Bahn- und Bauernstreik bei Markus Lanz: Gibt es noch Gerechtigkeit in Deutschland?

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Gestern die Bauern, heute die Lokführer: Das traditionell wenig streikfreudige Deutschland legt auf einmal massenhaft die Arbeit nieder. Ein Fall für Markus Lanz.

Hamburg – Angesichts notorisch unpünktlicher Züge müssten eher die Bahn-Kunden streiken, doch stattdessen legt jetzt die Lokführergewerkschaft GDL den Schienenverkehr lahm. Sie schließt sich damit den Bauern an, die seit Anfang der Woche für Chaos auf deutschen Straßen sorgen und mancherorts gar die Angst vor Versorgungsengpässen schüren.

Viel dramatischer könnten allerdings die Folgen eines geheimen Treffens sein, über das das Recherchemagazin Correctiv aktuell berichtet. „Remigration“ soll nach einer wie auch immer gearteten Machtergreifung der AfD erfolgen, die massenhafte Ausweisung von Migranten und deren Unterstützern. SPD-Politiker Ralf Stegner äußerte sich besorgt über diesen Bericht und warnte davor, die Pläne von Teilen der AfD, aber auch Vertretern aus der Wirtschaft auf die leichte Schulter zu nehmen und als absurden Wahnwitz abzutun: „Teile des bürgerlichen Milieus haben angefangen, sich vom Staat abzuwenden.“ Dorothea Siems, Chefökonomin der Welt bestätigte, dass Teile der Wirtschaft mit der AfD sympathisieren, aber weit mehr große Sorge vor einem Erstarken der Rechten haben – denn diese würden mit ihrer ausländerfeindlichen Rhetorik den Wirtschaftsstandort Deutschland schaden.

Talkrunde am 10. Januar 2024 bei Markus Lanz im ZDF. © Screenshot ZDF

Kritik an der GDL – nicht an den Bauern

Schaden dürfte auch die mangelnde Infrastruktur der notorisch verspäteten Bahn, die bei den Nachbarn schon belächelt wird und dem Mythos von deutscher Pünktlichkeit tiefe Risse zugefügt hat. Während die Streiks der Bauern auf recht großes Verständnis stoßen, wurde die Kritik an der GDL bei Markus Lanz deutlich. Erst vor wenigen Monaten haben die Lokführer Lohnerhöhungen erstritten, nun fordern sie nicht nur mehr Geld, sondern mittelfristig auch eine Reduzierung der Arbeitszeit auf 35 Stunden und danach gar die vier Tage Woche, führte Siems aus. Gerade angesichts häufig ausfallender Züge wegen Personalmangel wirken diese Forderungen geradezu bizarr, von den Folgen für Bürger, die nicht zur Arbeit kommen, ganz zu schweigen.

Ein Stammgast bei Markus Lanz ist der Wirtschaftsprofessor und Bahn-Experte Christian Böttger, der wie stets pointiert und präzise die Ursachen des Bahn-Streiks erläuterte. Das Problem, so Böttger, sei einmal mehr ein handwerklich schlechtes Gesetz, in diesem Fall das Tarifeinheitsgesetz, bei dem unklar ist, für wen es gilt. Problem sei, dass es neben der GDL noch die EVG gibt, die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft. Von denen sitzen Vertreter gar für die SPD im Bundestag, was Einigungen zusätzlich erschwert, zumal die Lobbytätigkeit von Seiten der Bahn, so Böttger, notorisch intensiv sei.

Stegener rechtfertigt Bonuszahlungen

Mit düsterer Miene und dauerhaft nach unten ragenden Mundwinkeln lauschte Ralf Stegner den Ausführungen des Bahn-Experten, stimmte zwar in die Kritik an zu intensiver Lobbyarbeit ein, ebenso am bruchlosen Wechsel vom Bundestagsabgeordneten in Bereiche der Wirtschaft, aber so sei eben die Demokratie, ändern könne man da wenig. Während Dorothea Siems heftige Kritik an den in ihren Augen ausufernden und unzumutbaren Streiks der GDL übte, aber auch an den Bonuszahlungen, die sich die Bahnchefs selbst zuteilen, antwortete Stegner nur: Das sei ja überall so. Was zwar so ist, es aber weder hier noch dort besser macht.

Markus Lanz im ZDF Die Gäste vom 11. Januar 2024
Ralf Stegner SPD-Politiker
Dorothea Siems Journalistin
Christian Böttger Bahnexperte
Christian Lohmeyer Landwirt

Fast schon absurd mutete es an, als Christian Böttger das Bonussystem der Bahn erörterte: Die Chefs bekommen Boni für das Erreichen von Unternehmenszielen. Wenig überraschend wurden die Ziele Pünktlichkeit und Kundenzufriedenheit nicht erreicht. Dafür gab es Boni für Mitarbeiterzufriedenheit und Frauenförderung, womit kaum mehr als das Einstellen von ein paar Frauen reichte. Abgesegnet wurde dieses reichlich absurd anmutende System auch vom Aufsichtsrat.

Dass angesichts solcher Entscheidungen die Politikverdrossenheit zunimmt, kann kaum überraschen. Ihren Teil dazu beiträgt fraglos die oft aberwitzig anmutende Trägheit des Landes, wenn es um Ausbau der Infrastruktur, beim Bau von Windrädern, beim Ausbau des Glasfasernetzes, beim Abbau der Bürokratie usw. geht. Demokratie ist eben langsam, Kompromisse fallen schwer, erwiderte natürlich Ralf Stegner – der in einer fast buddhaartigen Ruhe jede Kritik an den Entscheidungsträgern der Politik an sich abperlen ließ.

Offene Fragen bei Markus Lanz

Auch der Landwirt Christian Lohmeyer, Mitorganisator der Bauernproteste sparte bei Markus Lanz im ZDF nicht mit Kritik: „Das größte Problem ist die unglaubliche Sprunghaftigkeit dieser Regierung.“ Andererseits forderte Lohmeyer auch das Streichen der Subventionen, denn ein erheblicher Teil der Agrarsubventionen gingen gar nicht an die Bauern, sondern an Ministerien oder Organisationen wie die NABU, Deichverbänden, kurz, jeden, der Fläche hat.

Die Bauern würden, laut Lohmeyer, gar nicht so viel bekommen, müssen dafür allerdings zum Beispiel vier Prozent ihrer Flächen brach liegen lassen. Statt hoch ertragreiche Landwirtschaft zu betreiben, würden auf solchen Flächen Gräser wachsen, die irgendwie zum Umweltschutz beitragen sollen. Dennoch sei „nicht alles schlecht“ versuchte Stegner die Lage in der Republik zu verteidigen, andere würden sagen: schönzureden. Deutschland sei die drittgrößte Wirtschaftsmacht der Welt und zudem gut durch die Corona-Pandemie gekommen, was vor allem Siems und Lohmeyer vehement abstritten.

Auch Lanz brachte zum Ende seiner Sendung das Gespräch noch einmal auf eine übergeordnete Frage: Gib es noch Gerechtigkeit in Deutschland? Lohnt sich Arbeit noch? Die Antworten auf diese Fragen werden in den nächsten Monaten noch oft und ausgiebig diskutiert werden. (Michael Meyns)

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