Brandmauer? Thüringens CDU-Chef wird deutlich: „Stellen AfD hart in der Sache“
Die Landtagswahlen in Thüringen stehen bevor und CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt ist im Wahlkampfmodus. Einen großen Fehler von 2020 wolle die CDU diesmal nicht machen, sagt er.
Erfurt – Der Spätsommer bringt die Entscheidung: Wie stark kann die AfD tatsächlich werden? In Brandenburg, Sachsen und Thüringen sind ab dem 1. September Landtagswahlen, dort hat die Partei aktuell hohe Umfragewerte. Mario Voigt ist Spitzenkandidat der CDU in Thüringen – und im Wahlkampfmodus. Zuletzt war oft die Rede von der CDU als Brandmauer gegen die AfD. Der Thüringer CDU-Chef würde das anders formulieren, wie er im Interview erklärt.
Was verstehen Sie unter dem Begriff „Brandmauer“, Herr Voigt?
Mit dem Begriff Brandmauer kann ein normaler Bürger nichts anfangen. Wir alle in der CDU-Führung reden Klartext im Umgang mit der AfD und auch der Ampel. Ich habe manchmal den Eindruck, dass die Debatte von der politisch Linken hochgehalten wird. Unser Wertekompass ist klar. Die CDU stellt eigene Positionen dar und definiert sich nicht über und auch nicht durch andere. Wir sitzen nicht wie das Kaninchen vor der Klapperschlange, sondern stellen die AfD hart in der Sache.
Demo gegen Rechts: „Entscheidung fällt an der Wahlurne“
In Deutschland demonstrieren Hunderttausende gegen Rechtsextremismus und gegen die AfD. Auch in Thüringen. Was sagen Sie diesen Menschen, die sich offenbar Sorgen machen?
Das ist ein ermutigendes Zeichen für die Seele unseres Landes, das von den Menschen ausgeht. Ich war selber bei Demonstrationen in Altenburg oder Jena. Wenn jemand von der AfD über Remigration und millionenfache Ausweisung schwadroniert, ist das gefährlich für dieses Land. Aber die Entscheidung fällt an der Wahlurne. Wenn es bessere Politik gäbe und die drängenden Fragen von hohen Lebenshaltungskosten, ungeregelter Migration oder stagnierender Wirtschaft angepackt würden, dann wäre die AfD kleiner. Es ist doch kein Zufall, dass die AfD nur halb so stark war, als die CDU regiert hat. Der Ampel fehlt jedes Vertrauen in der Bevölkerung. Die erste Wahl dieses Jahres hat die CDU ja bereits gegen die AfD gewonnen.
Sie meinen die Landratswahl im Saale-Orla-Kreis.
Genau. Den Problemen der Menschen nicht ausweichen, Lösungen anbieten und nah dran sein, das hat uns geholfen. Dann gewinnt man Wahlen.
Meine news
Ist AfD-Politiker Björn Höcke ein Nazi?
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst hat neulich AfD-Politiker als Nazis bezeichnet. Wie finden Sie das?
Ich finde es wichtig, dass man die Ideologie offenlegt und klar benennt.
Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke gilt als gesichert rechtsextremistisch. Ist er ein Nazi?
Ja, er ist rechtsextremistisch und verfolgt eine menschenverachtende Ideologie.
Landtagswahl Thüringen 2024: „CDU ist einzig verliebene Volkspartei“
Bernd Baumann von der AfD hat neulich gesagt, wenn die CDU nicht mit der AfD zusammenarbeite, dann werde es sie zerreißen. Was sagen Sie zu so einem Satz?
Den halte ich für absoluten Unfug. Die CDU ist die einzige verbliebene große Volkspartei in Deutschland. Die Frage lautet doch jetzt: CDU oder AfD. Wollen die Leute einen Neuanfang und Ordnung in so wichtigen Fragen wie Teuerung, Energie, Sicherheit, Migration – oder wollen sie stattdessen vorprogrammiertes Chaos mit der AfD. Die linken Parteien sind inhaltlich und auch im Vertrauen der Leute abgemeldet, wenn es um die Frage geht, wie wir Deutschland wieder zurück in die Spur bringen. Die CDU hingegen hat eine klare Haltung dazu und das werden die Wählerinnen und Wähler honorieren.
Wie sieht diese Haltung aus?
Die Leute haben die Nase voll von der Ampel im Bund und von der Ramelow-Regierung hier in Thüringen. Viele haben das Gefühl, dass unser Land von Berlin bis Erfurt in eine Unordnung geraten ist. Die Regierung ist zerstritten, hat die Finanzen nicht im Griff, die Wirtschaft ächzt und es gibt keine Ordnung bei der Flüchtlingspolitik. Fleiß, Respekt und Gerechtigkeit zählen kaum noch. Den Menschen fehlt die Hoffnung, dass es unter dieser Regierung besser wird. Das ist eine Riesenchance für die Union, deutlich zu machen, dass wir einen anderen Kurs für dieses Land haben.
Können Sie diesen Kurs beschreiben?
Es gibt mehrere Punkte. Erstens: Die aktuell ungeregelte Zuwanderung ist ein Riesenproblem, da wollen wir Ordnung reinbringen. Zweitens: Wir müssen uns wieder mehr für die Fleißigen in diesem Land einsetzen. Deswegen kämpfe ich auch dafür, dass das Bürgergeld abgeschafft wird. Denn das ist der falsche Anreiz in diesem Land. Stattdessen sollte jede über die Wochenarbeitszeit hinausreichende Arbeitsstunden steuerfrei gestellt werden. Ein Großprojekt der CDU ist auch das Gesellschaftsjahr. Damit stärken wir unsere Gemeinschaft und führen uns alle wieder näher zusammen, statt nur zu spalten. Und last but not least muss das Leben für die Leute wieder einfacher gemacht werden. Weniger Bevormundung, weniger Bürokratie und mehr Klartext.
CDU-Thüringen-Chef Mario Voigt: „Viele fühlen sich an 1989 erinnert“
Friedrich Merz hat vor einiger Zeit im Zusammenhang mit Migration und Problemen mit arabischstämmigen Jugendlichen von „kleinen Paschas“ gesprochen. Ist das eine Art von Klartext, die der CDU aktuell eher nutzt oder schadet?
Ich finde, dass Klartext wichtig ist, gerade für die Menschen hier im Osten. Die haben sich seit 1990 ihren kleinen Wohlstand aufgebaut und sehen jetzt, dass der in Gefahr ist, weil alles teurer wird. Das Frustrationspotenzial ist hoch und viele hier fühlen sich an 1989 erinnert.
Sie meinen die Zeit, kurz bevor die DDR zusammengebrochen ist?
Ja. Alle wissen wie damals, dass etwas falsch läuft, aber alle wundern sich, dass nichts passiert. Deshalb ist es wichtig, die Sorgen auszusprechen und klarzumachen, dass alle Probleme lösbar sind. Und nicht der Spaltung in der Gesellschaft das Wort zu reden, wie es die AfD macht.
Können Sie das selber nachvollziehen, wenn sich Menschen in Ostdeutschland aktuell an das Jahr 1989 erinnert fühlen?
Ich gebe nur wieder, was mir viele sagen. Die Menschen im Osten haben ein feines Sensorium dafür, wenn etwas schiefläuft. Sie haben ja schon einmal ein System scheitern sehen. Umso wichtiger ist es, dass Politik Perspektiven aufzeigt und nicht einfach so weitermacht. Aktuell wird am Willen und an dem Gefühl der Leute vorbei regiert. Im Bund, aber auch in Thüringen, muss es einen politischen Wechsel geben.
2020 haben CDU und FDP Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten gewählt, um einen Wechsel herbeizuführen. Mit Stimmen aus der AfD. Das galt als Tabubruch. Kann so etwas noch einmal passieren?
Nein, die CDU würde im dritten Wahlgang selber einen Kandidaten aufstellen. So etwas wird nicht mehr passieren.
Könnte es denn künftig eine Zusammenarbeit mit der Linken geben?
Nein, das gibt es nicht.
Ihr Parteikollege Mike Mohring hat sich neulich für mehr Pragmatismus ausgesprochen.
Wir haben ein grundsätzlich anderes Gesellschaftsbild und auch Staatsverständnis als die Linke. Der Unvereinbarkeitsbeschluss ist die in Worte gefasste Grundüberzeugung. Im Kern wollen wir die Kräfte der Gesellschaft freisetzen und allen Wohlstand bringen. Die Linke will eine Abhängigkeit vom Staat. Eine gemeinsame Politik ist für die CDU unmöglich. Für mich hat das auch persönliche Gründe.
Inwiefern?
Mein Großvater ist von den Kommunisten zwangsenteignet worden. Er hat innerhalb von sechs Stunden alles verloren. Die Politik der Linken lehne ich ab. Unabhängig davon ist sie ist auf einem absteigenden Ast in Deutschland.
Das neue Bündnis Sahra Wagenknecht hingegen hatte zuletzt relativ hohe Zustimmungswerte bei Umfragen. Sehen Sie Möglichkeiten einer Zusammenarbeit?
Das kann ich jetzt noch nicht handfest beantworten. Wir müssen erstmal schauen, was da eigentlich entsteht, mit welchem Programm und welchen Personen BSW hier in Thüringen antritt. Stand jetzt wissen wir im Prinzip gar nichts.
Wenn Sie Ministerpräsident von Thüringen wären, was würden Sie als Erstes angehen?
Für mich gibt es drei Themen, die man unmittelbar anpacken muss. Das erste ist, der Wirtschaft wieder Luft zum Atmen geben. In Thüringen hinken wir seit neun Jahren beim Wirtschaftswachstum hinterher. Wir fallen hinter dem Westen und den anderen ostdeutschen Bundesländern zurück. Das kostet die Leute Wohlstand. Punkt zwei ist der Bildungsbereich. Jede zehnte Stunde in Thüringen fällt aus. Den Lehrermangel möchte ich schnell beenden. Und das Dritte ist, die ungeregelte Zuwanderung durch sinnhafte Maßnahmen im Land zu begrenzen. Konkret heißt das, dass diejenigen, die zurückgeführt werden könnten, auch wirklich zurückgeführt werden. Außerdem müssen wir von Geld auf Sachleistungen umstellen. Den Anfang haben zwei CDU-Landräte mit der Bezahlkarte bereits gemacht und das wirkt. Das ist lösungsorientierte Politik, die uns von anderen unterscheidet.