Eine Hütte der Superlative: Einblicke in die Arbeit auf dem Herzogstandhaus

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Sigi Zauner (24) jun. ist zusammen mit seinem Vater Sigfrid der Küchenchef im Berggasthof Herzogstand. An Spitzentagen gehen bis zu 1800 Essen über die Theke. © arp

Das Herzogstandhaus auf 1575 Metern gehört zu den meistbesuchten Berggasthäusern im Tölzer Land. Vor Kurzem war auch Joshua Kimmich da - er war nicht der erste Promi dort. In unserer Serie „Verschnaufpause“ blickt der Tölzer Kurier hinter die Kulissen von bewirteten Hütten in der Region.

Kochel am See - Der Blick auf Kochelsee und Walchensee ist majestätisch. Nicht zuletzt dank der Bergbahn kommen heutzutage jedes Jahr zehntausende Besucher auf den Herzogstand und kehren bei Familie Zauner ein. An Spitzentagen gehen rund 1800 Essen über die Theke.

Das Herzogstandhaus ist die geschichtsträchtigste Hütte im Tölzer Land. Laut Chronik gaben die Herzöge Wilhelm und Ludwig dem Berg 1535 seinen Namen. 1857 errichtete König Max II., der Vater von „Märchenkönig“ Ludwig II., unterhalb der heutigen Häuser ein Jagdhaus. Acht Jahre später baute sich Ludwig II. dort oben das sogenannte Königshaus. Mindestens 22-mal, so ist der Chronik zu entnehmen, war er dort oben zu Besuch. Am Wanderweg erinnert eine Büste an ihn.

Nach dem Tod von Ludwig II. 1886 ging das Haus an den Freistaat Bayern über, genauer gesagt an die Forstverwaltung. Diese verpachtete es an die Alpenvereinssektion München, die 1896 ein Gast- und Bettenhaus anbaute und betrieb.

Defekter Kamin: Großbrand 1990

Gut 60 Jahre lang betrieb der Alpenverein die Hütte. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam der Tourismus in Schwung. 1954 ging der Sessellift in Betrieb, 1994 kam die Kabinenbahn. In den 1950er-Jahren beginnt auch die Geschichte der Familie Zauner am Herzogstandhaus. „Meine Urgroßeltern waren in dieser Zeit die Wirte auf der Tutzinger Hütte an der Benediktenwand“, erzählt Sigi Zauner jun.. Als der Sessellift zum Herzogstand fuhr, wollte der Alpenverein die Hütte nicht mehr weiter betreiben. „Die wollten lieber was ohne Bahn“, sagt Zauner. Kurzerhand wechselte die Familie – sie hieß damals noch Hartl und stammte aus Benediktbeuern – die Hütte und kaufte das Anwesen auf dem Herzogstand. Als Willi Hartl 1978 bei der Fahrt hinauf mit dem Auto tödlich verunglückte, ging der Besitz an die Familie Zauner über. Am Stammtisch erinnern zahlreiche Bilder an die Geschichte der Familien auf der Hütte. Zu sehen ist natürlich auch der 2021 verstorbene Siegfried Zauner, der bis 1996 fast 30 Jahre lang Kochler Bürgermeister war.

Der dunkelste Tag in der Geschichte des Berggasthofs: In der Nacht auf den 20. November 1990 brannte das Gebäude bis auf die Grundmauern nieder. Ursache war ein defekter Kamin. Auch das Königshaus von Ludwig II., an welches ja das Gasthaus angebaut worden war, wurde zerstört. 1991 begann die Familie mit dem Wiederaufbau, und am 1. August 1992 wurde das Berggasthaus wiedereröffnet.

Bei schönem Wetter 400 Kaiserschmarrn

In drei Stuben ist nun Platz für 250 Besucher, auf der Terrasse können rund 500 Gäste bewirtet werden. Es gibt 70 Betten in neun Doppel- und zwei Familienzimmern, die von Donnerstag bis Sonntag vermietet werden. Die drei Bettenlager werden nur an Gruppen vergeben. Die Küchenchefs Sigi Zauner senior und junior bewerkstelligen den Betrieb zusammen mit Johannes Klughammer sowie zwölf Festangestellten und 20 Aushilfen. Das klingt erst mal viel, ist aber bei den Besuchermassen immer noch zu wenig. „Seit Corona haben wir massive Personalprobleme“, sagt Sigi Zauner jun. Deshalb gibt es auch keine Bedienung mehr, wie auf vielen anderen Hütten herrscht Selbstbedienung. „Das gefällt nicht jedem“, sagt Zauner. „Wir müssen uns immer wieder blöde Kommentare anhören.“

Um für den Ansturm gewappnet zu sein, ist viel Planung notwendig. An schönen Tagen werden bis zu 3000 Getränke,  rund 400 Portionen Kaiserschmarrn und über 250 Schnitzel bestellt. „In Spitzenzeiten macht ein Mitarbeiter den ganzen Tag über nur Kaiserschmarrn“, sagt Zauner. Damit die Gäste nicht lange aufs Essen warten müssen, ist einiges vorbereitet. Zauner hat täglich einen 100-Liter-Topf mit Linsen vorbereitet, und auch 80 Liter Bolognese-Sauce sind schnell weg. Jeden Morgen werden Käse- und Schokokuchen gebacken, aber die Zauners kaufen trotzdem noch zu. „Wir brauchen an schönen Tagen mindestens zehn Kuchen.“

Auf dem Berggasthof stehen 70 Betten zur Verfügung. Etwas Besonderes ist das „König-Ludwig-Zimmer“, in dem noch ein Bett  (li.) aus dem Originalholz dieser Zeit steht.
Im Berggasthof stehen 70 Betten zur Verfügung. Etwas Besonderes ist das „König-Ludwig-Zimmer“, in dem noch ein Bett (li.) aus dem Originalholz dieser Zeit steht. © arp

Oberstes Gebot: Wasser sparen

Drei Fahrzeuge stehen zur Verfügung, um für Nachschub zu sorgen. Geholt wird täglich frisch. Montags geht’s zur Metzgerei Reßl nach Benediktbeuern („Da kann ich auch mal am Sonntag was holen, wenn’s knapp wird“), mittwochs kommen die Pommes aus Obersöchering. Am Donnerstag ist im Tal die Übergabe von einer Firma aus Österreich, von der Zauner Apfelstrudel und Käsekuchen bezieht. Freitags ist der große Tag der Getränke – dann sind alle drei Autos im Tal, um sie bei der Firma Glasl in Antdorf zu holen.  Pro Woche benötigt man auf dem Herzogstandhaus zwölf 50-Liter-Fässer Bier und die gleiche Menge Weißbier sowie jeweils zehn Träger Apfelsaft und Johannisbeersaft, 20 Träger Spezi und fünf Träger Almdudler.

Steckbrief

Baujahr: 1991 Neubau, die ersten Häuser am Herzogstand wurden 1857 und 1865 (Königshaus von Ludwig II.) errichtet
Sitzplätze innen: 250
Sitzplätze außen: rund 500
Übernachtungsplätze: 70 Betten, Lager nur noch für Gruppen
Spezialität des Hauses: Schweinsbraten
Beliebtestes Getränk: Radler
Zustiege: Auf das Herzogstandhaus gibt es mehrere Wege - von Urfeld, von der Kesselberg-Passhöhe, von Walchensee ab Bergbahn sowie mit der Bergbahn.
Öffnungszeiten: Die Sommersaison ist ab April/Mai bis Mitte November werktags von 9.30 Uhr bis 17 Uhr, am Wochenende bis 17.30 Uhr. Dienstags ist Ruhetag, nur in den bayerischen Schulferien ist kein Ruhetag. Von Mitte November bis zum Beginn der Weihnachtsferien ist geschlossen. In den Weihnachtsferien ist geöffnet. Der Winterbetrieb richtet sich dann nach dem Wetter. Alle Infos online auf www.berggasthaus-herzogstand.de
Prominente Gäste: Joshua Kimmich, Arjen Robben, Michael Ballack, Harry G, Franz Josef Strauß, Edmund Stoiber, Kardinal Reinhard Marx, Richard von Weizsäcker - und viele andere

Sechs Mitarbeiter wohnen auf der Hütte und kümmern sich um die Übernachtungsgäste. „Im Prinzip sind wir immer voll“, sagt Zauner. Etwas Besonderes ist das „König-Ludwig-Zimmer“, in dem noch ein Bett aus dem Originalholz dieser Zeit steht. Es konnte bei dem Großbrand gerettet werden. Wie die anderen Zimmer auch hat es nur ein Waschbecken. Duschen und Toiletten muss man sich teilen. Überall hängen Schilder, die zum Wassersparen aufrufen. Denn das Wasser ist auf der Hütte ein Problem. Das Trinkwasser kommt von einer kleinen Quelle in der Nähe, die aber bei großer Hitze versiegt. Im vergangenen Sommer war das der Fall. Die Hütte musste zwei Wochen zusperren. Die Zauners öffneten aber am Wochenende dazwischen und holten das Wasser aus dem Tal. „Das war aber wahnsinnig teuer“, sagt der Junior-Chef. Nochmal würde er das nicht machen. „Im Prinzip müsste ich dann fürs Schnitzel 40 Euro verlangen.“ Die Toilettenspülung läuft schon lange mit Regenwasser. „Wir sammeln hier alles in großen Tanks.“

1909: Erstes Auto auf dem Berg

Das Herzogstandhaus ist eine der bekanntesten Hütten südlich von München. Das liegt nicht nur an König Ludwig II. 1909 fuhr zum ersten Mal ein Auto nach oben, und zwar – man kann es sich heute kaum vorstellen – auf dem Reitweg. Der Münchner Martin Stolle hatte sich dafür eigens ein 18 PS starkes Auto konstruiert, ein Droschkengestell, für das eine Schreinerei einen speziellen Aufsatz entwickelt hatte. Die Rückenlehne war aus Blech. Eine „halsbrecherische Fahrt“ sei es gewesen, bei der Stolle zum Teil rückwärts fahren und angeschoben werden musste wegen der spitzen Kehren. Eine Infotafel von Stolles Großneffen erinnert in der Hütte daran.

Joshua Kimmich kam nach der EM

Unter Altbürgermeister Siegfried Zauner kamen zahlreiche CSU-Politiker auf den Berg, zum Beispiel die Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, Max Streibl und mehrmals Edmund Stoiber, der unter anderem mit Münchner-Merkur-Verleger Dirk Ippen mehrmals dessen Geburtstag auf dem Gipfel feierte. Auch der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker besuchte die Zauners.  Fernsehmoderator Werner Schmidbauer wanderte für seine Sendung „Gipfeltreffen“ mit Erzbischof Reinhard Marx auf den Herzogstand. Aber auch Bilder von Schlagersänger Hansi Hinterseer, Moderatorin Carolin Reiber, Schauspielerin Heidi Kabel, Fernseh-Ärztin Antje Katrin Kühnemann, Biathlet Ricco Groß und Fußballer Michael Ballack hängen an der Wand. „Kabarettist Harry G. kommt auch öfters mal“, sagt Sigi Zauner. Er hat auch schon Arjen Robben und jüngst, nach der EM, Nationalspieler Joshua Kimmich als Gäste bewirtet. „Aber ich geh da nicht hin und frag nach Autogrammen“, sagt Zauner. „Die Leute wollen ja auch mal privat sein. Und die anderen Gäste bei uns erkennen sie eh und sprechen sie an.“

Speisekarte auf Englisch

Sigi Zauner jun. ist „mit dem Herzogstandhaus aufgewachsen und hier reingewachsen“, beschreibt sich der 24-Jährige selbst schmunzelnd. Nach der Schule lernte er Elektriker und sattelte dann um auf Koch. Nach einem Sportunfall musste er aber diese Ausbildung abbrechen. Ab September wird er zwei Jahre auf eine Schule in München gehen, um den Hotelbetriebswirt zu machen. Schon jetzt hat er auf der Hütte Kontakt mit Besuchern aus aller Welt. „Zurzeit sind es viele Asiaten und Inder“, sagt er. Damit sich alle verständigen können, gibt es die Speisekarte auch auf Englisch. Das ist übrigens auch die Sprache in der Küche. „Zurzeit haben wir Mitarbeiter aus der Slowakei und aus Ungarn“, sagt Zauner.

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Der Herzogstand ist ein reiner Wander-Berg geblieben. „Wir haben vergleichsweise nur wenige Mountainbiker“, sagt Zauner. Die meisten kommen mit der Bahn oder zu Fuß, und rund 90 Prozent gehen den Gratweg zum Heimgarten. Die Kochler Bergwacht hat am Herzogstandhaus einen Stützpunkt. Trotzdem: Alle Mitarbeiter müssen einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert haben, sagt Zauner. Denn im Notfall zähle jede Minute. „Vom Herzinfarkt bis zum Radlunfall mit aufgeschlitztem Bein haben wir hier alles schon erlebt.“ Sein Vater hätte vier Menschen wiederbelebt.

Jede Woche eine Tonne Müll

Wer glaubt, auf einer Hütte seien die Gäste entspannt und glücklich, der irrt. „Viele Wanderer sind echt im Stress“, berichtet Zauner. „Wenn die Leute bei der Anfahrt lange im Stau stehen, unten keinen Parkplatz finden und sich dann über die Gebühren aufregen, bekommen wir das hier oben auch zu spüren. Manche Leute sind im Ton echt unverschämt.“ Außerhalb der Ferienzeiten hat das Berggasthaus dienstags Ruhetag. Wenn Zauner am Mittwoch hochkommt, muss er erstmal Müll aufsammeln. „Das regt mich am meisten auf“, sagt er. „Dass die Leute nicht in der Lage sind, ihren Müll wieder runterzutragen.“  Er finde „alles“ – vor allem aber Plastikflaschen, Bananenschalen, Klopapier und jede Menge Eispapier. „Manche legen ihre Sachen auch einfach bei mir vor der Tür ab. Das muss doch nicht sein.“ Grundsätzlich fällt im Berggasthof pro Woche eine Tonne Müll an, die Zauner ins Tal fährt.

Um die Situation zu verbessern, plant Familie Zauner, den Zugang zu den Toiletten umzubauen, damit man sie auch am Ruhetag betreten kann (wir berichteten). Für die Umsetzung soll es allerdings noch Gespräche mit Gemeinde und Staatsforsten geben.

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