Dürfen bisher gar keine Schulden machen - Reform der Schuldenbremse nur für Bundesländer? Das steckt hinter der CDU-Idee

Als SPD und Grüne in den vergangenen Monaten eine Reform der Schuldenbremse ins Spiel brachten, schoben die Unionsparteien CDU und CSU dem sehr schnell einen Riegel vor. Doch seit die Ampel vor dem Aus und neue Bundestagswahlen vor der Tür stehen, ändert sich die Meinung. CDU-Chef Friedrich Merz sagte Mitte November, man könne grundsätzlich über die Schuldenbremse reden. Der Haushaltsexperte der Unionsfraktion, Mathias Middelberg, sagte dann Ende November in einem Interview mit dem Portal „The Pioneer“, dass eine Reform zumindest für die Bundesländer denkbar sei. Um diesen Vorschlag zu verstehen, müssen wir die Schuldenbremse etwas genauer erklären.

Wie funktioniert die Schuldenbremse für den Bund und die Länder?

Die Schuldenbremse ist nicht nur einfach ein Gesetz, sondern Teil unserer Verfassung, genauer gesagt Artikel 109 des Grundgesetzes. Darin heißt es, dass die Haushalte von Bund und Länder grundsätzlich ohne Aufnahme von Krediten auszugleichen sind, also ohne neue Schulden. Davon gibt es zwei Ausnahmen: Die eine sind Ausnahmesituationen wie zuletzt etwa die Corona-Krise. Die andere ist, dass der Bund neue Schulden in Höhe von 0,35 Prozent des nominalen Bruttoinlandproduktes aufnehmen darf. Hinzu kommt eine konjunkturelle Komponente, die in wirtschaftlich schwachen Phasen wie sie aktuell herrschen, noch etwas mehr Schulden erlaubt. Für die Bundesländer gibt es diese Ausnahmen nicht. Für sie gilt seit 2020 ein strenges Schuldenverbot.

„So einen Schritt könnte man aber durchaus nachholen“, sagte Middelberg in dem Interview. Dann könnte auch Bundesländern eine Neuverschuldung von 0,35 Prozent ihres jeweiligen BIP pro Jahr erlaubt sein. Genau dies wurde auch schon bei der Einführung der Schuldenbremse 2009 diskutiert. Am Ende entschieden sich die damaligen Politiker dagegen, mit dem Argument, dass Länderhaushalte regionaler und spezifischer seien und eine „Schwarze Null“ dort realistischer zu erreichen sein sollte als für den Bund, der auch viele gesamtstaatliche Aufgaben übernimmt, die schwer zu kalkulieren sind. Darunter fallen etwa die mit der Konjunktur schwankenden Sozialausgaben.

Was würde eine Änderung den Bundesländern nutzen?

Grundsätzlich könnten die Bundesländer über eine Änderung mehr Geld im Jahr ausgeben, bestenfalls für sinnvolle Investitionen. Allerdings sind die Bundesländer in ihren Möglichkeiten beschränkt. Sie können etwa nicht Geld für Posten ausgeben, die in den Zuständigkeitsbereich des Bundes fallen – also etwa Autobahnen, Schienen für die Deutsche Bahn und so weiter.

Die Bundesländer haben aber die Hoheit über andere Bereiche des Haushaltes. Darunter fällt etwa alles, was mit Bildung zu tun hat, also Kindergärten, Grundschulen, weiterführende Schulen und alle Arten von Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Ein zweiter großer Ausgabenposten sind die Polizei- und Justizbehörden des jeweiligen Bundeslandes, die Verwaltungen wie Finanz- und Gesundheitsämter, Krankenhäuser, Pflegeheime, soziale Projekte, Kultureinrichtungen wie Museen und Theater und die Sportförderung. Zu guter Letzt unterhalten auch die Bundesländer Teile der Infrastruktur, also etwa Landesstraßen, aber auch den ÖPNV in ihrem Bereich. In all diesen Bereichen könnten die Länder mit einer Änderung der Schuldenbremse also mehr investieren.

Wie viel Spielraum würde jedes Bundesland bekommen?

Da die mögliche Neuverschuldung vom BIP des Bundeslandes abhängt, wären die Summen, mit denen sich die Länder jeweils verschulden dürften, unterschiedlich. Ausgehend von den Werten von 2023 dürfte Nordrhein-Westfalen 2,9 Milliarden Euro extra investieren. Bayern folgt auf Platz 2 mit 2,7 Milliarden Euro vor Baden-Württemberg mit 2,2 Milliarden Euro. Niedersachsen und Hessen wären mit 1,3 beziehungsweise 1,2 Milliarden Euro die letzten beiden Länder, die die Milliardengrenze überschreiten. Am unteren Ende der Skala ständen Bremen mit 137 Millionen Euro, das Saarland mit 145 Millionen Euro und Mecklenburg-Vorpommern mit 207 Millionen Euro.

Pro Einwohner gerechnet wäre Hamburg mit rund 276 Euro damit am besten bedient. Bayern könnte 200 Euro pro Einwohner extra investieren, Bremen 199 und Hessen 191 Euro. Am wenigsten nützen würde die Neuregelung dementsprechend Thüringen mit 125 Euro pro Kopf, Sachsen-Anhalt mit 126 Euro und Mecklenburg-Vorpommern mit 127 Euro. Allgemein kämen die ostdeutschen Bundesländer aufgrund ihrer wirtschaftlich schwächeren Lage schlechter weg.

Wie hoch sind die Bundesländer schon verschuldet?

Die Verschuldung des Staates wird üblicherweise an der Schuldenquote gemessen, also dem Schuldenstand im Verhältnis zum BIP. Für den Bund liegt die Quote derzeit bei rund 64 Prozent. Das ist leicht über dem Wert von 60 Prozent, den die EU als Maximum definiert hat, sinkt aber seit Jahren – auch dank der Schuldenbremse. Hochverschuldete Staaten wie Griechenland kommen auf 164 Prozent, auch Italien mit 137 und Frankreich mit 112 Prozent liegen weit vor Deutschland.

Die Bundesländer sind dagegen zahm. Die höchste Schuldenquote wies zuletzt Bremen mit 58 Prozent aus, Platz 2 geht an Berlin mit 35 Prozent vor dem Saarland mit 33 Prozent. Im Durchschnitt liegt die Schuldenquote der Bundesländer bei gerade einmal 15 Prozent. Spitzenwerte erreichen Bayern mit 2 Prozent, Sachsen mit 4 Prozent und Baden-Württemberg mit 7 Prozent. Dass eine Ausnahme von der Schuldenbremse wie beim Bund zu ausufernden Schuldenbergen führen würde, lässt sich also nicht erwarten.

Wie würde eine Neuregelung der Schuldenbremse mir nutzen?

Wenn die Bundesländer mehr Geld ausgeben dürfen, bedeutet das nicht, dass es dem Leben aller im Land automatisch nutzt. Dann ginge es erst einmal darum, wie sinnvoll eine Landesregierung das Geld anlegt. Investitionen in Bildung oder die Reparatur maroder Infrastruktur etwa würde langfristige Gewinne bieten. 

Doch es ist unwahrscheinlich, dass die passiert, denn die heutigen Investitionen würden sich erst in vielen Jahren auszahlen – wenn die jetzige Regierung dadurch nicht mehr durch Wählerstimmen profitieren kann. Mehr Geld für den Haushalt würde – das zeigen auch die Erfahrungen aus dem Bund – eher dazu führen, dass Landesregierungen das Geld kurzfristig gewinnbringend anlegen. Theoretisch, in den richtigen Händen, wäre eine Ausnahme der Schuldenbremse für Bundesländer für Investitionen aber ebenso vorteilhaft wie für den Bund.

Wie steht es um eine Umsetzung einer solchen Reform?

Die CDU und CSU sind durchaus gesprächsbereit. Das gilt für letztere insbesondere, da sie als Regionalpartei in Bayern unmittelbar davon profitieren würde. Da die Union allen Umfragen zufolge wohl als stärkste Kraft aus der Bundestagswahl im Februar hervorgehen dürfte, dürfte das Thema zumindest auf der Tagesordnung einer neuen Bundesregierung landen. Was dann dort damit passiert, wird stark von dem oder den möglichen Koalitionspartnern abhängen. SPD und Grüne etwa wollen sowieso eine Reform der Schuldenbremse, aber für den Bund. Gut möglich also, dass hier in einem Kompromiss die Regeln für Bund und Länder aufgeweicht werden. Die FDP wiederum stellt sich gegen jede Aufweichung der Schuldenbremse. Die Erfahrungen aus der Ampel zeigen aber, dass sich die Partei – sollte sie es überhaupt wieder in die Regierung schaffen – durchaus Kompromisse eingeht, wenn ihre Forderungen dafür an anderer Stelle erfüllt werden.

Aber: Eine einfache Mehrheit im Bundestag reicht für eine Änderung der Schuldenbremse nicht aus. Da die wie gesagt im Grundgesetz steht, kann sie nur mit einer Zweidrittelmehrheit des Bundestages und anschließend des Bundesrates geändert werden. Je nach Mehrheitsverhältnissen könnten dazu mehr als nur die neuen Regierungsparteien von Nöten sein.