Auswanderung nach Irland: Nicolas Sohn (6) fährt jetzt alleine zur Schule

Während sich in Deutschland im Herbst die Kinder dick einpacken, will unser Sohn nur im T-Shirt und in kurzer Hose in die Schule. „Die anderen machen das auch Papa!“, protestiert er dann – und rennt los.  

Er redet inzwischen Englisch mit südirischem Akzent, liebt Hurling, den Nationalsport, und sammelt am liebsten nachmittags Muscheln am Meer. Dass er vor drei Jahren noch kein Wort Englisch konnte, fällt keinem mehr auf. Heute ist er in Irland angekommen. Und wir als Familie auch.

Immer mehr junge Familien in Deutschland träumen von einem Leben im Ausland. Laut Statistischem Bundesamt gehören insbesondere viele junge Erwachsene im Alter von 18 bis 29 Jahren zu den Menschen, die Deutschland verlassen. 

Was mir bisher auch durch die Arbeit für meinen Auswanderer-Podcast aufgefallen ist: Familien ziehen vor allem aus familiären Gründen und wegen Lebensqualitätsaspekten ins Ausland. Die Motive sind mehr Zeit füreinander, naturnäheres Leben und auch andere Bildungsmodelle – Stichwort: Homeschooling. 

Besonders in frühen Lebensphasen der Kinder ist der Sprung ins Ausland leichter. Kleinkinder passen sich oft schneller an, saugen die neue Sprache einfach auf und erleben das Ankommen viel spielerischer. Wir haben es selbst erlebt, als wir 2022 mit unserem damals dreijährigen Sohn nach Irland ausgewandert sind.

Kita in Irland: Mehr Herz als starre Struktur

In Berlin hatten wir einen kostenlosen Ganztagsplatz. In Irland mussten wir völlig neu organisieren: Für Kinder zwischen drei und fünf Jahren gibt es eine Vormittagsbetreuung, die vom irischen Staat übernommen wird – alles darüber hinaus, z.B. auch in der Ferienzeit, kostet extra. Teilweise zahlten wir über 700 Euro im Monat. 

Gleichzeitig mussten wir unseren Arbeitsalltag neu strukturieren. Einer arbeitete, der andere übernahm Abholung, Eingewöhnung, Termine. In einem Land, in dem vieles ländlich ist, kommen noch lange Fahrtwege hinzu.

Auswanderer Nicolas mit seiner Partnerin in Irland
Auswanderer Nicolas mit seiner Partnerin in Irland privat

Aber: Die Herzlichkeit in der Kita war überwältigend. Obwohl unser Sohn zum Start kein Englisch sprach, war er sofort mittendrin. Die Erzieher:innen begegneten den Kindern auf Augenhöhe, begrüßten sie mit einer Umarmung oder einem High-Five. 

Wir hatten das Gefühl, dass Kinder in irischen Kitas einfach Kinder sein dürfen. Sie konnten toben, laut sein, spielen – während es in Berlin oft ruhig und strukturiert zuging.

Die Schuluniform findet er cool: alle sehen gleich aus, niemand fällt auf

Mit fünf Jahren kam unser Sohn in die Schule. In Irland beginnt der Unterricht früh, oft schon mit vier Jahren, doch die ersten beiden Jahre (Junior und Senior Infants) machen den Einstieg sanft. 

Lesen, Schreiben, Rechnen werden spielerisch vermittelt. Noten gibt es keine. Stattdessen gibt es eine jährliche Einschätzung der Lehrer über die Lernfortschritte, das Sozialverhalten und die Stärken der Kinder.

Der Unterricht startet meistens gegen 9 Uhr – unser Sohn fährt inzwischen jeden Morgen mit dem Bus zur Schule. Er liebt es, selbständiger zu sein und will nicht mehr von uns chauffiert werden. Die Schuluniform findet er cool: alle sehen gleich aus, niemand fällt auf.

Eltern haben hier das Recht, ihre Kinder zu Hause zu unterrichten

Trotz der Möglichkeit zum Homeschooling schicken wir unseren Sohn ganz bewusst in eine öffentlich Schule – damit er hier auch neue Freunde findet und gemeinsame Erfahrungen mit anderen machen kann. 

In Irland besteht offiziell eine Schulpflicht für Kinder zwischen 6 und 16 Jahren – verstanden als Unterrichtspflicht, und nicht als starre Anwesenheitspflicht. Eltern haben deshalb das Recht, ihre Kinder zu Hause zu unterrichten. 

Gerade für einige andere Familien aus Deutschland war die Homeschooling-Möglichkeit mit eines der stärksten Argumente nach Irland auszuwandern.

Freundschaften: Kinder finden schnell Anschluss, Eltern arbeiten daran

Seit unserer Auswanderung vor drei Jahren fand unser Sohn immer schnell Anschluss. In Irland ist es normal, dass ständig neue Kinder in der Schulklasse oder der Kita-Gruppe dazukommen. 

Viele Familien sind aus dem Ausland zugezogen oder von dort in die alte Heimat zurückgekehrt. Für uns Eltern war es zu Beginn etwas schwieriger Kontakte zu knüpfen. 

Meine Frau und ich arbeiten beide remote und ohne Arbeitsplatz vor Ort fehlte das soziale Umfeld am Anfang. Wir mussten aktiv werden: Schulevents, Dorfveranstaltungen, Facebook-Gruppen. 

Nicht jeder Kontakt hielt, aber einige schon und daraus entstanden enge Freundschaften. Besonders andere Auswandererfamilien halfen beim Ankommen, weil sie selbst die Erfahrungen vom Neustart in Irland gemacht hatten.

Plötzlich ist man alles zugleich: Übersetzer, Chauffeur, Handwerker, Krisenmanager

Meine erste Auswanderung habe ich allein gemacht – damals von der Schweiz nach Deutschland. Diesmal waren wir zu dritt. Das hat vieles leichter gemacht: Wir konnten die Verantwortung auf zwei Schultern verteilen, gemeinsame Entscheidungen treffen, uns beraten und gegenseitig auffangen, wenn einer nicht mehr konnte.

Aber genau diese Nähe war auch eine Herausforderung. Denn plötzlich ist man nicht nur Partner oder Elternteil, sondern alles zugleich: Übersetzer, Chauffeur, Handwerker, Krisenmanager etc. Besonders in den ersten Monaten in Irland, als nichts wirklich rund lief, wurde das deutlich. 

Der Wendepunkt kam mit dem Umzug in unser eigenes Haus

Unser erstes Mietshaus war ein totaler Fehlgriff – kaputte Heizung, verschmutztes Leitungswasser, und ein undichtes Dach. Wir versuchten, einen neuen Alltag zu organisieren, während wir wortwörtlich im Chaos saßen und von den Vermietern im Stich gelassen wurden. Natürlich knallte es da manchmal – weil die Nerven blank lagen und jeder irgendwie funktionieren musste.

Als Familie haben wir etwas geschafft, was so in Deutschland nicht möglich gewesen wäre

Der Wendepunkt kam mit dem Umzug in unser eigenes Haus im Südosten der Insel. Wir haben es in großen Teilen selbst renoviert – mitten im Grünen, zwischen Schafen, Wiesen und Hügeln. 

Hier konnten wir dann wirklich Ankommen, uns ein neues Umfeld aufbauen und unser Guesthouse eröffnen – in dem wir inzwischen andere Familien aus der ganzen Welt Irland ein Stück näherbringen können.

Was Familien beim Auswandern beachten sollten

Wer als Familie auswandert, braucht eine gute Planung, Flexibilität und manchmal starke Nerven. Unsere wichtigsten Erkenntnisse:

  1. Frühzeitig über Bildungssystem, Aufenthaltsrecht, Betreuung informieren
  2. Kinder altersgerecht in die Auswanderung miteinbeziehen, Übergänge erklären
  3. Freizeitangebote, Sprachkurse und lokale Events nutzen um ein Netzwerk aufzubauen
  4. Genug finanzielle Puffer einplanen
  5. Ganz wichtig: Alle müssen am einen Strang ziehen und auswandern wollen. Zieht nur einer, geht es schief.

Heute wissen wir: Es war die richtige Entscheidung. Unser Sohn spricht zwei Sprachen, liebt seine Schule und fühlt sich hier zu Hause. Und wir wissen: Als Familie haben wir etwas geschafft, was so in Deutschland nicht möglich gewesen wäre.

Nicolas Kreutter ist Podcaster, Autor und zweifacher Auswanderer. Mit seinem Podcast „EINFACH AUSSTEIGEN“ erzählt er Geschichten von Menschen, die ihr altes Leben hinter sich lassen, um im Ausland neu anzufangen. Er ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.