Rechtsruck bei Österreich-Wahl erwartet – welche Koalitionen möglich sein könnten

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Bei der Österreich-Wahl 2024 könnte sich die Koalitionsbildung äußert schwierig gestalten. Die ÖVP könnte wohl selbst regieren oder die FPÖ an die Macht bringen.

Wien – In Österreich stehen die Zeichen auf Rechtsruck. Die Bundesregierung von Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) steht den Umfragen nach vor ihren letzten Tagen im Amt. Das Bündnis aus Konservativen und Grünen, das in den vergangenen fünf Jahren die politischen Geschicke in Wien geleitet hat, steht vor der Abwahl. In den jüngsten Umfragen verpassen ÖVP und Grüne deutlich die nötige Mandatsmehrheit von 92 Sitzen im Nationalrat. Hinzu kommt, dass die rechtspopulistische FPÖ sich gute Chancen ausrechnen kann, bei der Wahl zu stärksten Kraft aufzusteigen. Die Machtverhältnisse in der Alpenrepublik werden sich somit grundlegend ändern. Ein Überblick über die theoretisch denkbaren Koalition nach der Wahl am Sonntag.

Politische Gegner oder zukünftige Koalitionspartner? Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und FPÖ-Spitzenkandidat Herbert Kickl. © Montage: Georg Hochmuth/Eva Manhart/dpa

Mögliche Koalitionen nach Österreich-Wahl 2024 – FPÖ sucht nach einem Partner

Wenige Tage vor der Nationalratswahl 2024 ist die Ausgangslage mit Blick auf die jüngsten Umfragen relativ klar. Eine Koalition aus zwei Parteien wird aller Voraussicht nach nur unter Beteiligung der rechtspopulistischen FPÖ mit Parteichef Herbert Kickl möglich sein. Sowohl ein Bündnis aus FPÖ und der sozialdemokratischen SPÖ, als auch eine Koalition mit der ÖVP dürfte die nötigen Sitze im Parlament erreichen. Während die SPÖ eine Zusammenarbeit mit Kickl im Vorlauf der Wahl ausgeschlossen hatte, positionierte sich die ÖVP deutlich offener für eine mögliche Koalition.

Partei Prozent
FPÖ 27 Prozent
ÖVP 25 Prozent
SPÖ 21 Prozent
Neos 9 Prozent
Grüne 9 Prozent
KPÖ 3 Prozent
BIER 3 Prozent
Sonstige 3 Prozent

Quelle: IFDD-Umfrage im Auftrag von ATV, Puls4, Puls24, Kronen Zeitung; 1000 Wahlberechtigte im Zeitraum zwischen dem 19. und 22. September 2024 befragt; maximale Schwankungsbreite +/- 3,1 Prozent

Nationalratswahl in Österreich 2024: ÖVP-Chef stellt Bedingung für Koalition mit FPÖ

Kein Wunder, denn ein solches Bündnis gab es in Österreich bereits zweimal in den letzten 30 Jahren. Zuletzt koalierte die ÖVP unter Parteichef Sebastian Kurz nach der Nationalratswahl 2017 mit der FPÖ von HC Strache. Zwei Jahre lang hielt die Regierung, ehe sie in Folge der „Ibiza-Affäre“ auseinanderbrach. Nach einem vierjährigen Intermezzo mit den Grünen könnte die türkis-blaue Koalition nun ihr Comeback feiern. Bundeskanzler Nehammer hatte mit Blick auf eine Zusammenarbeit mit der FPÖ jedoch klare Bedingungen gestellt. Seine Partei werde nur in eine Koalition mit den Rechtspopulisten eintreten, wenn diese ohne Spitzenkandidat Kickl auskommt.

„Weil er sich selbst in Verschwörungstheorien verfangen hat, weil er zum Beispiel die Weltgesundheitsorganisation als neue Weltregierung brandmarkt, weil er Fahndungslisten schreibt“, wird Nehammers Begründung im Deutschlandfunk zitiert. Es gäbe jedoch auch Vernünftige in der Partei, gibt der ÖVP-Chef zu bedenken. Dass die FPÖ ihren Parteichef für eine Koalition mit der ÖVP „opfern“ würde, ist jedoch unwahrscheinlich. Der frühere Innenminister hat sich klar an der Spitze seiner Partei etabliert und der Wahlkampf der FPÖ ist stark auf ihn ausgerichtet. Dennoch halten diverse Politiker und Beobachter eine Neuauflage der Koalition für denkbar.

Novum bei Österreich-Wahl 2024: Diese Dreierkoalitionen kommen infrage

Sollte Nehammer sein Wort und die FPÖ an Kickl festhalten, würde es bei der Koalitionsbildung auf ein Dreierbündnis hinauslaufen. Mit Blick auf die Umfragen kommen dabei vor allem zwei Konstellationen infrage. Eine Koalition aus ÖVP, SPÖ und den liberalen NEOS oder ein Bündnis aus ÖVP, SPÖ und Grünen. NEOS-Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger hatte vor einigen Tagen öffentlich vor einer Erneuerung der türkis-blauen Koalition gewarnt und für eine „Reformkoalition“ mit ihrer Partei geworben.

Doch das Bündnis dürfte es nicht leicht haben. Auf den sozialen Medien verspotten rechtspopulistische Akteure ein mögliches Dreierbündnis ohne die FPÖ bereits vor der Wahl als „Verliererkoalition“. Standard-Kolumnist Hans Rauscher zufolge könne Kickl es sich deswegen leisten, bei möglichen Sondierungsgesprächen mit der ÖVP auf seinen Positionen zu beharren. Denn ein instabiles Dreierbündnis aus ÖVP, SPÖ und NEOS könnte die Umfragewerte der FPÖ in der Opposition weiter nach oben treiben und den Grundstein für die nächste Wahl legen.

Gerade bei wirtschaftlichen und innenpolitischen Fragen sind die Unterschiede zwischen der ÖVP und der SPÖ groß – und das bereits ohne die Beteiligung der NEOS. Um zu sehen, welche Probleme ein Bündnis aus drei inhaltlich diversen Parteien mit sich bringen kann, reicht ein Blick auf die Ampel-Koalition in Berlin. Eine „österreichische Ampel“ aus SPÖ, Grünen und NEOS würde nach den jüngsten Umfragen ebenso die nötige Mehrheit verpassen, wie ein Bündnis aus ÖVP, Grüne und NEOS.

Enges Rennen in Umfragen vor Österreich-Wahl 2024 – FPÖ knapp vor ÖVP

Wenige Tage vor der Nationalratswahl 2024 in Österreich liegen die Umfragewerte der Parteien jedoch weiter nah beieinander. In der letzten Umfrage vor der Wahl am Sonntag durch das Meinungsforschungsinstitut IFDD im Auftrag von ATV, Puls4, Puls24 und Kronen Zeitung trennen FPÖ und ÖVP gerade einmal zwei Prozentpunkte. Bei der Wahl am Sonntag dürfen sich somit beide Parteien Chancen ausrechnen, stärkste Kraft zu werden und bei der Regierungsbildung voranzugehen.

Welche Konstellation die politischen Geschicke in Österreich in den kommenden fünf Jahren bestimmen wird, wird sich in den Tagen und Wochen nach der Wahl am Sonntag zeigen. Für das Land könnte es zu einer Richtungsentscheidung werden. Erstmals in der Geschichte könnte die FPÖ bei einer nationalen Wahl zur stärksten Kraft werden und den Kanzler stellen. Eine Koalition aus drei Parteien wäre in Österreich ebenso ein Novum. Zunächst liegt die Entscheidung über den Wahlausgang aber in den Händen der Wählerinnen und Wähler. (fd)

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