„In jeder Sekunde auf Krieg vorbereitet“: China probt Taiwan-Invasion – Zeitpunkt kein Zufall

  • Sven Hauberg
    VonSven Hauberg
    schließen

China will sich Taiwan einverleiben – und macht das wieder mit einem Militärmanöver deutlich. Es kommt unmittelbar nach einem aus Sicht Pekings brisanten Jahrestag.

Die chinesische Volksbefreiungsarmee (VBA) hat mit einem Militärmanöver ihre Ansprüche auf das demokratisch regierte Taiwan unterstrichen. Wie Staatsmedien am Mittwoch mitteilten, übte die 73. Gruppe der VBA am Dienstag an einem Strand in der Provinz Fujian Taktiken und Fähigkeiten für küstennahe Fahr- und Landeoperationen mit gepanzerten Amphibienfahrzeugen. Die 73. Gruppe ist in der Stadt Xiamen stationiert, die in Sichtweite der von Taiwan kontrollierten Insel Kinmen liegt.

Der chinesische Staatssender CCTV zitierte einen an der Übung beteiligten Soldaten namens Qian Bo mit den Worten: „Wir sind in jeder Sekunde auf den Krieg vorbereitet.“ Ein anderer Soldat namens Bo Shaopu sagt in dem Bericht: „Wir glauben, dass wir, wenn der Tag kommt, kein Problem haben werden, sofort zu reagieren, zu kämpfen und zu gewinnen.“ Gemünzt ist das offenbar auf eine mögliche Invasion Taiwans. China betrachtet den Inselstaat als Teil des eigenen Staatsgebiets und droht seit Jahrzehnten mit der gewaltsamen Annexion.

China und Taiwan: Darum geht es in dem Konflikt

Taiwans F-16-Kampfjet (links) überwacht einen der beiden chinesischen H-6-Bomber, die den Bashi-Kanal südlich von Taiwan und die Miyako-Straße in der Nähe der japanischen Insel Okinawa überflogen.
Chinas letzter Kaiser Puyi
Porträt von Sun Yatsen auf dem Tiananmen-Platz in Peking
Mao Zedong ruft die Volksrepublik China aus
China und Taiwan: Darum geht es in dem Konflikt

China wirft Taiwans Präsidenten „Separatismus“ vor

Der Zeitpunkt für die Übung ist wohl kein Zufall: Am Dienstag hatte Taiwans Präsident Lai Ching-te anlässlich des ersten Jahrestags seiner Amtsübernahme eine Stärkung der Verteidigungsfähigkeiten des Inselstaats angekündigt. Um Krieg zu vermeiden, müsse sich Taiwan auf Krieg vorbereiten, so Lai. Der Politiker der seit 2016 regierenden Demokratischen Fortschrittspartei erklärte sich zudem zu Gesprächen mit der chinesischen Staatsführung „auf Augenhöhe“ bereit.

China betrachtet Lai als „Separatisten“. Ein Sprecher des Büros für Taiwan-Angelegenheiten erklärte, Lais Kommentare seien „heuchlerisch“. „Nur wenn wir die Tatsache anerkennen, dass beide Seiten der Taiwanstraße zu einem China gehören, werden der Dialog und die Konsultationen zwischen beiden Seiten der Taiwanstraße eine Grundlage haben, um wieder aufgenommen zu werden“, sagte der Sprecher weiter.

Kampfflugzeuge der chinesischen Volksbefreiungsarmee in der Nähe von Taiwan: Die Spannungen in der Region nahmen zuletzt wieder zu. (Archivbild)

Droht eine chinesische Invasion Taiwans?

Die taiwanische Regierung hatte bereits in der vergangenen Woche gewarnt, China könnte den Jahrestag von Lais Amtseinführung als Vorwand für Militärübungen nutzen. Aus dem Verteidigungsministerium in Taipeh hieß es am Mittwoch, man habe in den zurückliegenden 24 Stunden 15 chinesische Kampfjets sowie acht Kriegsschiffe in der Nähe der Insel registriert – verglichen mit chinesischen Militärübungen der letzten Jahre eine relativ geringe Zahl. Allerdings hätten alle 15 Kampfjets die sogenannte Medianlinie überquert, die inoffizielle Grenze zwischen China und Taiwan. Zuletzt hatte China Anfang April mehrtägige Militärmanöver nahe Taiwan abgehalten.

Auch wenn China durch solche Übungen immer wieder deutlich macht, dass es sich Taiwan einverleiben möchte: Laut Experten steht ein Angriff auf den Inselstaat nicht unmittelbar bevor. Statt Taiwan mit einer großangelegten Invasion unter Kontrolle zu bringen, könnte die chinesische Volksbefreiungsarmee Analysten zufolge auf andere Taktiken setzen – etwa eine Blockade oder Quarantäne der Insel. Auch Taiwans Atomausstieg am vergangenen Wochenende hatte Befürchtungen befeuert, China könnte die Insel unter anderem von Energielieferungen abschneiden.

Rubriklistenbild: © Li Bingyu/Xinhua/dpa