Tierärztin gibt Tipps: So verlängert die richtige Fütterung das Leben Ihres Haustiers
Fast die Hälfte der in Deutschland lebenden Hunde und Katzen sind Literaturangaben nach übergewichtig. Häufig ist uns das nicht bewusst, wird doch ein „guter“ Ernährungszustand mit Wohlstand und Fürsorge in Verbindung gebracht. Hat sich unser Auge schon an „wohlgenährte“ Tiere gewöhnt?
Über Susanne Schumacher
Dr. Susanne Schumacher spezialisiert sich seit ihrem Tiermedizinstudium an der LMU München auf Ernährungsberatung und klinische Diätetik für Tiere. Nach praktischer Erfahrung in Kleintierpraxen und einer Promotion am Lehrstuhl für Tierernährung der LMU, konzentriert sie sich seit 2003 auf die Ernährungsberatung. Seit 2009 ist sie Teil des Teams der Tierklinik Oberhaching.
Ab wann gilt ein Tier als übergewichtig?
Von Übergewicht sprechen wir, wenn das Körpergewicht des Tieres mehr als 10 Prozent über seinem Idealgewicht liegt. Wird das Idealgewicht um mehr als 20 Prozent überschritten, handelt es sich um Adipositas (Fettleibigkeit). Bringt also ein Hund mit einem Idealgewicht von 25 Kilogramm rund 28 Kilogramm auf die Waage, ist er übergewichtig. Wiegt er 30 Kilogramm oder mehr, gilt er als bereits als adipös.
Zur Ermittlung des Idealgewichtes kann der sogenannte Body Condition Score (BCS) für Hund und Katze herangezogen werden, welcher auf einer Skala von 1 bis 9 mit Hilfe von definierten Kriterien (wie zum Beispiel Sichtbarkeit der Taille, Fühlbarkeit der Rippen) eine weitgehend objektive Beurteilung des Ernährungszustandes erlaubt.
Auf Jungtiere im Wachstum hingegen ist der BCS nicht anzuwenden: Erhalten Welpen zu kalorienreiche Nahrung, werden sie in der Regel nicht dick, sondern wachsen zu schnell, was zu einer übermäßigen Belastung des noch unausgereiften Bewegungsapparates führt und Skelettentwicklungsstörungen bedingen kann.
Gesundheitsrisiken durch Übergewicht
Die Auswirkungen von Übergewicht sind vielfältig und können zum Beispiel orthopädische Erkrankungen und Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems verursachen. Osteoarthrose oder Kreuzbandrupturen werden insbesondere bei adipösen Tieren diagnostiziert. Auch bei der Entstehung Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus kann Übergewicht ursächlich eine Rolle spielen, insbesondere bei Katzen. Auch das Risiko der Harnsteinbildung ist bei übergewichtigen Hunden und Katzen erhöht. Zahlreiche weitere Erkrankungen können durch Übergewicht begünstigt werden.
Hinzukommt, dass übergewichtige Tiere weniger bewegungsfreudig sind und somit natürliche Verhaltensweisen nur eingeschränkt ausleben können. In einer Studie konnte aufgezeigt werden, dass idealgewichtige Hunde im Vergleich zu adipösen Spezies eine um etwa zwei Jahre höhere Lebenserwartung aufweisen, was in Anbetracht der Lebenszeit eines Hundes erheblich ist.
Wie kommt es zu Übergewicht?
In der Regel liegt eine Kalorienaufnahme zugrunde, die den Bedarf des Tieres überschreitet. Der Energiebedarf (Kalorienbedarf) ist individuell unterschiedlich und hängt zudem von äußeren Faktoren wie Alter und Aktivität oder auch der Rasse ab.
Bei kastrierten Tieren oder bei Senioren ist der Energiebedarf häufig per se vermindert. Wird der durchschnittliche Energiebedarf mit 100 Prozent gleichgesetzt, sind bei diesen Tieren oft 80 Prozent der durchschnittlich benötigten Kalorienzufuhr ausreichend.
Fütterungsempfehlungen passen oft nicht zum Bedarf
Die meisten Fütterungsempfehlungen beziehen sich auf einen höheren Bedarf. Daher sollten die täglichen Futtermengen nach Einhalten des Idealgewichtes zugeteilt werden und nicht nach Fütterungsempfehlung des Herstellers. Zudem ist die Futtermenge stets nach Idealgewicht zuzuteilen und nicht nach aktuellem (Über-) Gewicht.
Hinzu kommen die Snacks, die in die Futterzuteilung einbezogen werden müssten, häufig aber zusätzlich gegeben werden. Nicht selten wird der Kaloriengehalt der Extras unterschätzt, insbesondere bei getrockneten Produkten.
So enthält zum Beispiel Trockenfleisch infolge des Wasserentzuges etwa die drei- bis vierfache Menge an Kalorien (und auch an Nährstoffen wie Protein und Phosphat) als Frischfleisch. 10 Gramm Trockenfleisch sind demnach mit 30 bis 40 Gramm frischem Fleisch zu vergleichen. Durch die Gabe einer relevanten Menge an Trockenfleisch werden außerdem die Nährstoffgehalte des Hauptfutters „verdünnt“, Trockenfleisch enthält zum Beispiel keine relevanten Mengen an Calcium.
Auch der Kaloriengehalt vieler weiterer Extras wird häufig unterschätzt. Ein Wiener Würstchen liefert etwa 200 Kalorien. Ein mittelgroßer Hund mit einem Körpergewicht von 20 Kilogramm benötigt durchschnittlich 900 Kalorien pro Tag. Dieses eine Wiener Würstchen deckt somit beinahe ein Viertel des täglichen Kalorienbedarfs. Kommt zu dem Würstchen noch eine Kaustange und eine Hand voll Leckerchen, können die Extras bereits die Hälfte des Tagesbedarfs an Kalorien liefern.
Auch kleine Extras können große Wirkung haben
Eine Katze mit einem Idealgewicht von 4 Kilogramm benötigt täglich etwa 200 Kalorien. Erhielte die Katze über den Tag verteilt 30 Gramm Leberwurst (zum Beispiel zur Medikamenteneingabe), wäre hierdurch bereits der halbe Tagesbedarf an Kalorien gedeckt.
Für alle Extras (Leckerchen, Kauartikel, Wurst, Brot, Öl etc.) müsste daher die Zuteilung der Menge des Hauptfutters entsprechend reduziert werden. Nicht außer Acht zu lassen ist hierbei, dass die Belohnungen meist keine essentiellen Nährstoffe wie zum Beispiel Calcium, Vitamin D oder Jod liefern. Durch die Reduzierung des Hauptfutters, welches diese Nährstoffe in der Regel enthält, kann dann ein Mangel entstehen.
Dies ist auch der Grund, weshalb „FDH“ meist keinen geeigneten Ansatz zur Gewichtsreduktion darstellt: Wird nur die Hälfte der empfohlenen Futtermenge zugeteilt, ist auch nur die Hälfte an wichtigen Mineralien und Vitaminen enthalten. Nicht selten muss die Kalorienzufuhr auf unter 60 Prozent des Normalbedarfs reduziert werden, um die gewünschte Gewichtsabnahme zu erreichen.
Kommerzielle Futtermittel, die speziell zur Gewichtsreduktion ausgewiesen sind, berücksichtigen diesen Sachverhalt und liefern ausreichend Nährstoffe bei zugleich niedrigem Fett- und Kaloriengehalt. Hingegen enthalten sog. Light-Futter oft lediglich weniger Kalorien im Vergleich zu anderen Produkten des Herstellers.
Hilfreich ist es auch, kalorienreiche Snacks (insbesondere Trockenprodukte) durch kalorienarme Extras zu ersetzen. Geeignet sind zum Beispiel Gemüse wie Salatgurke oder Zuchini; auch Karotte darf als Snack gegeben werden und kann zugleich als Kauartikel dienen. Selbst einige Katzen nehmen Gemüse oder Obst als Snack an, sind aber meist wählerischer als Hunde. Hier kann auch ein wasserreiches, fettarmes Produkt (zum Beispiel ein Stückchen magere, gekochte Hühnerbrust) einen kalorienreichen, getrockneten Snack ersetzen. Wird ein Trockenalleinfutter verwendet, kann sich dieses nach Abzug von der Tagesmenge auch gut zur Gabe als Belohnung oder zum Training eignen.
Über Extras und Snacks sollten generell nicht mehr als 10 Prozent des Tagesbedarfs an Kalorien zur Verfügung gestellt werden.
Nassfutter als Diäthilfe
Feuchtfutter weisen den Vorteil auf, dass gegenüber Trockenfuttermitteln ein deutlich höheres Futtervolumen zugeteilt werden darf, da der Wassergehalt rund 80 Prozent beträgt. Auch ein erhöhter Ballaststoffgehalt kann die „Sättigung“ verbessern und die Gewichtsabnahme erleichtern. Eine Kombination von Nass- und Trockenfutter ist möglich.
Die Gewichtsreduktion sollte langsam erfolgen und wöchentlich rund 2 Prozent des aktuellen Körpergewichtes betragen. Ein Hund mit einem aktuellen Gewicht von 25 Kilogramm und einem Idealgewicht von 20 Kilogramm dürfte somit pro Woche etwa 500 Gramm an Gewicht verlieren. Regelmäßige Gewichtskontrollen und das Führen einer Gewichtskurve sind zu empfehlen.
Viele zum Zweck der Gewichtsreduktion konzipierte Alleinfuttermittel sind gut geeignet, eine Gewichtsabnahme zu erreichen und dennoch eine bedarfsdeckende Versorgung mit allen essentiellen Nährstoffen sicherzustellen.
Möchten Sie das Futter selbst zubereiten oder kombinieren, hilft Ihnen gerne ein auf Ernährung und Diätetik spezialisierter Tierarzt/eine spezialisierte Tierärztin bei der Erstellung einer individuellen Ration für Ihren Hund oder für Ihre Katze.
Sollte Ihr Tier übergewichtig sein, helfen Sie ihm, durch Gewichtsreduktion Erkrankungen vorzubeugen und die Lebensqualität zu verbessern.
Dieser Beitrag stammt aus dem EXPERTS Circle – einem Netzwerk ausgewählter Fachleute mit fundiertem Wissen und langjähriger Erfahrung. Die Inhalte basieren auf individuellen Einschätzungen und orientieren sich am aktuellen Stand von Wissenschaft und Praxis.