird. Im Übrigen haben wir darauf auch gar keinen Anspruch.“ Eine enge Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten hält Frei nach wie vor für wichtig, jedoch prophezeit er, dass die USA sich mehr und mehr aus europäischen Angelegenheiten zurückziehen werden.
„Es ist doch selbstverständlich, dass ein amerikanischer Präsident – wie immer er heißen wird – Wert darauf legt, dass nicht die Amerikaner die europäische Sicherheit bezahlen“, so Frei im Interview. „In den USA gibt es bereits seit Jahren eine Akzentverschiebung – weg von Europa, hin zum Indopazifik. Denn der Rivale Nummer eins heißt China, nicht mehr Russland. Und das ist unabhängig von der Person des Präsidenten der Fall.“ Deshalb müsse Europa seinen eigenen Anteil tragen, denn die Amerikaner würden ihre eigenen Entscheidungen treffen.
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Frei kritisiert die mangelnde Unterstützung der Ukraine durch Kanzler Olaf Scholz
Brisant ist Freis beschriebene Entwicklung der USA vor dem Hintergrund des russischen Überfalls auf die Ukraine. Die USA sind mit Abstand der größte Unterstützer Kiews. Frei und die Union fordern seit Monaten mehr Geld und Waffen für die Ukraine, ebenso für die heimische Bundeswehr. Der Ampel-Koalition werfen CDU und CSU vor, dass militärische Unterstützung für die Ukraine zu wenig und zu langsam vorankomme. Die jüngste Absage von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern sorgte in Teilen der Opposition für harsche Kritik.
„Man muss klar sagen: Das Zögern und Zaudern des Bundeskanzlers kostet Menschenleben“, sagt Frei über Scholz Ukrainepolitik. Die Bundesregierung müsse „die Rüstungsindustrie endlich mit Aufträgen versorgen, sonst können die Betriebe nicht produzieren. Es geht um Waffen für die Ukraine, aber auch um unsere eigenen Bundeswehrbestände.“