Trumps neueste Idee hört sich harmlos an, ist in Wahrheit aber Sprengstoff pur

Nachdem US-Präsident Donald Trump und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin auseinandergegangen waren, schien es, als habe der Gipfel in Alaska keinerlei Ergebnis gebracht. Eine Erklärung Trumps nach seiner Rückkehr nach Washington zeichnet nun ein anderes Bild. Demnach sei der beste Weg, um den Krieg zu beenden, "ein direkter Friedensvertrag, der den Krieg beenden würde, und nicht nur ein Waffenstillstandsabkommen, das oft nicht hält".

Der Satz klingt zunächst harmlos. Wer kann schon gegen Frieden sein? Doch bei genauerem Hinsehen steckt darin politischer Sprengstoff. Denn zwischen einem Waffenstillstandsabkommen und einem Friedensvertrag liegen große Unterschiede – besonders im Fall des Ukraine-Kriegs.

Kein Waffenstillstand: Putin hat sich gegen Trump durchgesetzt

Vor dem Alaska-Gipfel hat Trump einen Waffenstillstand zum Ziel erklärt. Für Ukrainer und Europäer wäre das ein wichtiger Schritt. Denn ein Waffenstillstand "unterbricht die Kriegsunternehmungen kraft eines wechselseitigen Übereinkommens der Kriegsparteien", wie es in der Haager Landkriegsordnung von 1907 heißt.

Konkret: Putin müsste das Töten in der Ukraine beenden. Auch weitere Gebietsverluste könnten so unterbunden werden – was aktuell besonders wichtig ist: "Die Ukraine, unterstützt von den Europäern, fordert einen sofortigen und bedingungslosen Waffenstillstand, weil die russische Armee im Vormarsch ist und die ukrainischen Soldaten immer weiter zurückweichen müssen", erklärt Gerhard Mangott, Politikwissenschaftler an der Universität Innsbruck, auf Anfrage von FOCUS online.

"Aus genau dem Grund ist Russland aber kategorisch gegen einen Waffenstillstand", erklärt der Experte. Offenbar konnte Putin diese Linie erfolgreich gegen Trump durchsetzen, der ausweislich seines Statements vom Samstag vom ursprünglichen Ziel abgerückt ist. Für die Ukraine ist dieses Zugeständnis eine Niederlage. 

Denn ein Waffenstillstand hätte zunächst nur bedeutet, dass die aktuelle Frontlinie eingefroren wird. Eine rechtliche Anerkennung des besetzten Gebietes als russisch hätte es hingegen nicht bedeutet. 

Ein Waffenstillstand ist kompliziert – aber möglich

Historisch betrachtet ist das nicht ungewöhnlich, wie Politikwissenschaftler und Geopolitik-Experte Klemens Fischer von der Uni Köln im Gespräch mit FOCUS online erklärt: "Man denke nur an Korea: Dort herrscht seit den 1950er-Jahren kein Frieden, sondern lediglich ein Waffenstillstand. Der Konflikt ist ungelöst, die Grenzen umstritten, aber das Töten wurde gestoppt."

Zwar sei die Umsetzung "enorm kompliziert" wegen der sich über mehr als 1000 Kilometer ziehenden Frontlinie. "Allein die militärische Entflechtung, also das Zurückziehen von Truppen, die Festlegung von Kontrollmechanismen, internationale Überwachung – das alles ist ein Mammutprojekt, das Monate oder Jahre dauern kann", so Fischer. 

Auch Mangott sieht hohe Hürden: "Waffenruhen sind und bleiben fragil, solange die tiefer liegenden Konflikte der Kriegsparteien nicht einvernehmlich gelöst sind." Das ist derzeit bei Russland und der Ukraine aber offensichtlich nicht der Fall.

Friedensabkommen "überfordert derzeit die Akteure"

Trotzdem glauben beide Experten noch weniger an ein Friedensabkommen, wie Trump es nun will. Ein solcher Vertrag "überfordert derzeit die Akteure", glaubt Fischer. Das hat gleich mehrere Gründe. 

Zum einen kommen bei einem Friedensabkommen nämlich "alle Forderungen der beiden Kriegsparteien und ihrer Unterstützer auf den Tisch", erklärt Mangott. Das heißt auch: Putin würde mit der Forderung in die Gespräche gehen, dass die eroberten Gebiete rechtlich Russland zugeschlagen werden. 

Selenskyj kann seinem Volk Gebietsabtretungen nicht zumuten

Das ist für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj aber nicht tragbar. "Er müsste der ukrainischen Bevölkerung erklären, dass bestimmte Regionen endgültig verloren sind – ein Schritt, der ihn innenpolitisch das Amt kosten könnte", glaubt Fischer. "Ein solcher Vertrag käme einer Kapitulation gleich, und dafür gibt es in der Ukraine keinerlei Rückhalt."

Ähnlich sieht es Mangott. Er weist zusätzlich darauf hin, dass schon rechtlich nicht abgesicherte De-facto-Abtretungen politisch riskant seien. "Gerade die nationalistische Rechte würde das Selenskyj nicht verzeihen und könnte damit innenpolitisch gegen ihn mobilisieren."

Putin wird sich nicht auf Sicherheitsgarantien einlassen

Zudem müsste bei einem Friedensabkommen mehr als bei einem Waffenstillstand die Einhaltung garantiert werden. "Am besten wäre die Präsenz ausländischer Soldaten zur Kontrolle und – im günstigsten Fall – sogar eine militärische Antwort auf eine Waffenstillstandsverletzung", erklärt Mangott "Dazu wird es aber sicher nicht kommen – weil die westlichen Staaten keine Soldaten vor Ort haben wollen und nicht direkt mit der russischen Armee in eine Konfrontation kommen wollen."

Es müssten also anderweitig Sicherheitsgarantien gegeben werden. In einem gemeinsamen Statement von europäischen Staats- und Regierungschefs sowie der EU am Samstag wird das Thema aufgegriffen. Darin heißt es, die "Koalition der Willigen", sei bereit, eine aktive Rolle zu spielen. Zudem schreiben die Politiker: "Es dürfen keine Einschränkungen für die ukrainischen Streitkräfte oder für ihre Zusammenarbeit mit Drittstaaten bestehen. Russland darf kein Vetorecht gegen den Weg der Ukraine in die EU und die Nato haben."

Allerdings ist es unrealistisch, dass Russland diese Forderungen akzeptiert. "Die einzige Sicherung, die dann bleibt, ist eine maximale Hochrüstung der Ukraine, wodurch ein möglicher zukünftiger Angriff Russlands abgeschreckt werden könnte", sagt Mangott. Allerdings werde Putin sich auch darauf keineswegs einlassen.

Friedensvertrag unter Zwang ist nichtig

Schließlich bliebe bei Verhandlungen über einen Friedensvertrag ein völkerrechtliches Problem, das sich aber auch ganz praktisch stellt. Markus Kotzur, Völkerrechtsprofessor an der Uni Hamburg, erklärte dem Fachportal "Beck aktuell" im Januar, dass "Verträge, die unter Zwang zustande gekommen sind, von Anfang an nichtig sind". So stehe es in der Wiener Vertragsrechtskonvention. "Das ist bei Friedensverträgen eine besonders schwierige Geschichte, weil man schnell das Gefühl hat, dass ein Aggressor der unterlegenen Partei eine Regelung aufnötigt", so Kotzur.

Wie soll festgestellt werden, dass Selenskyj aus freien Stücken einem möglichen Friedensvertrag mit Gebietsabtretungen zustimmt? Bei Druck aus den USA – ausgeübt über die drohende Einstellung der Unterstützung – und militärischem Druck aus Russland ist das kaum möglich. Trump und Putin wäre das völkerrechtliche Problem wahrscheinlich aber egal.

So oder so scheint sich eine bittere Erkenntnis nach dem Alaska-Gipfel zu verfestigen: Egal, ob es am Ende einen Friedensvertrag gibt, einen Waffenstillstand oder weitere Kämpfe – die von Russland besetzten Gebiete wird die Ukraine wahrscheinlich nicht zurückerhalten können.