„Boomer-Soli“ bittet reiche Rentner zur Kasse – Wirtschaftsweise geht noch weiter
Das Rentensystem steht unter immensem Kostendruck. Doch wer soll dafür zahlen? Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer sieht die in den Ruhestand gehenden Babyboomer am Zug.
Berlin – Der Vorschlag, dass reichere Rentner für ärmere zahlen sollen, hat für Aufruhr gesorgt. Nun setzt Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrates Wirtschaft, noch einen drauf. Sie könne der Idee „einiges abgewinnen“, sagte die Wirtschaftsweise dem Magazin Focus Money.
Ältere Rentner sollen zahlen: Forscher schlagen „Boomer-Soli“ vor
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schlägt eine solche Sonderabgabe auf Alterseinkünfte in seinem neuen Wochenbericht vor: Der sogenannte „Boomer-Soli“‚ – eine Solidaritäts-Sonderabgabe auf sämtliche Alterseinkünfte – kann ein wichtiger Baustein zur Stabilisierung des Rentensystems in Deutschland sein.
Die Abgabe würde nach dem Vorschlag des DIW gezielt Personen mit hohen Alterseinkünften „moderat“ zur Kasse bitten, wie das Berliner Institut unterstreicht. Einkommensschwache Rentnerinnen und Rentner könnten so unterstützt, das Risiko für Altersarmut könne reduzieren werden.

Deutsches Rentensystem immer mehr unter Druck
Die Idee des „Boomer-Soli“ beruht auf der Tatsache, dass nun die geburtenstarken Jahrgänge von 1954 bis 1969 nach und nach in den Ruhestand gehen oder gehen werden. Dies wirft große Probleme auf: Wegen des demografischen Wandels gibt es immer mehr ältere und immer weniger jüngere Menschen in Deutschland – das heißt auf immer mehr Rentenbezieher kommen immer weniger Erwerbstätige, die in die Rentenkassen einzahlen.
Dadurch gerät das Umlageverfahren, auf dem das deutsche Rentensystem basiert, immer mehr unter Druck. Im kürzlich vorgestellten Bundeshaushalt 2026 ist der mit Abstand größte Einzelposten der erneut steigende Bundeszuschuss an die Rentenversicherung mit rund 127,8 Milliarden Euro.
Fratzscher: „Unser Sozialstaat wird derzeit von Jahr zu Jahr ein Stück weniger generationengerecht“
Diese Belastung wird laut Experten in den kommenden Jahren weiter zunehmen – während schon jetzt klar ist, dass Milliardenlöcher im Haushalt klaffen werden. DIW-Präsident Marcel Fratzscher erklärte dazu in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur: „Unser Sozialstaat wird derzeit von Jahr zu Jahr ein Stück weniger generationengerecht.“
Von Jung zu Alt werde immer stärker umverteilt. Der Koalitionsvertrag verschärfe das Problem: „Anstelle von Vorschlägen zu einer Begrenzung des künftigen Beitragsanstiegs gibt es hier teure Versprechungen wie beispielsweise ein stabiles Rentenniveau und eine ausgeweitete Mütterrente.“ Union und SPD scheuten Zumutungen für ihre Wählerinnen und Wählern, so Fratzscher. So entstand die Idee des „Boomer-Soli“.
Schnitzer für „Boomer-Soli“: „Sie haben zu wenige Kinder bekommen“
Wirtschaftsweise Schnitzer findet, der Grundgedanke des DIW sei auf alle Fälle richtig: „Die Frage ist doch: Warum kommt das Umlagesystem an seine Grenzen? Die Babyboomer haben seit den 70er-Jahren nicht genügend Kinder bekommen, um die Bevölkerungszahl ohne Zuwanderung konstant zu halten. Das bedeutet, dass immer weniger Menschen im Erwerbsalter für immer mehr Rentner aufkommen müssen.“ Nun müssten die Erwerbstätigen dafür immer höhere Beiträge bezahlen. „Das ist schlicht nicht zumutbar. Deshalb müssen wir die Rentenversicherung reformieren“, so Schnitzer gegenüber Focus Money.
Doch mit dem „Boomer-Soli“ allein sei es nicht getan, geht die Ökonomin noch einen Schritt weiter: „Wir haben als Sachverständigenrat Wirtschaft vorgeschlagen, an mehreren Stellschrauben zu drehen: länger zu arbeiten, selbst mehr vorzusorgen und den Rentenanstieg zu begrenzen. Die Renten würden nicht gekürzt werden, sondern nur in geringeren Raten steigen als bisher.“
Für die Geringverdienenden könnte das bedeuten, dass die Rente irgendwann nicht mehr reiche. „Dafür bräuchten wir ein Umverteilungselement. Und da frage ich mich: ‚Warum sollten die Babyboomer das nicht unter sich ausmachen?‘“, so Schnitzer gegenüber dem Magazin. „Sie sind es doch, die einen Teil des Generationenvertrags nicht eingehalten haben. Sie haben zu wenige Kinder bekommen, die für ihre eigenen Renten hätten aufkommen können.“ (lma mit dpa)