„Trauerspiel“ Wohnungsbau: Nur noch 175.000 neue Wohnungen 2026
Hunderttausende Wohnungen müssten in den kommenden Jahren gebaut werden. Die Zahl der Neubauten nimmt dagegen ab. Für Mieter hat das ernste Konsequenzen.
München – Wer in den Ballungsräumen deutscher Großstädte eine Wohnung sucht, dürfte es künftig noch schwerer haben: Die Zahl der neu gebauten Wohnungen könnte 2026 nur noch bei 175.000 liegen. Im Vergleich von knapp 300.000 im Jahr 2022 wären das 40 Prozent weniger. Das geht aus einer Prognose des Münchner Ifo-Instituts hervor. Damit dürfte auch der Druck auf Mieter steigen.
Die Prognose sei zwar mit Unsicherheiten behaftet, räumte Ifo-Bauexperte Ludwig Dorffmeister gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. „Aber es ist ziemlich klar, dass wir spätestens 2026 unter die 200.000er-Marke rutschen werden.“ Damit entfernt sich die Zahl der neuen Wohnungen noch weiter von dem Ziel der Ampel-Koalition. Beim Amtsantritt hatte diese die Marke von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr ausgerufen.
Trotz Wohnungsmangel: Zahl der Neubauten geht bis 2026 zurück
Ein entscheidender Faktor bei der Prognose ist der Einbruch der Bauanträge und Wohnungsbaugenehmigungen. Laut Zahlen des Statistischen Bundesamts wurden im Mai lediglich 17.800 Bauanträge genehmigt. Das ist ein Rückgang von 44 Prozent im Vergleich zum Mai 2022.

Als eine Ursache für die geringere Zahl der gebauten Wohnungen nannte Dorffmeister „die negativen Folgen der hohen Inflation und des Zinssprungs“. „In Deutschland sind darüber hinaus aber die Baukosten völlig aus dem Ruder gelaufen und verhindern eine Erholung des Marktes“, sagte der Ökonom gegenüber der DPA. Die Zinsen dürften längerfristig jedoch nicht als „Ausrede für die schwache Bautätigkeit dienen, da sie sich jetzt wieder auf einem normalen Niveau befinden“.
Ifo-Ökonom rechnet mit steigenden Kosten beim Wohnungsbau – Arbeitskosten als Ursache
Die Kosten für den Wohnungsbau dürften nach Erwartung des Ifo-Experten weiter steigen. „Der Baukostenindex des Statistischen Bundesamts zeigt, dass die vormals stark gestiegenen Materialkosten nicht sinken, sondern sich eher stabilisieren, während die Arbeitskosten in großen Schritten nachziehen.“ Der Tarifabschluss für das Bauhauptgewerbe werde in den kommenden Jahren weitere Kostenzuwächse zur Folge haben.
Durch die hohen Kosten haben mittlerweile viele Wohnungsgenossenschaften und kommunale Unternehmen neue Bauprojekte gestoppt. Die Hauptursache ist die Rentabilität. Damit sie die Kosten innerhalb der üblichen Zeitspanne von 25 bis 30 Jahren wieder einnehmen, müssten die Unternehmen auch jenseits der Ballungsräume teure Mieten weit über dem ortsüblichen Niveau verlangen. In kleineren Städten wollte diese kaum jemand zahlen.
Verband sieht Wohnungsbau als „Trauerspiel ohne Ende“
Angesichts der Entwicklung spricht der Wohnungswirtschaftsverband GdW von einem „Trauerspiel ohne Ende“ beim Wohnungsbau. „Von politischer Seite passiert viel zu wenig, um dem entgegenzuwirken“, sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko. Die fehlenden Baugenehmigungen von heute seien die „nicht stattfindenden Baufertigstellungen der Zukunft“.
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Der Verband vertritt vor allem Wohnungsgenossenschaften und städtische Unternehmen, die ihre Wohnungen häufig günstiger als private Unternehmen vermieten. Laut einer kürzlichen GdW-Umfrage unter diesen Mitgliedsunternehmen wollen oder können in diesem Jahr zwei Drittel keine neuen Wohnungen bauen.
Hunderttausende fehlende Wohnungen dürften Druck auf Mieten erhöhen
Die voraussichtliche Entwicklung der Mieten sind nicht Teil der Ifo-Prognose. Die Erwartung beim Wohnungsbau dürfte jedoch auch Konsequenzen für Mieter und Wohnungssuchende haben. In Großstädten wie München steigen die Mieten aufgrund des Wohnungsmangels weiter, selbst in der zwischenzeitlichen Phase mit sinkenden Kaufpreisen für Immobilien.
Die sinkende Zahl von Neubauten dürfte den Trend verschärfen. Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln sieht einen deutlich höheren Bedarf an Wohnungen. Bis 2025 müssten laut der Ökonomen 372.000 Wohnungen jährlich gebaut werden, bis 2030 seien es 302.000 Wohnungen pro Jahr. Eine andere umstrittene Studie spricht dagegen von lediglich 168.000 Wohnungen, die jährlich gebaut werden müssten. (ms/dpa)