„Es kann Krieg in Schweden geben“: Minister warnt vor Putin – und lässt drängende Fragen offen

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Kriegsgefahr – und ein Militär, das gegen Russland keinen Schutz bieten könnte: Schwedens Zivilschutzminister warnt, bleibt aber im Vagen.

Stockholm – Die nordischen Länder sind angesichts des Ukraine-Kriegs beunruhigt – deshalb haben Schweden und Finnland 2023 die Nato-Mitgliedschaft beantragt. Zuletzt kamen aus Russland vor allem Drohungen gen Helsinki. Doch es ist Schwedens Regierung, die nun eine überraschend deutliche Warnung an die eigene Bevölkerung ausgesendet hat.

Zivilschutzminister Carl Oskar Bohlin ließ mit inhaltlich weitreichenden Sätzen aufhorchen. „Viele haben es vor mir gesagt, aber lassen Sie es mich mit der Kraft meines Amtes tun: Es kann Krieg in Schweden geben.“ Am Mittwoch (10. Januar) erläuterte der Konservative seine Warnung – und warf dabei weitere Fragen auf.

Russland aktuell im Ukraine-Krieg gebunden: Schwedens Regierung will „Fenster“ nutzen

Gefallen waren die Worte am Sonntag bei der jährlichen Konferenz „Volk und Verteidigung“. Bohlin warnte vor „mentalen Verteidigungsmechanismen“ gegen Eindrücke von Terror und Gewalt. Das liege in einem Land wie Schweden mit „bald 210 Jahren Frieden“ nahe, müsse aber der Vergangenheit angehören. Die Frage sei: „Wer bist du, wenn der Krieg beginnt.“ In der Ukraine habe Russlands Präsident Putin schon eine Tür zu einem Raum „eingetreten“, in der diese Frage warte. Weitere Redner, darunter auch Ministerpräsident Ulf Kristersson griffen Berichten zufolge diese Vorlage bei der Veranstaltung auf.

Bohlin hatte auch zu mehr Tempo bei den Vorbereitungen auf einen Angriff gemahnt: Zeit könnte in der aktuellen Lage „das kostbarste Gut“ sein. „Wenn mich etwas in der Nacht wachhält, dann ist es, dass das zu langsam geht.“ Gefragt seien nicht nur das mutmaßlich überforderte Militär oder Behörden – sondern auch „Arbeitnehmer“ und „Privatpersonen“. Viele Schweden habe das beunruhigt, schrieb die Zeitung Dagens Nyheter. Und bat den Minister in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview um Klarstellung.

Bist du Arbeitnehmer? Gut, hast du deinen Arbeitgeber gefragt, wie er sich deine Rolle in der Kriegsorganisation des Unternehmens vorstellt? (...) Bist du Privatperson? Gut, hast du Verantwortung für deine Katastrophenvorbereitung übernommen? Hast du darüber nachgedacht, in eine freiwillige Verteidigungsorganisation einzutreten? Wenn nicht: Los geht‘s!

Die Antworten stellten die Journalisten aber offenbar nicht zufrieden. Fragen nach genaueren Angaben wich Bohlin aus.

Atomangriff auf Schweden denkbar? „Das gesamte Bedrohungsspektrum“

Es sei „natürlich nicht“ möglich, die Wahrscheinlichkeit eines bewaffneten Angriffs in Prozentzahlen zu beziffern, sagte Bohlin dem Blatt etwa. Allerdings bestehe die Einschätzung fort, dass sich Schweden in der ernstesten Sicherheitslage seit dem Zweiten Weltkrieg befinde. 2023 habe sich die Situation noch einmal verschärft. Auch die Frage, ob ein Atomwaffenangriff denkbar sei, beantwortete er nicht konkret. Es brauche „Vorbereitungen für das gesamte Bedrohungsspektrum“.

Schwedens Zivilschutzminister Carl-Oskar Bohlin bei der Konferenz „Folk och Försvar“ am Wochenende.
Schwedens Zivilschutzminister Carl-Oskar Bohlin bei der Konferenz „Folk och Försvar“ am Wochenende. © IMAGO/Pontus Lundahl/TT

Eine Zeitperspektive für Maßnahmen sei ebenfalls schwer zu benennen – der Druck hänge von äußeren Entwicklungen ab. Aktuell verringere der Ukraine-Krieg das Potenzial der russischen Armee. „Das gibt uns ein Möglichkeitsfenster, unsere Bereitschaft zu stärken“, betonte Bohlin. Schon im Sommer wollten schwedische Verteidigungspolitiker einen „bewaffneten Angriff“ auf das Land nicht ausschließen.

Sorge vor Russland: Schwedens Zivilschutzminister bereitet Familie auf Kriegsfall vor

Nötig seien in jedem Fall massive Veränderungen, etwa ein besserer Standard in Schutzräumen. Dafür seien 100 Millionen Kronen (umgerechnet knapp 10 Millionen Euro) bereitgestellt, sagte Bohlin. Das sei aber nur ein Anfang: Schweden müsse „vom Wort zur Tat schreiten“. Behörden und Kommunen müssten handeln, etwa bei der Wasserversorgung im Kriegsfall – und das im Zweifelsfalle auf unskandinavisch provisorische Weise: „Morgen ausreichend ist besser als perfekt in fünf Jahren“, betonte der Minister.

Er selbst habe Vorbereitungen getroffen, erklärte Bohlin Dagens Nyheter: Er habe einen Gasolkamin, ein batteriebetriebenes Radio und Wasservorräte sei Langem zu Hause gelagert. Nun bereite er seine Familie darauf vor, ohne seine Anwesenheit eine Kriegssituation zu überstehen. „Bei einem bewaffneten Angriff werde ich nicht zu Hause herumsitzen. In diesem Fall werde ich im Verteidigungsministerium sein und die Arbeit leiten. Dann haben wir einen Plan für diese Situation.“

Schweden ist anders als Finnland noch immer nicht unter den Schutzschirm der Nato geschlüpft, die Türkei und Ungarn blockieren den Beitritt. Bohlin betonte in diesem Lichte auch, ein Land mit zehn Millionen Einwohnern wie Schweden könne nicht auf unüberwindlichen Schutz des eigenen Militärs hoffen. Finnlands Präsident Sauli Niinistö dachte in seiner Neujahrsansprache jüngst schon in Nato-Kategorien. Er forderte mehr Rüstung in Europa. (fn)

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